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Der lange Schatten des Koreakonflikts

13. September 2017

Was haben die Raketen von Nordkoreas Diktator Kim Jong Un mit dem iPhone zu tun? Nichts, noch nichts. Aber ein militärischer Konflikt auf der koreanischen Halbinsel hätte massive Folgen für die Hightech-Branche.

Symbolbild Computer Chip technology
Bild: Fotolia/DragonImages

Jedes Mal, wenn der stolze Besitzer eines iPhones sein Gerät zückt und sich über den hochauflösenden Bildschirm freut, kann er sich bei den Technikern und Arbeitern von LG Display bedanken. Denn sie sind es, die im Auftrag des Apple-Konzerns die hochwertigen Touchscreens in Südkorea fertigen. Die US-Edelmarke Apple ist ganz besonders abhängig von den globalen Lieferketten aus Fernost.

Viele Komponenten für die iPhones, iPads und MacBooks werden in China gefertigt - doch ein Großteil der Chips und Speicher an Bord der Apple-Geräte kommt aus Südkorea. Auch andere Smartphone-Hersteller sind extrem abhängig von den Prozessoren und Speicherelementen "Made in South Korea". Und seit in China Hersteller wie Huawei ihre Smartphone-Produktion hochgefahren haben, hat das den südkoreanischen Export von Halbleitern ins Reich der Mitte hochschnellen lassen. Wenn man Arbeitsspeicher, Prozessoren, Platinen, LCD-Monitore und andere Schaltkreise zusammenrechnet, dann importiert China nach den Daten des Massachusetts Institute of Technology (MIT) mehr als ein Drittel seiner IT-Komponenten aus Südkorea. 

Erst im Juli stufte die Regierung in Seoul ihre Erwartungen für das Wirtschaftswachstum in diesem Jahr auf drei Prozent hoch. Hauptgrund: Die boomenden Exporte und Investitionen der Halbleiterindustrie des Landes.

Halbleiter, Displays & Co

Südkorea ist der zweitgrößte Produzent von Halbleitern weltweit. Mit Chips von Herstellern wie Samsung und SK Hynix dominiert die südkoreanische Halbleiterindustrie die Branche und versorgt zudem mehr als zwei Drittel des Weltmarktes mit Speicher-Chips. Bei NAND-Flash-Speichern, die vor allem in Smartphones und Tablet-Computern verwendet werden, geben die Südkoreaner genauso den Ton an wie bei herkömmlichen DRAM-Chips für die Arbeitsspeicher von Personal Computern und Servern. Der kalifornische Qualcomm-Konzern, weltgrößter Hersteller von Halbleitern für Mobiltelefone, kann ohne Samsung-Komponenten einpacken.

Bei LCD-Flachbildschirmen ist Südkorea als größter Produzent der Welt noch dominanter. Kein Wunder, dass sich bereits seit längerem Branchenexperten mit der Frage beschäftigen, was passieren würde, wenn aus den militärischen Drohgebärden von Diktator Kim Jong Un Ernst würde, wenn das Säbelrasseln auf der koreanischen Halbinsel zu einem militärischen Konflikt eskalieren würde.

Massiver Einbruch weltweit

Während des Korea-Krieges in den 1950er Jahren brach die Wirtschaftsleistung Südkoreas um rund 80 Prozent ein. Damals war das Land nach dem Zweiten Weltkrieg und nach jahrzehntelanger japanischer Besatzung unterentwickelt und spielte in der Weltwirtschaft kaum eine Rolle. Heute ist das anders. Mittlerweile ist das Land die elftgrößte Volkswirtschaft der Erde. Falls im Falle eines Krieges die südkoreanische Wirtschaft um 50 Prozent einbrechen würde, so rechnen die Forscher von Capital Economics in London vor, würde die globale Wirtschaftsleistung um ein ganzes Prozent zurückgehen. Das entspricht 770 Milliarden US-Dollar oder dem Bruttoinlandsprodukt der Niederlande 2016.

Sobald Südkorea von nordkoreanischen Raketen getroffen würde, so wird Soo Kyoum Kim vom Technologie-Beratungsunternehmen IBC von der Nachrichtenagentur Bloomberg zitiert, würde die Halbleiterproduktion des Landes sofort und kurz danach die weltweite Produktion von Computern und anderen digitalen Endgeräten zusammenbrechen.  

Nach den Daten von Bloomberg kommen rund zwölf Prozent der Zulieferer von Apple aus Südkorea. Und diese Abhängigkeit könnte noch weiter steigen, denn das brandneue Spitzenmodell iPhone X hat ein hochauflösendes OLED-Display von LG. Während etwa 40 Prozent der weltweiten LCD-Produktion auf das Konto südkoreanischer Hersteller geht, ist die Dominanz bei OLEDs noch größer. Für Finanz-Analysten wie Alberto Moel von Sanford C. Bernstein & Co. sind die Südkoreaner kaum zu ersetzen. Um die Produktionskapazitäten von LG und seinem Hauptkonkurrenten Samsung für Displays zu ersetzen, müsse man mit Investitionen von ungefähr 50 Milliarden US-Dollar rechnen, meint Moel. Dass das weder über Nacht, noch im Zeitraum von ein paar Monaten zu schaffen ist, steht dabei auf einem ganz anderen Blatt.

Verwundbare Hightech-Nation

Welche Marke Kim Jong Un bevorzugt, wissen wir nicht. Hier blickt Kims chinesischer Doppelgänger Jia Yongtang auf sein SmartphoneBild: Getty Images/K. Frayer

25 Millionen Menschen, rund die Hälfte der Einwohner Südkoreas, leben im Großraum Seoul. Vom Stadtkern der südkoreanischen Hauptstadt ist die innerkoreanische Grenze in einer Autostunde erreichbar. Fast alle Hotels in Seoul bieten ihren Gästen Tagesausflüge zur "Demilitarisierten Zone", der DMZ, an der Grenze zu Nordkorea an.

Hier hat LG Displays, der weltgrößte Produzent von Computermonitoren, sein Forschungszentrum. Die Stadt Paju liegt direkt an der DMZ. Von einem Berg im Norden des Zentrums blickt man auf die fünftgrößte Stadt Nordkoreas, Kaesong. Unweit von Kaesong arbeiteten bis zur Schließung der gleichnamigen Sonderwirtschaftszone im Februar 2016 mehr als 50.000 Nordkoreaner für südkoreanische Unternehmen. Und solange die Diplomatie die militärischen Scharfmacher in Pjöngjang und anderswo in Schach hält, werden die Wissenschaftler und Techniker in Paju weiter an Displays forschen - für noch bessere und noch kostspieligere iPhones und andere Smartphones weltweit.

Thomas Kohlmann Redakteur mit Blick auf globale Finanzmärkte, Welthandel und aufstrebende Volkswirtschaften.
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