Apti Alaudinow: Propagandist oder Moskaus neuer Politstar?
12. September 2024"Warum ist der Feind immer noch in der Oblast Kursk?", fragt Apti Alaudinow in einem Video auf seinem Telegram-Kanal. "Mehr als 200 Panzer, mehr als 400 Kampffahrzeuge und ebenso viele wurden später noch einmal dorthin verlegt. Zunächst wurden 12.000 Mann, dann noch weitere Kräfte und Mittel geschickt, die zerstört werden müssen", analysiert er den Vorstoß der ukrainischen Armee am 6. August, mit dem sie ihre Verteidigung gegen den russischen Angriffskrieg auf das Territorium der Russischen Föderation ausgedehnt hat.
Alaudinow ist Generalmajor der russischen Armee und Kommandeur der tschetschenischen Spezialeinheit Achmat. Das Regiment ist benannt nach dem vor 20 Jahren ermordeten tschetschenischen Präsidenten Achmat Kadyrow und gilt als Privatarmee von dessen Sohn, dem heutigen Machthaber Ramsan Kadyrow, wenngleich sie mittlerweile in die russischen Streitkräfte eingegliedert wurde. Das Konterfei des Vaters ziert die grüne Flagge der Spezialeinheit, vor der Alaudinow sich in Szene setzt, während er sein Unverständnis dafür andeutet, dass der ukrainische Gegenangriff noch immer nicht abgewehrt worden ist.
Seit Beginn der Kursk-Operation der ukrainischen Armee hat sich Alaudinow zu einem der präsentesten Kriegskommentatoren aus Russland entwickelt. Täglich veröffentlicht er Videos und Texte auf Telegram, wo er fast 300.000 Follower hat. Er wird von Agenturen zitiert und zu Talkshows eingeladen. Ist Alaudinow für Moskau nur Propagandist oder will der Kreml ihn zum Nachfolger von Kadyrow aufbauen?
Leitung der Spezialeinheit Achmat
Alaudinow wurde im Nordkaukasus, außerhalb Tschetscheniens geboren. Dennoch starben sein Vater, sein älterer Bruder und andere Angehörige während des Tschetschenienkrieges zwischen der Teilrepublik und dem föderalen Zentrum. "Er war immer Teil derer, die wir das föderalistische tschetschenische Lager nennen, also Tschetschenen, die schon immer pro-russisch waren", sagt Cerwyn Moore von der Universität Birmingham. Dies unterscheide ihn von Ramsan Kadyrow, der sich als "ein lokaler Feldkommandeur positioniert, der in Tschetschenien kommandiert, aber gleichzeitig Distanz zum Kreml hält".
Alaudinow studierte Jura, arbeitete im tschetschenischen Innenministerium, machte schnell Karriere und wurde stellvertretender Minister. Er galt als enger Mitarbeiter Ramsan Kadyrows, fiel jedoch Presseberichten zufolge Ende der 2010er Jahre in Ungnade, wurde in den Ruhestand versetzt und zog nach Moskau.
Nach dem russischen Einmarsch in die Ukraine übernahm Alaudinow die Leitung der Spezialeinheit Achmat. Cerwyn Moore glaubt, dass Alaudinow hofft, mit der Führung der Spezialeinheit die Gunst Kadyrows zurückzugewinnen. Von Moskau erhielt Alaudinow für seine Dienste den Titel "Held Russlands". Im April 2024 wurde er zudem zum stellvertretenden Leiter der Abteilung für militärpolitische Arbeit im russischen Verteidigungsministerium ernannt, wo er die "militärpolitische Propaganda und Agitation" organisiert.
Alaudinows neue Rolle
Mit seinen Kontakten zur tschetschenischen Elite und als Kommandeur von Achmat, als der er Freiwillige aus ganz Russland mobilisiert, eignet sich Alaudinow besonders, unterschiedliche Zielgruppen anzusprechen, sagt Russland-Experte Moore. Zudem gelinge es ihm, dank seiner Erfahrungen mit sozialen Netzwerken und im Verteidigungsministerium Erklärungen zu verbreiten.
Möglicherweise solle Alaudinow auch die Lücke füllen, die Jewgeni Prigoschin hinterlassen hat, sagt Adam Ashab, Kaukasus-Experte und Berater bei RAA Brandenburg, einer Unterstützungsagentur für Bildung und gesellschaftliche Integration.
Der Chef der berüchtigten Privatarmee Wagner-Gruppe hatte - wohl nach Meinungsverschiedenheiten mit dem Kreml - seine Söldner auf Moskau marschieren lassen und war kurz darauf bei einem Flugzeugabsturz ums Leben gekommen.
"Moskau hat Prigoschin verloren, und es scheint, es brauche einen neuen Prigoschin, nicht unbedingt in dieser spezifischen Struktur, wie es im Fall der Wagner-Gruppe war, sondern aus verschiedenen Gründen - einer davon ist, dass Alaudinow interessante Videos aufnimmt", sagt Ashab. Der Experte glaubt, dass der Kreml im Großen und Ganzen damit zufrieden ist, wie Alaudinow "seine ihm zugedachte Rolle spielt". Experte Moore stimmt dem zu: "Alaudinow ist sehr gut darin, ein Image zu schaffen und sich an der Mobilisierung über soziale Netzwerke zu beteiligen."
Ein Nachfolger für Kadyrow?
Spekulationen über mögliche Nachfolger für Ramsan Kadyrow gibt es schon seit Längerem. Sie nahmen im Frühjahr zu nach Berichten über eine Erkrankung. Kadyrow selbst gibt regelmäßig an, gesund zu sein. Ende August empfing er in Grosny Präsident Wladimir Putin, der sich zum ersten Mal seit mehr als zehn Jahren wieder in der tschetschenischen Hauptstadt blicken ließ.
An einen baldigen Wechsel an der Spitze Tschetscheniens glauben Beobachter zum jetzigen Zeitpunkt allerdings nicht. Dies könnte während des Krieges gegen die Ukraine für den Kreml riskant sein. Adam Ashab, der tschetschenische Medien und soziale Netzwerke verfolgt, sagt, er sehe bisher keine Anzeichen, die auf einen Wechsel hindeuten würden. Außerdem würde Moskau alles tun, damit ein solcher Machtwechsel reibungslos verlaufen würde.
Experten schließen aber nicht aus, dass Ramsan Kadyrow durch Apti Alaudinow oder jemand anderen ersetzt werden könnte. Sie glauben, dass der Kreml sich mehrere Optionen offen halte. Alaudinow, der von den Sicherheitskräften der Russischen Föderation unterstützt werde, könnte eine davon sein.
Adaption aus dem Russischen: Markian Ostaptschuk