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Politik

Aquarius 2 mit ungewisser Zukunft

Diana Hodali
8. Oktober 2018

Rettungsschiffe von zivilen Hilfsorganisationen werden von sämtlichen Seiten behindert. Jetzt soll dem Schiff Aquarius 2 erneut die Flagge entzogen werden. Unterdessen geht das Sterben auf dem Mittelmeer weiter.

Frankreich, Marseille: Die Aquarius legt ab
Bild: picture-alliance/dpa/V. Nicolas

Erst erklärte sich kein Hafen bereit, das Rettungsschiff Aquarius 2 mit Migranten an Bord einlaufen zu lassen und jetzt soll dem Schiff, das von der Organisation SOS Méditerranée gechartert und mit dem Verein Ärzte ohne Grenzen betrieben wird, zum zweiten Mal die Flagge entzogen werden: Im August sei dem Schiff bereits auf Druck von England die Flagge von Gibraltar entzogen worden, berichtete der Bremer Schiffseigner Christoph Hempel bei einer Pressekonferenz. Nun drohe das Gleiche mit der panamaischen Flagge. Die Seenotretter und die Eigner der Aquarius 2 machen Italien dafür verantwortlich.

Druck aus Italien auf Panama?

Panama habe deutlich gemacht, dass Italien das Land politisch und wirtschaftlich unter Druck gesetzt habe, sagte Till Rummelhohl, stellvertretender Vorsitzender des Vorstands von SOS Méditerranée Deutschland der DW. Italiens Außenminister Matteo Salvini von der rechten Lega bestreitet dies. Die Streichung aus dem Register des mittelamerikanischen Landes sei aber definitiv, sagte Hempel von der Reederei. Wann genau die Entscheidung vollzogen wird, steht noch nicht fest. "Ich denke, ich habe noch eine Woche", sagte er. Seit Wochen liegt die Aquarius jetzt im Hafen von Marseille. Das Schiff macht eine Zwangspause. Vertreter der rechten Identitären-Bewegung haben erst kürzlich das Büro der Hilfsorganisation SOS Méditerranée in Marseille gestürmt.

Im Februar 2016 hatte das Schiff seine Arbeit im Mittelmeer aufgenommen. Man habe sich immer an geltendes Seevölkerrecht gehalten, sagte SOS-Mediterranee-Sprecherin Jana Ciernioch. Doch die Lage habe sich dramatisch verändert für die zivile Seenotrettung. "Der humanitäre Raum, in dem wir agieren können, wird immer kleiner. Ohne Flagge können wir nicht retten, betonte sie. "Wir sind derzeit schon komplett handlungsunfähig."

Fast 30.000 Menschen hat die Besatzung der Aquarius 2 vor dem Ertrinken gerettetBild: picture-alliance/R. Basile

1500 Menschen ertrunken 

Die Aquarius war das größte private Seenotrettungsschiff auf dem Mittelmeer, 30.000 Menschen hat die Besatzung der Aquarius in den vergangenen zweieinhalb Jahren vor dem Ertrinken aus dem Mittelmeer gerettet. Dabei haben die Helfer lange Zeit eng und gut in Absprache mit den italienischen Behörden gearbeitet.

Italien hat die Koordination der Seenotrettung auf dem Mittelmeer an die libysche Küstenwache abgegeben. Alle Meere weltweit sind in "search and rescue"-Zonen aufgeteilt, kurz SAR-Zonen. In jeder Zone hat ein Staat die Verantwortung über die Rettungseinsätze übernommen. Lange Zeit war Rom für die Zone zwischen Libyen und Italien zuständig, doch seit Juni hat Libyen eine eigene Zone - von der libyschen Küste bis weit hinaus aufs Meer in die internationalen Gewässer. Das entspricht genau dem Gebiet, in dem die meisten Flüchtlingsboote in Seenot geraten. 1500 Menschen sind bereits in diesem Jahr auf dem Mittelmeer ertrunken. Die EU hat die Ausbildung der Küstenwache finanziert und wird über die Jahre rund 280 Millionen Euro in den Aufbau der libyschen Kräfte investieren.

SOS-Méditerranée  und auch andere Organisationen kritisieren das Vorgehen der libyschen Helfer der Seenot-Leitstelle seither regelmäßig. So sind bei einem Aufeinandertreffen der libyschen Küstenwache und dem deutschen Schiff Sea Watch im vergangenen November einige Flüchtlinge ertrunken.

"Wir erlebten bei jeder Rettung eigentlich, dass die libysche Seenotrettung überhaupt nicht vor Ort ist, keinerlei Funksprüche oder Anrufe entgegennimmt, so dass es sich um Stunden verzögert bis in irgendeiner Weise Rückmeldungen kommen", sagte Rummelhohl im Gespräch mit der DW. Man habe auch beobachtet, dass Menschen aus internationalen Gewässern zurück in das Land gebracht worden seien aus dem sie geflohen waren und wo Krieg herrscht, sagte er. Das seien eindeutig Rechtsverstöße. Einige Geflüchtete werden auch nach Libyen zurückgebracht. Nach Einschätzung des UNHCR und verschiedener Seenotrettungsorganisationen gibt es in dem Land aber keine sicheren Häfen. Sollten die Vorwürfe stimmen, käme Libyen seiner Pflicht nicht nach. "Das ist für viele die Hölle", sagt Rummelhohl. Denn in Libyen sollen diese Menschen schon versklavt und gefoltert worden sein.

Flüchtlinge vor der Küste Libyens: Sie müssen von der libyschen Küstenwache Hilfe bekommenBild: Reuters/G. Mangiapane

Schwere Zeiten für zivile Seenotretter

Seit die neue italienische Regierung an der Macht ist, ist die Situation für private Seenotretter auf dem Meer komplizierter geworden. Italien und Malta haben den Nichtregierungsorganisationen verboten, die Geretteten in ihren Häfen abzusetzen. Und auch die EU entzieht sich immer mehr der Aufgabe der Seetnotrettung und beruft sich auf Libyen: Nachdem die Sea-Watch 3 und andere Rettungsschiffe in Malta willkürlich festgesetzt wurden und der MS Aquarius die Flagge auf politischen Druck der italienischen Regierung entzogen wurde, stellen die italienische Mare Jonio und ihre Eskorte derzeit die einzigen dezidierten Rettungskräfte im Gebiet dar. Allerdings sind das kleine Schiffe, die keine medizinische Versorgung leisten können.

SOS-Meditérranee fordert daher von der Bundesregierung, sich dafür einzusetzen, dass sie eine neue Flagge bekommen. "Die Bundesregierung hat eine klare Verantwortung, sich zu positionieren, was sie bisher wenig bis gar nicht getan hat", bemängelte Sprecherin Ciernioch. Denn ohne Flagge ist das Schiff auch nicht versichert und die Eigner müssen dafür haften. Man habe zwar bereits in den Parlamenten der Schweiz, in Luxemburg sowie in Venezuela über die Möglichkeit einer Flaggenvergabe gesprochen, sagte Eigner Christoph Hempel. Doch noch ist die Zukunft der Aquarius 2 ungewiss. Und solange sie und auch andere Schiffe festgesetzt sind, werden weiterhin Menschen im Mittelmeer ertrinken.

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