Arabische Atomambitionen
19. Dezember 2007Eigentlich liegen die klassischen Energiequellen wie Erdöl und Erdgas vor der Haustür. Trotzdem wollen sich immer mehr Länder im Nahen Osten Atomreaktoren zulegen. Die offizielle Begründung: Energiemangel, so auch in Ägypten. Das nordafrikanische Land verkauft zwar Rohstoffe ins Ausland, will seinen eigenen Energiebedarf aber in Zukunft mit Hilfe von Kernreaktoren decken. Um die Lage vor Ort zu sondieren, fahren deshalb am Donnerstag (20.12.2007) Vertreter der Internationalen Atomenergieorganisation (IAEO) nach Ägypten. Schon seit den 1960er Jahren hat das Land immer wieder versucht, in die Atomenergie einzusteigen - erst mit Hilfe der Sowjetunion dann mit Unterstützung der USA, bisher aber ohne Erfolg. Jetzt haben sowohl Frankreich als auch Russland ihre Hilfe angeboten.
Heinz-Peter Butz von der Gesellschaft für Reaktorsicherheit in Köln hat Bedenken, was die Sicherheit der Reaktoren in Entwicklungsländern wie Ägypten angeht: In Deutschland gebe es einen gewachsenen technischen Unterbau vom Gesellen über den Meister bis zum akademisch ausgebildeten Reaktorfahrer. "Das muss sich entwickeln und bis dahin ist es ein langer Weg", sagt Butz. Auch wenn die IAEO den Ländern auf diesem Weg helfe.
Vom Atommeiler zur Atomwaffe
Eine viel größere Gefahr sehen Experten allerdings im möglichen Missbrauch der zivilen Atomenergie für militärische Zwecke. Im Atomwaffensperrvertrag verpflichten sich die Unterzeichnerstaaten zwar, die Technik ausschließlich zivil zu nutzen, viele Länder aber haben das wichtige Zusatzprotokoll nicht unterschrieben. Erst diese Unterschrift ermöglicht den IAEO-Inspektoren, Proben zu nehmen. Ägypten ist eines der Länder, die sich weigern, das Zusatzprotokoll zu unterzeichnen. Die Begründung: Israel habe auch nicht unterschrieben.
Götz Neuneck vom Hamburger Institut für Friedensforschung und Sicherheitspolitik warnt: "Es ist nach wie vor eine Heuchelei zu glauben, die Kernenergie sei prinzipiell und ausschließlich zivil nutzbar. Sie ist eben auch militärisch nutzbar." Es sei der klügere Weg, auf Technologien zu setzen, die nachhaltig Energie erzeugen und ökonomisch sowie ökologisch vertretbar sind. "Und die nicht im Falle eines Versagens ganze Millionenstädte zerstören können", sagt der Physiker.
Angst vor dem Iran
Ohnehin sieht Neuneck einen ganz anderen Grund für die plötzliche Atom-Mode im Nahen Osten. Auslöser ist das iranische Nuklearprogramm, glaubt er. Die arabischen Länder könnten nun versuchen, sich auf iranische Nuklearwaffen vorbereiten. Noch kann ein nukleares Wettrüsten im Nahen Osten verhindert werden, sagt Neuneck: "Das iranische Problem ist nicht so negativ, als dass man nicht Möglichkeiten hätte, auf diplomatischem, politischem oder auch technologischem Weg zu verhindern, dass Nuklearwaffen zur Abschreckung nötig sind."
Aber auch das israelische Nuklearpotenzial müsse man mit einbeziehen. "Israel muss sich überlegen, ob es langfristig von nuklear bewaffneten Nachbarn umringt sein möchte", sagt Neuneck. Es gilt als offenes Geheimnis, dass Israel selbst über Atomwaffen verfügt.
Atomenergie und Klimawandel
Während Neuneck alternative Energiequellen befürwortet, glaubt Butz, dass langfristig wegen des Klimawandels auch in Ländern wie Ägypten kein Weg an der Atomenergie vorbeiführt. Allerdings müssten mehrere Bedingungen erfüllt sein, fordert er: die Trennung von Betreiber und Kontrollbehörde, ein fachlicher Unterbau wie in Deutschland und die Anerkennung des Regelwerks der IAEO. Dann könne man niemandem ein ziviles Atomprogramm verwehren, so Butz.
Neuneck dagegen sieht die Lösung der Atomfrage im Nahen Osten woanders: "Ich interpretiere diese Reaktion – auch anderer Länder – als Reaktion auf das iranische Programm. Löst man das iranische Nuklearproblem, dann wäre man einen großen Schritt weiter."