Mittelmeer-Anreiner uneins
13. Juli 2008Der syrische Präsident Bashar el Assad wittert eine Gelegenheit: Seit seinem Amtsantritt als Nachfolger seines 2001 verstorbenen Vaters war es ihm nicht gelungen, Syrien aus der Isolation herauszuführen, in die es durch den Wegfall der Sowjetunion, besonders aber die Kritik aus Washington und Paris geraten war. Der ehemalige französische Präsident Jacques Chirac gehörte zwar sonst nicht gerade zu den engsten Verbündeten der USA, in der Frage Syriens aber steuerte er einen ebenso harten Kurs - schon allein wegen seiner engen Beziehungen zum Libanon, der lange Jahre unter syrischer Kontrolle gestanden hatte. Unter Chiracs Nachfolger Sarkozy soll das nun alles anders werden: Präsident Assad lobt seine Nahostpolitik und will ihn sogar in die Friedensbemühungen mit Israel einbeziehen, die bisher indirekt unter türkischer Beteiligung geführt wurden.
Für Bashar el Assad ist es deswegen Ehrensache, zum Pariser Gipfel anlässlich der Verkündung der "Union für das Mittelmeer" zu erscheinen. Und er ist auch bereit, entsprechende Vorleistungen zu erbringen. So erläuterte er dieser Tage in einem ersten Interview mit der libanesischen Zeitung "L’Orient Le Jour", dass er zum Frieden mit Israel bereit sei und auch zur Anerkennung des Libanon als selbständigem Staat. Sarkozy und die Europäer sollten außerdem enger in die Nahostpolitik eingebunden werden, denn von George W. Bush sei ohnehin "nichts mehr zu erwarten". Und bis ein Nachfolger im Weißen Haus handlungsfähig sein wird, will Assad offenbar nicht warten.
Gaddafi mutmaßt verdeckte EU-Agenda
Was den syrischen Präsidenten nach Paris treibt, hält den libyschen Staatschef Muamar Gaddafi ab, innerhalb von sieben Monaten ein zweites Mal an die Seine zu reisen. Obwohl er seit der Aufgabe seiner atomaren Pläne in den USA und der EU wieder hoffähig ist, denkt Gaddafi nicht daran, mit Israel Frieden zu schließen und schon der Gedanke, in Paris mit Israels Ministerpräsident Ehud Olmert am selben Tisch zu sitzen, scheint für ihn so unerträglich zu sein, dass er dem Gipfel fernbleibt.
Die Begründung gibt er freilich damit, dass Europa die Araber auseinander dividieren wolle. Statt ein Bündnis mit der Arabischen Liga einzugehen, picke man sich handverlesene Staaten heraus, die noch nicht einmal (wie Mauretanien) unbedingt Mittelmeer-Anrainer seien. Und es sei doch nicht einzusehen, warum auf europäischer Seite Staaten wie Finnland dabei seien, auf arabischer aber Länder wie Oman, Jemen und andere fehlten. Bei einem Treffen, zu dem Gaddafi kürzlich nach Tripolis geladen hatte, war er deutlicher: Die Europäer wollten doch nur Israel durch die Hintertür ins Spiel bringen. Und er schimpfte: "Wir sind weder ausgehungert noch Hunde, denen man Knochen zuwerfen muss".
Algerien bevorzugt Beziehungen zu Frankreich
Andere arabische Mittelmeer-Anrainer haben dieses Problem nicht. Entweder sie haben bereits Frieden mit Israel – wie Ägypten – oder sie unterhalten inoffizielle Kontakte mit dem jüdischen Staat – wie Tunesien und Marokko. Algerien wiederum hatte sich lange geziert, nach Paris zu kommen, aber aus anderem Grund: Das Erdöl- und Erdgas-reiche Land möchte lieber seine guten bilateralen Beziehungen (besonders mit Frankreich) über das Mittelmeer hinweg entwickeln – Beziehungen, die ihm den Absatz seiner Bodenschätze, aber auch Nachschub an Waffen garantieren.
Die anderen arabischen Staaten werden zwar nach Paris kommen, sie versprechen sich aber nicht übermäßig viel von der "Union für das Mittelmeer". Zu gut erinnern sie sich an die erste Euphorie über den 1995 begründeten "Barcelona-Prozess", von der 13 Jahre später kaum etwas geblieben ist. Zwar gibt es regelmäßige Treffen und Diskussionen, es gibt auch – weitgehend bilaterale – Hilfsprojekte, aber alle Beteiligten sind sich einig, dass das Erreichte weit hinter dem zurückblieb, was man sich besonders nach dem Ende der Sowjetunion von der EU erhofft hatte: Nämlich, dass sie den neuen Gegenpol zur Supermacht USA abgeben würde.
Europa ist dazu auch weiterhin nicht bereit, das Interregnum in Washington und die verstärkten Aktivitäten des französischen Präsidenten mögen bei manchen aber neue Hoffnungen erweckt haben. Präsident Assad von Syrien scheint einer von ihnen zu sein.