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KonflikteKatar

Arabische Welt: Auf dem Weg zu einer "Islamischen NATO"?

Cathrin Schaer
25. September 2025

Israels Angriff auf das Hauptquartier der Hamas in Katar verändert die arabische Verteidigungspolitik. Forderungen nach gemeinsamen Verteidigungspakten nehmen zu. Einige Politiker fordern sogar eine "Islamische NATO".

Teilnehmer des  arabisch-islamischen Gipfels zum israelischem Angriff auf Katar in einem Saal, September 2025
Beratung: Der arabisch-islamische Gipfel zum israelischem Angriff auf Katar, September 2025Bild: Mahmud Hams/AFP

Wie es um seine Verteidigungsfähigkeit steht, bekam das Emirat Katar vor rund zwei Wochen deutlich vor Augen geführt: Am 9. September feuerten etwa zehn israelische Kampfjets  mehrere Raketenauf das Hauptquartier der Hamas in Doha. Die Raketen töteten sechs Menschen - allerdings nicht die, die das eigentliche Ziel des Angriffs waren.

Katars Verteidigungssystem war machtlos. Auch nützte es nichts, dass Israels wichtigster Verbündeter, die USA, in Katar ihren größten Stützpunkt in der gesamten Region unterhalten. Denn die USA hatten Israel von dem Angriff offenbar nicht abhalten können. Dabei hätten die USA von der Attacke eigentlich Kenntnis haben müssen.

Das beschädigte Hauptquartier der Hamas in Doha nach dem israelischen Angriff Bild: Ibraheem Abu Mustafa/REUTERS

USA: Ruf beschädigt 

"Der israelische Angriff erschüttert die Beziehungen der Golfstaaten zu den USA und wird sie einander näherbringen", schrieb Kristin Diwan, Wissenschaftlerin am Arab Gulf States Institute in Washington, kurz nach dem Angriff.

"Die Ölmonarchien ähneln einander. Einen direkten Angriff auf ihre Souveränität und vermeintliche Sicherheit erachten sie als völlig unannehmbar."

Aus diesem Grund "bemühen sich die Herrscher der Golfstaaten verstärkt um größere strategische Autonomie und sind zunehmend entschlossen, sich gegen die Risiken einer Abhängigkeit von den USA abzusichern", schriebSanam Vakil, Direktor des Nahost- und Nordafrika-Programms von Chatham House, in einem Kommentar in der britischen Zeitung The Guardian.

Vorbild NATO?

Darum wurde in den vergangenen Wochen zunehmend über die Gründung einer "Islamischen NATO" gesprochen - eines Verteidigungsbündnisses islamischer und arabischer Staaten, das ähnlich wie das westliche transatlantische Verteidigungsbündnis funktionieren könnte.

Auf einem in der vergangenen Woche von der Arabischen Ligaund der Organisation für Islamische Zusammenarbeit organisierten Krisengipfel schlugen ägyptische Beamte eine gemeinsame Task Force für arabische Nationen nach dem Vorbild der NATO vor.

Und die sechs Mitglieder des Golf-Kooperationsrates (GCC) - Bahrain, Kuwait, Oman, Katar, Saudi-Arabien und die Vereinigten Arabischen Emirate - erklärten, sie würden eine Bestimmung aus einem gemeinsamen Verteidigungsabkommen aus dem Jahr 2000 aktivieren, wonach ein Angriff auf einen Mitgliedstaat ein Angriff auf alle sei. Die Formulierung ähnelt der in Artikel 5 des NATO-Pakts.

Nach dem ersten Krisengipfel trafen sich die Verteidigungsminister der Golfstaaten erneut in Doha und einigten sich darauf, die Grundlagen für den Austausch nachrichtendienstlicher Informationen und zur Bereitstellung von Luftlageberichten zu verbessern.

Auch wollen sie die Einrichtung eines neuen regionalen Systems zur Warnung vor ballistischen Raketen beschleunigen. Zudem kündigten sie Pläne für gemeinsame Militärübungen an. Fast zeitgleich kündigte Saudi-Arabien den Abschluss eines "strategischen gegenseitigen Verteidigungsabkommens" mit Pakistan an. 

Eine Shaheen-III Rakete bei einer Militärparade zum pakistanischen Nationalfeiertag, Islamabad, 2022Bild: Anjum Naveed/AP Photo/picture alliance

Angst vor Konfrontation mit Israel

Doch noch scheinen die Pläne wenig realistisch. "Ein Bündnis nach NATO-Vorbild ist unrealistisch, denn es würde die Golfstaaten in Kriege verwickeln, die sie als nicht zentral für ihre eigenen Interessen erachten", sagt Andreas Kriegvon der School of Security Studies des King's College London. "Kein Herrscher am Golf möchte etwa im Namen Ägyptens in eine Konfrontation mit Israel hineingezogen werden."

Was sich anstelle einer "Islamischen NATO" allerdings entwickeln könne, sei das sogenannte "6+2-Format", sagtCinzia Bianco, Golf-Expertin beim European Council on Foreign Relations (ECFR).

Der Begriff umfasst die Gruppe der sechs GCC-Staaten sowie die Türkei und Ägypten. Es sei durchaus denkbar, dass das Format diese Woche am Rande der UN-Generalversammlung diskutiert werde.

"Es geht allerdings nicht um eine Vereinbarung nach Vorbild des Artikels 5 der NATO-Konvention", so Bianco zur DW. "Eher würden die beteiligten Staaten es darauf anlegen, Sicherheits- und Verteidigungsstrategien abzustimmen sowie, was vielleicht am wichtigsten ist, ein abschreckendes Signal an Israel zu senden."

Die US-amerikanische Präsidentenmaschine Air Force One auf dem US-Stützpunkt Al-Udeid in Katar, Mai 2025Bild: BRENDAN SMIALOWSKI/AFP

Regionale militärische Kooperation

Das "6+2"-Format sei sinnvoller als eine "Islamische NATO", sagt Krieg. Der glaubwürdigste nichtwestliche Partner für die Golfstaaten sei die Türkei. "Sie verfügt bereits seit 2017 über in Katar stationierte Truppen und über die Fähigkeit, in Krisen schnell zu reagieren."

Komplizierter sei die Lage Ägypten. "Das Land verfügt zwar über militärische Masse. Doch seine Zuverlässigkeit gilt in einigen Golfhauptstädten als zweifelhaft."

Denkbar sei auch, dass die Golfstaaten versuchen könnten, hinsichtlich ihrer Verteidigung verstärkt mit anderen Ländern zusammenzuarbeiten. "Sicherlich wären andere Akteure wie etwa Russland und China bereit, die USA zu ersetzen", sagt Sinem Cengiz vom Gulf Studies Center der Universität Katar der DW. "Aber es ist unwahrscheinlich, dass ein externer Akteur über Nacht an die Stelle der USA treten wird."

Die Golfstaaten würden das ohnehin nicht wollen, fügt Bianco hinzu. Sie seien weiterhin auf US-Militärtechnologie angewiesen. Darum habe Katar die USA nach dem Anschlag in Doha gebeten, weiterhin an seiner Seite zu stehen.

"Bedeutend ist auch der Umstand, dass die USA Bestrebungen, die Verteidigung zu regionalisieren, nie offen abgelehnt haben", so Bianco. "Sie haben sich immer für eine einheitliche Raketenabwehrarchitektur der Golfstaaten ausgesprochen."

Aus dem Englischen adaptiert von Kersten Knipp.

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