1. Zum Inhalt springen
  2. Zur Hauptnavigation springen
  3. Zu weiteren Angeboten der DW springen
Politik

Arabische Zeitungen zur Wahl in Ägypten

26. März 2018

Die Ägypter gehen zur Wahl. Das Ergebnis aber, die Wiederwahl von Präsident al-Sisi, gilt als sicher. Was sagt das über die politische Kultur des Landes? Die Kommentatoren der großen arabischen Zeitungen sind uneins.

Ägypten Präsidentschaftswahlen
Bild: Reuters/The Egyptian Presidency

Präsidentenwahl in Ägypten hat begonnen

02:11

This browser does not support the video element.

Für den Kommentator der staatsnahen arabischen Zeitung Al-Ahram steht die Entscheidung fest: "Ich werde meine Stimme Präsident Abdel Fattah al-Sisi geben." Dafür, schreibt er, gebe es gleich mehrere Gründe. Vor allem diesen: al-Sisi habe eine zweite Amtszeit verdient. Denn durch sie könne er sein ehrgeiziges Programm zur umfassenden Erneuerung Ägyptens vervollständigen und die schwerwiegenden Problemen des Landes lösen. Dass es so komme, sei sicher, ist der Kommentator überzeugt: "Unter al-Sisis Herrschaft hat der ägyptische Staat sein Ansehen wieder zurück gewonnen. Der Präsident hat  Sicherheit und Stabilität im gesamten Land wieder hergestellt und ein acht Jahre dauerndes Chaos beendet, das die Herrschaft des Rechts außer Kraft gesetzt hatte."

Zur Wahl gehen, sollten die Ägypter auf jeden Fall, rät die Kolumnistin von Al-Masry Al-Youm. Vor allem aus einem Grund: um Ägyptens "Feinde" zu widerlegen. Die meinten es nämlich nicht gut mit dem Land: "Sie wollen die Welt glauben machen, dass das Land politisch instabil sei, dass seine demokratischen Wurzeln nicht fest verwurzelt seien und dass die Ägypter darum nicht zur Wahl gingen." Mehr noch: Die Feinde behaupteten sogar, dass die Ägypter nicht einmal ihre politischen Rechte und Pflichten kennten. Solche Unterstellungen dienten nur einem Zweck: das Gesicht des Landes vor aller Welt zu entstellen, auf dass niemand die Ägypter unterstütze. "Auch darum müssen wir wählen. Wir müssen zeigen, dass wir Ägypter sind."

Freie Wahlen, erwartbares Ergebnis: Szene aus Kairo Bild: Getty Images/AFP/K. Desouki

Vorwurf: ein unterdrückerisches Regime

Haben die Kritiker al-Sisis wirklich nur dunkle Machenschaften im Sinn? Zielen sie wirklich nur darauf, das Land zu diskreditieren? Die in London erscheinende Zeitung Al-Araby Al-Jadeed formuliert sehr konkrete Kritik. Die richtet sich nicht gegen das Land, sondern gegen dessen Regime. Dieses Regime, schreibt die Zeitung, begründe eine neue Ära der Militärdiktatur. "In einer solchen soll das Militär mit General al-Sisi an der Staatsspitze die politische und ökonomische Stabilität garantieren. Das Militär stützt sich aber auf keine Regierungspartei. Es lässt noch nicht einmal den beschränkten politischen Pluralismus zu, wie er noch die Mubarak-Ära kennzeichnete." Das neue Regime sei zudem höchst unterdrückerisch: "Es schaltet sämtliche Rivalen aus und verabschiedet sich von allem politischen Pluralismus. So hält es auch bei den Wahlen die Kontrolle in der Hand und sorgt für seinen Sieg." Für den Umgang mit seinen Gegnern setze es vor allem auf eines: "äußerste Unterdrückung". 

Aber, wirft die ebenfalls in London erscheinende Zeitung Al-Hayat ein: Man könne die ägyptischen Wahlen nicht nach Maßgabe herkömmlicher demokratischer Erwartungen beurteilen. Die setzten voraus, dass es um die Wahrung nationaler Interessen und die Stabilität des Staates gehe. Eine solche Erwartung gehe aber an der ägyptischen Wirklichkeit vorbei: "Sie übersieht die heftige Kampagne, mit der die Muslimbrüder derzeit das Land überziehen, um sich so auf primitive Weise am Nationalstaat zu rächen." Die Muslimbrüder, so die Zeitung, hätten den Machtverlust von 2013 noch immer nicht verwunden. Das mache sie gefährlich, dessen sei sich auch die Regierung bewusst. Zudem sähe sich das Land weiteren Risiken ausgesetzt: "Im Westen ist Ägypten durch das Chaos in Libyen bedroht und im Osten durch die Entwicklung im Gazastreifen - dort werden Tunnels in Richtung Ägypten gegraben." Hinzu komme der Terror auf dem Sinai. "In dieser Situation muss Ägypten darauf achten, dass es sich nicht wie Irak, Syrien und Libyen entwickelt. Demokratie soll Sicherheit und wirtschaftliche Lage ergänzen, nicht sie unterminieren."

Tradition der Macht: Kairo im Schatten der PharaonenBild: Getty Images/AFP/K. Desouki

Der Staat als Beute?

Und doch, meint Al-Jazeera: Für einen erheblichen Teil der Entwicklung im Lande sei vor allem Präsident al-Sisi verantwortlich. Unter seiner Herrschaft stehe es um die politische Kultur des Landes nicht zum Besten - und damit auch im die Wahlen nicht: "Die einzig wirklich spannende Frage bei den Wahlen ist die, wie nahe al-Sisi an die Hundert-Prozent-Marke der Zustimmung kommt. Al-Sisi hat die Opposition systematisch eliminiert und den Weg zu einem einfach zu erringenden Wahlsieg geebnet." Alles dies, so Al-Jazeera, deute vor allem auf eines hin: "Dieser Urnengang soll nichts anderes als die Ergebnisse früherer Wahlgänge bestätigen."

Die in London erscheinende Zeitung Al-Quds al-Arabi macht für die Missstände nicht nur den Präsidenten verantwortlich. Ihr erscheint vielmehr das gesamte politische Personal fragwürdig. "Der Staat von Marschall al-Sisi ist zerbrechlich, geschwächt durch die Personalisierung der Macht und die Abwesenheit jeglichen Bewusstseins von der Bedeutung des ägyptischen Staats - seines historischen und sozialen Werts." Die derzeitige Generation von Machthabern nehme offenbar an, der Staat könne auch dann existieren, wenn die Bevölkerung längst den Glauben an ihn verloren  habe. "Ihr fehlt das Bewusstsein, dass es für einen Staat einen politischen Willen braucht und dazu ein freies Volk." Der Staat erscheine fast als Besitztum der Politiker. "Diese Privatisierung der Politik hat die Menschen jeder starken, ernsthaften Opposition beraubt, ebenso auch einer freien Presse und einer offenen Beziehung zur Zivilgesellschaft. All diese Mängel sind typische Kennzeichen eines gescheiterten Staats."

Ägyptens Wirtschaft unter al-Sisi

01:55

This browser does not support the video element.

"Hör auf zu träumen!"

Es wäre schön, wenn es neben al-Sisi einen weiteren ernsthaften Kandidaten geben, schreibt die ägyptische Zeitung Al-Shorouk. Aber dass dem nicht so sei, darüber dürfe man sich nicht wundern: "Denn kann man wirklich Parteien aus der Taufe heben, nachdem es sie ein halbes Jahrhundert nicht ernsthaft gegeben hat?" Überhaupt müsse sich ein ernsthafter Politiker seine Sporen erst verdienen: Soll er einer politischen Industrie entspringen? Oder gehen politische Führer nicht eher aus Parteien, aus dem Streit um politische Positionen, aus Krisen, Kämpfen und Ideen hervor? Macht der Staat die Stärke von Parteien aus oder sind es nicht eher die Führer, denen politische Parteien ihre Stärke verdanken?" Allein aus einem solchen Prozess könnten ernsthafte Kandidaten entstehen, schreibt das Blatt. Die aber gebe es nicht. Darum sei es auch nicht erstaunlich, dass es kaum einen Ägypter gebe, der auch nur fünf Parteien zu nennen wüsste.

Allerdings, schreibt das von jungen Journalisten betrieben Portal Sasapost: Das derzeitige politische Personal lasse nichts Großes erwarten. Ja mehr noch: "In den kommenden vier Jahren gibt es kein Entkommen. Ein Präsident kam gegen deinen Willen, und er kommt wiederum gegen deinen Willen. Setz dich also hin und hör auf zu träumen!" Es liege auf der Hand, was in den kommenden Jahren zu erwarten sei: "Du wirst wieder viele Reden von diesem komödienhaften Präsidenten hören, garniert von dem üblichen Applaus. Es wird die üblichen Jugendkongresse geben, auf denen der Präsident auftreten wird, inmitten einer sorgfältig ausgesuchten Gruppe." Und alle anderen, so Sasapost weiter, müssten sich eben arrangieren: "Wir, wir versuchen derweil die kommenden vier Jahr zu überleben, mit möglichst geringen Verlusten. Die jungen Menschen, die 2011 an der Januar-Revolution teilnahmen - sie stellten sich in ihren dunkelsten Albträumen nicht jene Situation vor, in der wir uns jetzt befinden."

Kersten Knipp Politikredakteur mit Schwerpunkt Naher Osten und Nordafrika
Den nächsten Abschnitt Mehr zum Thema überspringen