Expertenmangel in Afrika
22. Mai 2012 Arnulf Christa kennt sich gut aus in der Geschäftswelt vieler afrikanischer Länder. Er ist Mitglied der Geschäftsleitung der deutschen Firma Bauer Spezialtiefbau, die unter anderem Fundamente für große Gebäude und Brücken in boomenden afrikanischen Städten baut. Erfolgreich sei die Firma in Afrika immer dann, wenn sie ein Tochterunternehmen gründen konnte, das mit lokalen Mitarbeitern selbstständig arbeitet. Doch das ist für den Bauingenieur Christa keine leichte Aufgabe. Denn sobald die Firma lokale Mitarbeiter gut ausgebildet hat, werden sie häufig von anderen Unternehmen abgeworben. In Angola, erzählt Christa, gebe es beispielsweise einige Regierungsorganisationen, die finanziell so gut ausgestattet seien, dass sie unüblich viel bezahlen. "Wenn in Deutschland jemand seinen Arbeitsplatz wechselt, dann kann er erwarten, dass er fünf oder vielleicht zehn Prozent mehr verdient", sagt Christa. "In Afrika kann es schon passieren, dass er dann das Doppelte oder Dreifache verdient. Das macht es attraktiv zu wechseln." Die Knappheit an gut ausgebildeten Menschen sei deshalb in Ländern wie Angola ein großes Problem.
"Hundertausende Schulabsolventen suchen Ausbildungsplätze"
Afrikas Wirtschaft wächst seit Jahren kontinuierlich. Immer mehr internationale Firmen investieren in den Kontinent, vor allem in die rohstoffreichen Länder. Damit die Bevölkerung davon profitieren kann, unterstützt die deutsche Entwicklungszusammenarbeit deshalb verstärkt berufliche Bildung. "Es gibt hunderttausende Jugendliche, die jetzt aus den Schulen kommen und kein adäquates Angebot an beruflicher Ausbildung und Qualifizierung finden", sagt Andreas König, der Leiter des Kompetenz-Centers 'Berufliche Bildung und Arbeitsmarkt' der Deutschen Gesellschaft für Internationale Zusammenarbeit (GIZ). Gleichzeitig habe Afrika - besonders in den boomenden Ländern - große Probleme, die Nachfrage nach qualifizierten Kräften zu decken. Ausländische Firmen stellen deshalb häufig Experten aus dem Ausland ein.
Der nigerianische Unternehmensberater Jaiye Doherty beobachtet bei einigen internationalen Firmen allerdings auch eine Tendenz, bevorzugt Ausländer anstelle von lokalen Mitarbeitern zu beschäftigen. Er lobt deshalb den Ansatz, bei Regierungsaufträgen Quoten für lokale Mitarbeiter zu vergeben. So könne sichergestellt werden, dass ein Teil der internationalen Investitionen auch bei der Bevölkerung ankommt. "Das ist eine Tendenz, die sich überall zeigt, nicht nur in Nigeria", sagt Doherty.
Universitäten sind schlecht ausgestattet
Allerdings weiß auch Doherty, dass dieses Konzept nur funktioniert, wenn lokale Firmen und Mitarbeiter den geforderten Standards entsprechen. Dazu sind mehr und vor allem längerfristige Investitionen in Bildung nötig - da sind sich die Experten einig. Aber in welche Bereiche gezielt investiert werden soll, darüber besteht hingegen kein Konsens. Die einen fordern Berufsausbildungen nach deutschem Vorbild, die mehr den Bedürfnissen der Wirtschaft entsprechen. Die anderen fordern mehr Geld für afrikanische Bildungseinrichtungen.
Einer der Experten ist der senegalesische Wissenschaftler Boubacar Barry, der seine eigenen Kinder zum Studium nach Europa und in die USA geschickt hat, weil ihm das Niveau der meisten afrikanischen Universitäten viel zu niedrig sei. Beruflich hat er ähnliche Erfahrungen gemacht. Barry koordiniert eine westafrikanische Forschungsinitiative zum Klimawandel und hat große Probleme, an afrikanischen Universitäten qualifizierten Nachwuchs zu rekrutieren. "Es gibt nicht genug Unterrichtsräume, nicht genug Lehrer, nicht genug Labore. Das führt zu einem sehr schlechten Bildungslevel", beklagt sich Barry.
Afrikanische Staaten sind gefragt
Wenn Arnulf Christa von Bauer Spezialtiefbau afrikanischen Politikern und Unternehmern erzählt, wie viel Geld seine Firma in die Ausbildung von Mitarbeitern steckt, schaut er oft in verdutzte Gesichter. Wissen ist in seinem Geschäft Kapital, die hohen Investitionen sind für sein Unternehmen nötig. Ihm ist aber auch klar, dass Firmen das Bildungsproblem eines Landes nicht lösen können.
Das sei eine staatliche Aufgabe, findet Christa. "Als einzelne Firma können sie nur auf den Markt reagieren. Sie können den Markt aber nicht ändern."