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Grüner Stahl: Warum Milliarden-Subventionen nicht reichen

16. Juli 2025

Grüner Wasserstoff soll die Stahlindustrie nachhaltiger machen. Doch trotz Milliardensubventionen hat ArcelorMittal den Umbau zu Herstellung von grünem Stahl gestoppt. Einzelfall oder Warnsignal für die Branche?

Ein Arbeiter im schweren Schutzmantel beim Abstich im Stahlwerk von ThyssenKrupp in Duisburg
Die Stahlhersteller sind die größten Klimasünder innerhalb der Industrie. Könnten sie ihre Produktion nicht auf grünen Stahl umstellen?Bild: Rupert Oberhäuser/picture alliance

Stahl ist das Rückgrat der deutschen Industrie - aber auch ein großer Verursacher von Treibhausgasen. Die Erzeugung von Roheisen und Stahl verursacht in Deutschland knapp sieben Prozent der CO2-Emissionen. Wäre die Stahlindustrie klimaneutral, ließen sich bis zu 55 Millionen Tonnen Kohlendioxid pro Jahr einsparen, das entspricht etwa 30 Prozent aller Industrieemissionen in Deutschland. Und etwa sieben Prozent der gesamten CO2-Emissionen in Deutschland - so die Wirtschaftsvereinigung Stahl.

Boston Consulting sagt, selbst wenn grüner Stahl 50 Prozent mehr koste als konventioneller Stahl, wirke sich das kaum auf den Preis des Endproduktes ausBild: Jochen Lübke/dpa

Das müsste nicht so sein. Die Produktion könnte nachhaltiger werden, wenn Stahl nicht mit Kokskohle, sondern mit grünem Wasserstoff hergestellt würde. Also mit Wasserstoff, der mit erneuerbaren Energien hergestellt wird.

Warum Arcelor Mittal Pläne in Deutschland aufgibt

Genau das war der Plan des Stahlherstellers ArcelorMittal. In Deutschland wollte der Konzern die Produktion auf grünen Wasserstoff umstellen, um so das Konzernziel zu erreichen, im Jahr 2050 Stahl mit Netto-Null-Emissionen herzustellen. Dafür hat die deutsche Regierung Subventionen in Höhe von 1,3 Milliarden Euro zugesagt. Im Juni kam dann die Rolle rückwärts. Arcelor Mittal stoppte seine Pläne für eine grüne Stahlproduktion in Bremen und Eisenhüttenstadt.

"Die europäische Stahlindustrie steht derzeit unter einem noch nie dagewesenem Druck, ihre Wettbewerbsfähigkeit zu erhalten - und das bereits ohne die zusätzlichen Kosten, die für die Dekarbonisierung erforderlich sind", sagt dazu Geert Van Poelvoorde, CEO von ArcelorMittal Europe.

Milliarden Subventionen reichen nicht

Zusätzliche Kosten entstehen den Stahlkonzernen einmal, weil sie neue Anlagen bauen müssen, in denen grüner Stahl hergestellt werden kann. Dafür waren die Subventionen in Milliardenhöhe vorgesehen. Das ist jedoch nicht die einzige Zusatzbelastung. Grüner Wasserstoff ist teurer als die bisher eingesetzte Kohle. Am Ende muss aber grüner Stahl auf den Weltmärkten mit dem günstiger hergestellten konventionellen Stahl konkurrieren.

Hinzu komme, dass sich die Marktsituation für Kohle auf alle konventionellen Stahlhersteller gleichermaßen auswirkt, so Stefan Lechtenböhmer, Professor an der Universität Kassel. Kohle wird am Weltmarkt gehandelt. Wenn dort die Preise für Kohle steigen, trifft das alle Hersteller, die ihre Produkte dann im Zweifel alle teurer machen müssten.

"Wenn die Stahlproduzenten auf Wasserstoff umsteigen, bewegen sie sich in einem anderen Markt", erklärt Lechtenböhmer. "Wasserstoff wird eher lokal hergestellt und der Transport ist heutzutage eigentlich nur sehr schwer möglich". Da für die Erzeugung von grünem Wasserstoff viel Strom benötigt wird, sind die lokalen Strompreise ausschlaggebend dafür, wie teuer am Ende grüner Wasserstoff ist.

Deutschland will grünen Wasserstoff produzieren

Nicht nur die Kosten von grünem Wasserstoff bereiten den Stahlherstellern Kopfschmerzen, daneben müssen sie auch noch Wasserstoff in ausreichenden Mengen zur Verfügung haben. Ein Teil davon soll in Deutschland produziert werden. Laut der Nationalen Wasserstoffstrategie sollen bis 2030 rund zehn Gigawatt hier entstehen. 

Marktstart für grünen Wasserstoff

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Die Realität ist davon aber noch weit entfernt. So betrug die installierte Leistung von Elektrolyseuren im Februar 2024 etwa 0,066 Gigawatt, heißt es im Monitorbericht der Expertenkommission zum Energiewende-Monitoring. Das Ziel bis 2030 sei kaum noch zu erreichen, sagt Martin Wietschel vom Fraunhofer-Institut für System- und Innovationsforschung in Karlsruhe gegenüber der Tagesschau.

Grüner Wasserstoff muss importiert werden

Die Mengen, die nicht in Deutschland hergestellt werden können, sollen importiert werden. In ihrer überarbeiteten Wasserstoffstrategie von 2023 geht die Bundesregierung davon aus, dass rund 50 bis 70 Prozent des für 2030 prognostizierten Wasserstoffbedarfs durch Importe aus dem Ausland gedeckt werden müssen. Dafür braucht es aber Produktionskapazitäten im Ausland und vor allem Infrastruktur für den Transport.

Auf EU-Ebene sind zahlreiche Infrastrukturmaßnahmen geplant, die bis 2030 realisiert werden sollen. Ein Teil davon werden Gaspipelines sein, die künftig Wasserstoff durchleiten. Daneben sind aber auch neue Pipelines in der Planung.

Hier gibt es auch Rückschläge. Im vergangenen Jahr wurden laut Medienberichten einige Pipeline-Projekte zurückgezogen. Beispielsweise habe das norwegischen Unternehmens Equinor beschlossen, doch keine Pipeline durch die Nordsee nach Deutschland zu verlegen. Auch der Bau einer Pipeline aus Dänemark sei um mehrere Jahre verschoben worden.

"Wir kämpfen, dass Deutschland kein Industriemuseum wird"

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Der Transport aus Übersee ist bislang ebenfalls noch nicht ausgereift. Um Wasserstoff per Schiff zu transportieren, muss er verflüssigt und dafür auf minus 253 Grad abgekühlt werden. Alternativ lässt sich Wasserstoff in Ammoniak umwandeln, um ihn dann zu verschiffen. Dabei müssten aber Energieverluste von rund 50 Prozent in Kauf genommen werden, so Lechtenböhmer. Er verweist auf diverse Studien zum Wasserstofftransport aus Ländern wie Namibia, Chile oder Australien, die häufig zeigten, dass die hohen Transportkosten die Kostenvorteile, die diese Länder haben, zunichte machen würden.

Andere Stahlproduzenten bleiben bei grünen Plänen

Ob die EU-Ziele 2030 erreicht werden können, bezweifelt das Energiewirtschaftliche Institut (EWI) an der Universität Köln angesichts der hohen Kosten und den zurückhaltenden Investitionen auf der Angebots- und Nachfrageseite.

Trotz solcher Probleme verabschiedet sich Arcelor Mittal nicht ganz von seinen Plänen zum grünen Stahl, sondern verlagert sie vielmehr in Länder, die eine wettbewerbsfähige und planbare Stromversorgung bieten, wie es in einer Pressemitteilung heißt. Das erste Projekt entsteht nun nicht in Deutschland, sondern in Dünkirchen, in Frankreich. "Die aktuellen Strompreise in Deutschland sind sowohl im internationalen Vergleich als auch im Vergleich zu den europäischen Nachbarländern hoch", beklagt der Konzern.

Thyssenkrupp und die Salzgitter AG teilten nach dem Rückzug von ArcelorMittal mit, dass sie ihre Ökostahl-Pläne weiter vorantreiben wollen. Sie forderten aber dafür mehr Tempo beim Ausbau der Infrastruktur und bei der Sicherung wettbewerbsfähiger Energiepreise. Beide Konzerne haben aber auch nicht die Möglichkeit, auf andere Produktionsstätten auszuweichen.

Der Staat könnte außerdem über seine Ausgaben die Produktion von grünem Stahl unterstützen. Brücken, Gebäude, Straßen - jährlich werden Aufträge mit einem Gesamtvolumen im unteren dreistelligen Milliardenbereich von öffentlichen Stellen vergeben. Da müsste die öffentliche Hand bereit sein, für grünen Stahl auch höhere Preise zu bezahlen, so Lechtenböhmer.

Emissionshandel hilft grünem Stahl

Langfristig werden in Europa die Preise für Stahl steigen, ob es sich nun um konventionellen oder grünen Stahl handelt. Das ist die Folge des Emissionshandels. Bisher bekäme die Industrie die Rechte, CO2 zu emittieren, weitgehend umsonst, erklärt Lechtenböhmer. Das werde sich aber ändern und damit würden auch die Kosten für Stahl aus Kohle steigen. So geht eine Studie der Boston Consulting Group davon aus, dass konventioneller Stahl ab 2030 in Europa nicht mehr wirtschaftlich sein wird.

Korrektur: In einer Grafik war der ursprüngliche Titel: Scope 1-Emissionen* der deutschen Stahlindustrie (2021), es handelt sich aber um die Scope 1-Emissionen* des verarbeitenden Gewerbes in Deutschland (2021). Der Titel wurde entsprechend geändert.

Insa Wrede Redakteurin in der Wirtschaftsredaktion
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