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Nur einen Meter tief: Antiker Kopf gefunden

Stephanos Georgakopoulos
20. November 2020

In Athen kräht oft kein Hahn danach, wenn bei Bauarbeiten archäologische Funde gemacht werden. Der antike Hermes-Kopf könnte da eine Ausnahme sein.

Hermeskopf (Greek Culture Ministry/picture alliance/dpa)
Der Kopf des Götterboten Hermes hat schon bessere Zeiten gesehen: In der Antike wurde er noch angebetet Bild: Greek Culture Ministry/picture alliance/dpa

Es war purer Zufall. Bei Kanalisationsarbeiten im Athener Zentrum wurde auf der beliebten Fußgängerzone der Aiolos Straße in nur 1,3 Metern Tiefe der Kopf einer Hermes-Statue entdeckt. Der Zufallsfund wurde am vergangenen Samstag (14.11.) bekannt, als der Athener Bürgermeister Kostas Bakoiannis, dessen Amtssitz sich in unmittelbarer Nähe des Fundortes befindet, auf Facebook ein Foto des Hermes-Kopfes postete. "Einzigartiges Athen", schrieb er dazu.

Athens Bürgermeister Kostas Bakoiannis gab den spektakulären Fund auf Facebook bekanntBild: Kostas Bakoiannis/Facebook

Für Archäologen sind antike Funde im Athener Zentrum nicht unbedingt etwas Außergewöhnliches, so die griechische Archäologin Elisabeth (Elsi) Spathari zur Deutschen Welle. Sie war selbst viele Jahre  lang an Ausgrabungen in den Straßen Athens beteiligt: "Manchmal ergeben sich heute noch Funde, wie etwa kleinere oder größere Köpfe, Statuen, Vasen oder Gräber in einer Tiefe von nur 35 Zentimetern. So einen ähnlich wichtigen Fund wie den Hermes-Kopf hat es in letzter Zeit jedoch nicht gegeben."

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Zurzeit wird der Zufallsfund gründlich von der zuständigen archäologischen Behörde untersucht, um herauszufinden, ob der Hermes-Kopf von einem bekannten Bildhauer der Antike stammt. Das würde natürlich einer Sensation gleichkommen. Bis eine endgültige Expertise des Kulturministeriums vorliegt, halten sich die Archäologen allerdings noch bedeckt.

Auch Elsi Spathari, Schriftstellerin diverser Bücher über das Altertum, hält sich zurück mit Spekulationen: "Dieser Kopf weist zwar Ähnlichkeiten mit einem wichtigen Exponat im Athener Benaki Museum auf. Es ist jedoch verfrüht, Schlüsse zu ziehen. Ohne Frage wäre es aber etwas Besonderes, wenn dieser Hermes-Kopf aus der Werkstatt eines bekannten Bildhauers stammen würde."

Der Hermes-Kopf als gewöhnliches Baumaterial

Laut erster Einschätzung der zuständigen archäologischen Behörde und des griechischen Kulturministeriums handelt es sich um den Kopf einer sogenannten "Hermesstele", also einer quadratischen Säule, auf der der Kopf oder der Torso des griechischen Gottes stand. Derartige Stelen standen im antiken Griechenland meistens an Kreuzungen und dienten als Wegweiser, da es damals keine Straßennamen gab. In einer Mitteilung des Kultusministeriums heißt es: "Abgebildet ist der antike Gott Hermes in reifem Alter. Es handelt sich um ein Originalwerk aus dem späten 4. oder dem frühen 3. Jahrhundert vor Christus."

In der griechischen Mythologie war der geflügelte Bote Hermes Schutzpatron der Reisenden und Kaufleute. Es wäre also kein Wunder, wenn diese Hermesstele vor ca. 2500 Jahren an einer Kreuzung in der Nähe des damaligen Handelszentrums in der heutigen Altstadt Athens gestanden hätte.

Dicht an dicht stehen die Häuser in den Athener Stadtvierteln Neos Kosmos und KoukakiBild: Getty Images/AFP/L. Gouliamaki

Der Hermes-Kopf auf der Aiolos Straße, die den zentralen Omonia-Platz mit der Altstadt verbindet und einen herrlichen Blick auf die Akropolis bietet, wurde "in einer kleinen Wand, die der Wasserversorgung diente, als gewöhnliches Baumaterial eingesetzt. Eventuell, um ein Wasserrohr abzustützen", sagt Elsi Spathari und erklärt: "Während der Christianisierung Griechenlands war es oft der Fall, dass man bei Straßen-Instandhaltungsarbeiten antike Stelen, Köpfe oder Statuen als Baumaterial benutzte. So war es auch mit dem kürzlich entdeckten Hermes-Kopf."

Die Vergangenheit zum Greifen nahe

Der Hermes-Kopf war ein Glücksfall, etliche Zufallsfunde in Athen gehen allerdings für immer verloren. Denn Bauherren greifen oft zu drastischen Mitteln, wenn sie während eines Neubaus oder bei Instandhaltungsarbeiten auf Spuren aus dem Altertum stoßen. Es ist gängige Praxis, alles in Windeseile zuzuschütten oder noch besser zuzubetonieren, um einen eventuellen Baustopp durch die archäologischen Behörden zu verhindern. Denn die prüfen in aller Ruhe, ob sich Ausgrabungen lohnen oder ob es mit dem Bau weitergehen kann. Für Bauherren ein Horrorszenario, verlieren sie dabei doch viel Geld.In den 1990er Jahren kamen beim Bau der Athener U-Bahn viele interessante Funde zum Vorschein. Kein Wunder, dass die Archäologen den unterirdischen Bau mit Argusaugen bewachten: ein großartiges Geschenk, da die Gesamtfläche des Großprojekts ungefähr 70.000 qm² betrug. Bis zu diesem Zeitpunkt war es unmöglich, so ausgedehnte unterirdische Ausgraben zu machen. Wie denn auch? Athen gilt als eine der am dichtesten bebauten Städte Europas.

Überall in der Stadt stößt man auf Spuren des antiken Athen Bild: picture-alliance/U. Baumga

50.000 antike Fundstücke

Unzählige Male stoppten Archäologen die Super-Bohrer, die die Erde unter Griechenlands Hauptstadt über Jahre hinweg aufwühlten. Mal waren es fast komplett erhaltene Grundrisse antiker oder byzantinischer Stadtteile, mal Straßenzüge, Wasserleitungen, Brunnen oder Friedhöfe, die sie entdeckten. Bis heute gaben die Erdschichten unter den Füßen der Athener ca. 50.000 Fundstücke wie etwa Statuen, Mosaikböden, Amphoren, Gefäße oder Alltagswerkzeuge frei. Dankbar sprachen die Historiker von einem großen Sprung bei der Erforschung der antiken Stadt. "Oft ist der Abstand, der uns zeitgenössische Menschen von der antiken Stadt trennt, nicht mal ein Meter", so der Archäologieprofessor Nikos Stambolidis vor ein paar Jahren anlässlich der Ausstellung "Die Stadt unter der Stadt".

Antike Fundstücke in der Metro erregen die Aufmerksamkeit der PassantenBild: Lucas Vallecillos/VWPics/imago images

Die außergewöhnlichsten Funde aus dem Bau der Metro werden in diversen Athener Museen, hauptsächlich aber im Archäologischen Museum ausgestellt. Viele wurden jedoch, nicht weit von ihrem ursprünglichen Fundort entfernt, hinter großen Glasscheiben an den Metro- bzw. den Stadtbahnstationen positioniert. So lassen sich für die wartenden Passagieren die Minuten bis zur nächsten Bahn bestens überbrücken.

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