Er entwarf den Berliner Hauptbahnhof oder die Berliner Flughäfen BER und Tegel. Jetzt ist Meinhard von Gerkan, einer der prominentesten deutschen Architekten, im Alter von 87 Jahren gestorben.
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Meinhard von Gerkan starb bereits am Mittwoch im Kreis seiner Familie, teilte das von ihm gegründete Hamburger Architekturbüro Gerkan, Marg und Partner (GMP) jetzt mit. "Wir halten inne im Gedenken an unseren Gründungspartner. Wir trauern mit seiner Familie, in deren Kreis er gestern verstorben ist", heißt es auf der Website des Unternehmens.
Flughafen Tegel: der erste große Entwurf
Zahlreiche bekannte Funktionsbauwerke in Deutschland, etwa der Berliner Hauptbahnhof und die Berliner Flughäfen BER und Tegel, wurden im von von Gerkan geleiteten Architekturbüro GMP entworfen, aber auch international war es bei vielen Projekten im Einsatz. Dazu zählen Dutzende Museen, Messehallen, Konzerthäuser und Stadien, darunter dasNationalmuseum in Peking, Fußball-Stadien in Südafrika und Brasilienund die Planstadt Lingang New City nahe Shanghai.
Noch im Gründungsjahr seines Unternehmens (1965) gewannen von Gerkan (gerade erst 30 geworden) und sein Partner Volkwin Marg mit ihrem Entwurf den internationalen Wettbewerb für den Flughafen Tegel, der bei vielen bis heute Kultstatus als "Flughafen der kurzen Wege" genießt. Weniger erfolgreich verlief das Projekt BER, der "neue" Flughafen Berlin Brandenburg, dessen Eröffnung von Pleiten, Pech und Pannen begleitet wurde. Die Bestandsaufnahme nach der abgesagten Eröffnung im Juni 2012 ergab rund 120.000 Mängel. Darunter so schwerwiegende wie eine nicht funktionierende Brandschutzanlage, tausende Automatiktüren ohne Stromanschluss und durchhängende Parkhausdecken. 170.000 Kilometer Kabel waren offenbar wahllos und in verbotenen Kombinationen in zu enge Schächte gestopft worden.
Die Architektur von Meinhard von Gerkan
Sein Architekturbüro "gmp" hat unter anderem den Berliner Hauptbahnhof sowie den Flughafen Berlin-Tegel erdacht und ist seit der Jahrtausendwende auch in China vertreten.
Bild: Jürgen Raible/akg-images/picture alliance
Platzhirsch aus Glas und Stahl: Hauptbahnhof Berlin
Wer mit dem Zug in den Berliner Hauptbahnhof einfährt, findet sich unter einem Glasdach wieder, das so luftig wirkt, dass es zu schweben scheint. Die filigrane Glas- und Stahlkonstruktion ist zwar riesengroß, aber wirkt kein bisschen massig. Der großzügige Bahnhofsvorplatz rundet das Bild des Gebäudes ab, das 2006 pünktlich zur Fußballweltmeisterschaft in Deutschland eröffnet wurde.
Bild: Christophe Gateau/dpa/picture alliance
Fast ein halbes Jahrhundert in Betrieb: Flughafen Tegel
Das Büro gmp wurde durch den Flughafen Tegel international bekannt. Die Ringform schaffte mehr Platz für Flugzeuge, und Passagiere kamen schneller von A nach B. Am 1. November 1974 startete der Flugbetrieb und dauerte bis November 2020. Der umstrittene Flughafen Berlin-Brandenburg war nach 14-jähriger Bauzeit fertiggestellt worden, Tegel war für einen internationalen Flughafen zu klein geworden.
Mit Sinn für Geschichte: Neubau des Olympiastadions
Der Umbau des Berliner Olympiastadions 2004 (Bild) brachte von Gerkan großes Lob für den sensiblen Umgang mit der Geschichte des Ortes ein und unterstrich seinen weltweiten Ruf als Stadienarchitekt. Zu seinen teils preisgekrönten Fußballarenen gehören unter anderem die Commerzbank-Arena in Frankfurt, das Rheinenergiestadion in Köln und die Arena da Amazônia in Brasilien.
Bild: Dieter E. Hoppe/akg-images/picture alliance
Teures Zirkuszelt
Das Neue Tempodrom ist auf dem Gelände des ehemaligen Anhalter Bahnhofs in Berlin errichtet worden. Seine Zeltdachkonstruktion wurde von zwei Angestellten des gmp-Architektenbüros entworfen. Die Baukosten waren doppelt so hoch wie veranschlagt, was zum Rücktritt des damaligen Berliner Stadtentwicklungssenators führte. Eröffnet wurde es am 1. Dezember 2001.
238 Meter lang, 80 Meter breit und 30 Meter hoch ist die Glashalle der Leipziger Messe. Die luftige Bogenkonstruktion aus Stahl und Glas wurde 1996 mit der Eröffnung des neuen Messegeländes in Leipzig eingeweiht. Von hier aus gehen Röhren in die Messe- und Ausstellungshallen. Leipzig richtet hier unter anderem die Frühjahrsbuchmesse aus, die jedes Jahr ein internationales Publikum anlockt.
Der Christus-Pavillon war eine der Attraktionen auf der Weltausstellung "Expo 2000" in Hannover. Das von quadratischen Formen bestimmte Gebäude war ein gemeinsames Projekt der evangelischen und der katholischen Kirche. Auch hier lässt von Gerkan wieder viel Licht in die von Glasfassaden umgebenen Räumlichkeiten. Der Pavillon wurde nach der Expo ab- und im thüringischen Volkenroda wieder aufgebaut.
Bild: Martin Schutt/ZB/picture alliance
Heimatverbunden: Ein Bankgebäude in Riga
Meinhard von Gerkan hatte baltische Wurzeln; sein Geburtshaus steht in der lettischen Hauptstadt Riga. Auch wenn seine Familie auswandern musste, als er vier Jahre alt war, verbindet ihn immer noch viel mit seiner Heimat. Kein Wunder, dass auch hier und da ein Gebäude mit seiner Handschrift zu finden ist - wie dieses lichtdurchflossene Bankgebäude in Riga.
Bild: Alexander Welscher/dpa/picture alliance
Eine neue Stadt in China
Im chinesischen Schanghai entsteht eine neue Stadt, die Lingang New City, für 800.000 Menschen. An der Planung waren Meinhard von Gerkan und sein Büro beteiligt. gmp blickt bereits auf über 100 Projekte in China zurück, darunter das Chinesische Nationalmuseum, die Christliche Kirche in Peking oder, wie oben abgebildet, das Schifffahrtsmuseum am Rande der neuen Stadt Lingang.
Bild: HPIC/dpa/picture alliance
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Später kam es zu einem Prozess um den Berliner Hauptbahnhof. Schon die Eröffnungsfeier hatte von Gerkan boykottiert, weil der damalige Bahnchef Hartmut Mehdorn eigenmächtig das Gleisüberdach verkürzt hatte und zudem im Untergeschoss die geplante filigrane Gewölbedecke strich - zugunsten einer simplen Flachkonstruktion. Im Prozess kamen von Gerkan die Tränen, er gewann in erster Instanz, später gab es einen Vergleich. Mit seiner Klage gegen die "mutwillige, nicht abgestimmte Verschandelung" schuf Gerkan 2006 einen spektakulären Präzedenzfall des Architekten-Urheberrechts.
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"Architekt aus Leidenschaft"
Von Gerkan kam am 3. Januar 1935 im lettischen Riga zu Welt und verlor im Zweiten Weltkrieg seine Eltern. Nach seiner Flucht nach Westdeutschland wuchs er in Pflegefamilien auf, darunter eine Hamburger Pfarrerfamilie. Er wechselte mehrmals die Schule und machte schließlich 1955 sein Abitur an einem Abendgymnasium. In Hamburg studierte er zunächst Jura und Physik, zog dann aber für ein Architekturstudium nach Berlin. Hier lernte von Gerkan auch seinen späteren Partner Volkwin Marg kennen, mit dem er später das Architekturbüro GMP gründete. Es folgte eine beispiellose Erfolgsgeschichte. Weltweit zählt das Büro mehr als 400 Beschäftigte, es entwarf Hunderte von Gebäuden und gewann unzählige Preise. "Ich wurde Architekt aus Leidenschaft und bin es seitdem immergeblieben", schrieb Gerkan in seinem 2013 veröffentlichten Buch "Black Box BER".Sein Freund und Mitstreiter Marg würdigte den Verstorbenen mit den Worten: "Ich bin stolz darauf, was Meinhard und ich gemeinsam mit unseren Partnern und Mitarbeitenden in mehr als einem halben Jahrhundert geschaffen haben. Auf unsere Bauten, die in Deutschland und weltweit anerkannt und gewürdigt werden." Zusammen hätten sie stets für gute Architektur gekämpft, sehr oft gewonnen und manchmal auch verloren. "Meinhards unternehmerischer Mut und weitsichtiger Blick nach vorn stellten die Weichen für die Zukunft unseres Büros."