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Mit Gottes Hilfe

Marc Koch, Buenos Aires 12. Juli 2014

Argentinien will Weltmeister werden. Dafür greifen Team und Fans sogar auf alte und gefürchtete deutsche Tugenden zurück: Leidenschaft, Wille und Siegermentalität sollen es gegen Deutschland richten.

Argentinische Fußball-Fans beim Halbfinale gegen die Niederlande (Foto: dpa)
Bild: picture-alliance/dpa

Lionel Messi sagt: "Uns fehlt noch ein Schrittchen." Toni Kroos sagt: "Es fehlt noch ein letzter schwerer Schritt." Besser sind die unterschiedlichen Ausgangslagen vor dem WM-Finale zwischen Argentinien und Deutschland kaum zu beschreiben: Während die Deutschen den letzten Schritt in den vergangenen Jahren schon so oft verpasst haben, hatten die Argentinier keine Gelegenheit, ihn überhaupt zu machen - und fühlen sich dem Ziel jetzt besonders nah.

Mit Pathos zum Titel

Seit 28 Jahren hat die Albiceleste keine Weltmeisterschaft mehr gewonnen - unvereinbar mit dem Anspruch, der an die Mannschaft gestellt wird. Schon vor dieser WM war der Titelgewinn eine Aufgabe von nationaler Dimension. Nach den vielen Niederlagen in den vergangenen Turnieren, darunter die besonders bitteren gegen Deutschland im Finale 1990 und in den Viertelfinals 2006 und 2010, muss die Trophäe jetzt endlich wieder nach Argentinien. Wer so lange warten musste, für den ist es wirklich nur noch ein Schrittchen.

"Jahrelang haben wir alles gesehen, nur nicht das Licht", beschreibt Abwehrchef Javier Mascherano die titellose Zeit. Dieses Pathos beherrscht in diesen Tagen das argentinische Gefühlsleben: Schuldenkrise, miese Wirtschaftsdaten, handfeste politische Skandale - alles verschoben auf die Woche nach dem Finale. Bis dahin taumelt das Land in weiß-himmelblauer Glückseligkeit durchs Leben.

Es soll nicht enden wie 1990, als Andi Brehme im Finale mit einem Elfmeter-Tor die Deutschen zum Sieg schossBild: picture-alliance/dpa

Gottes Hilfe statt Kritik

Kritik ist nicht erlaubt. Nicht am Stil der Mannschaft, nicht am Glück, bis zum Halbfinale keinen ernstzunehmenden Gegner gehabt zu haben. Und schon gar nicht an den Spielern. Zu den wenigen Menschen, die darauf hinwiesen, dass es sich hier um eine Nationalmannschaft und nicht um den "Sportclub Messi" handele, gehörte ausgerechnet die nationale Fußballlegende Diego Maradona. Auch er war gemeint, als die Gattin von Mittelfeldstar Angel di María in sozialen Netzwerken mit den Kritikern in wüsten Worten abrechnete.

Die Mannschaft und ihre Fans haben eines gemeinsam: Sie wollen diesen Titel und es ist ihnen völlig egal, wie sie ihn gewinnen. Schönes Spiel? Moderner Fußball? Viele Tore? Mit solchen Argumenten braucht man sich in den Bars von Buenos Aires zurzeit an keinem Gespräch zu beteiligen. Da geht es vielmehr um die üblichen Verdächtigen, die jetzt helfen müssen: Messi. Der Papst. Und natürlich Gott. Darunter macht es Argentinien nicht.

Zur Not muss Gott helfen - oder der PapstBild: Reuters

Fertigmachen für die große Party

Jetzt rüstet sich das Land für die letzte, die ganz große Party: Fliegende Fanartikel-Verkäufer aus Bolivien machen in der Innenstadt das Geschäft ihres Lebens. Weißblaue Fahnen ersetzen in Bars und Restaurants die Vorhänge. In den Taxis ist zwischen all den ausgebreiteten Devotionalien kaum noch Platz für Fahrgäste. Und am Sonntag, sagen die Fahrer, wird sowieso keiner von ihnen arbeiten.

Wenn sie den Titel holen, ist es ja irgendwie auch ein doppelter Sieg: Nicht nur einer gegen Deutschland. Indirekt ist es auch einer über den ewigen Erzrivalen Brasilien. In den U-Bahnen und Bussen werden immer noch Spottlieder über das Nachbarland gesungen. "Das 1:7 gegen Deutschland werdet ihr niemals vergessen. Und wenn doch, wird es immer einen Argentinier geben, der euch daran erinnert", ätzen die argentinischen Fans Richtung Brasilien.

Triumph im Wohnzimmer des Gastgebers

Weltmeister im Maracanã, dem Wohnzimmer des Gastgebers - das wäre der absolute Triumph. "Ich glaube, wenn das passiert, werden die argentinischen Fans sagen: 'Lasst uns die Weltmeisterschaften beenden. Es soll keine mehr geben, wir verabschieden uns mit dieser Großtat!'", erklärt der argentinische Sportjournalist Ezequiel Fernández Moores.

Wer so lange und so sehnsüchtig auf diesen Tag warten musste, für den fehlt im Finale wirklich nur noch ein kleines Schrittchen.

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