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Argentinien: Mileis Griff unter die Matratze

Tobias Käufer
13. Juni 2025

Der libertäre Präsident Argentiniens Javier Milei will an das Schwarzgeld seiner Landsleute. Die sollen laut Schätzungen rund 200 Milliarden US-Dollar als private Bargeldreserven gehortet haben - für schlechte Zeiten.

Argentinien | Debatte um den Dollar
Der Dollarschein mit dem Gesicht von Javier Milei war schon im Wahlkampf 2023 ein Symbol für wirtschaftliche Reformen. Jetzt geht erneut um die US-WährungBild: Tobias Käufer/DW

Mit harten Einschnitten gelang es Javier Milei in Argentinien laut offizieller Statistikbehörde INDEC, die Inflation von monatlich 25 Prozent im Dezember 2023 auf zuletzt unter drei Prozent zu senken. Dafür wurde das Leben aber trotzdem deutlich teurer. Nun macht der libertäre Politiker seinen Landsleuten ein Angebot.

Als Javier Milei zur Wahlkampfhöchstform auflief, da liefen seine Anhänger mit überdimensionalen Dollar-Scheinen durch die Straßen von Buenos Aires. In der Mitte war das Gesicht Mileis zu sehen (siehe Artikelbild).

Damals, in den Monaten vor der Präsidentschaftswahl im Oktober 2023, war noch von der "Dollarisierung" die Rede. Der argentinische Peso sei "so viel Wert wie Scheiße", ließ Milei wissen. Und versprach, den Peso durch den Dollar zu ersetzen - ähnlich wie in Ecuador.

Inzwischen ist das Thema "Dollarisierung" wieder aktuell, allerdings anders als von Milei damals angekündigt. Diesmal geht es nicht um eine Umstellung der Währung, sondern um die Einbindung der in den argentinischen Haushalten gehorteten Dollars in den normalen Geldkreislauf.

Dollars unter der Matratze

Rund 200 Milliarden US Dollar horten die Argentinier laut dem Wirtschaftsminister Luis Caputo im Ausland oder "unter dem Kopfkissen", wie infobae.com berichtet. Die Argentinier sagen dazu: "in der Matratze". Wie hoch der Betrag wirklich ist, weiß niemand so genau, denn im Grunde handelt es sich um Schwarzgeld.

"Es gibt kein Geld", sagte Javier MIlei bei seinem Amtsantritt. Ein Ladenlokal in Buenos Aires hat den Spruch aufgegriffen. Wenn es Geld gab, dann als Bargeldreserve in US-DollarBild: Tobias Käufer/DW

Zurückgelegt haben es die Menschen in Zeiten der hohen Inflation, die Argentinien bis Ende 2023 fest im Griff hatte. Wer über Dollars in bar verfügte oder sich Dollarwerte zuschicken und auszahlen lassen konnte, der umging die enorm hohen Preise in argentinischen Pesos durch die sehr günstigen Wechselkurse zum Dollar. Bargeldreserven in Dollar waren für die Argentinier eine ökonomische Lebensversicherung.

Dollars außerhalb der Reichweite der Regierung

Verständlich findet das Eugenio Marí, Chefökonom des wirtschaftsliberalen Think Tanks "Fundación Libertad y Progreso" aus Buenos Aires im Gespräch mit der DW: "Seit Jahrzehnten versuchen die Argentinier, sich vor der Inflation und den Verletzungen der Eigentumsrechte durch die verschiedenen Regierungen zu schützen."

Dazu hätten sie einen Teil ihres Einkommens verwendet, um Dollar zu kaufen und diese außerhalb des Systems zu halten, also außerhalb der Reichweite der Regierung, so Marí. Durch das Sparen dieser Dollar hätten die Argentinier aber auch Konsumopfer bringen müssen, also weniger ausgegeben. Das alles sei geschehen, um sich vor der argentinischen Inflation und Enteignung zu schützen.

Milei will Teufelskreis durchbrechen

Präsident Milei will nun diese Praxis der Vergangenheit ändern. In Zeiten der Hochinflation wurde das Geld in den Matratzen dem Konsumkreislauf und damit der Volkswirtschaft entzogen. Jetzt, da die Inflation erst einmal besiegt ist, wäre es an der Zeit, die Dollars aus den Matratzen zu holen, lautet das Kalkül in der Casa Rosada, dem Amtssitz des Präsidenten. Vertrauen in eine Währung kann schnell zerstört werden; es wieder aufzubauen, dauert dagegen lange.

Es muss sich nun zeigen, ob die Rückkehr des Matratzengeldes in den regulären Wirtschaftskreislauf gelingt. Mileis setzt dabei vor allem auf den Abbau von Steuervorschriften und Deregulierung. Im Grunde stellt der Präsident mit seinem Plan eine persönliche Vertrauensfrage an jeden Argentinier, der Dollars zu Hause hortet. Bislang kommt das Vorhaben nur schleppend voran, wie aus einem Bericht der Zeitung Clarin hervorgeht.

Keine Verfolgung durch Steuerbehörden

"Die Aufhebung der Meldepflicht gegenüber der Steuerbehörde erleichtert die Abwicklung von Transaktionen und verringert auch das Risiko, dass Bürger von staatlicher Seite, insbesondere von der Steuerbehörde, verfolgt werden", sagt der Ökonom Marí. Eigentlich sind die Argentinier verpflichtet, ihren Devisenbesitz zu melden.

Demonstrationen gegen die Sparpolitik Mileis finden in Buenos Aires inzwischen wöchentlich statt, angeführt von Rentnern und unterstützt von Berufsgruppen und Verbänden.Bild: Alessia Maccioni/REUTERS

Mileis Hoffnung: Wenn die Argentinier die Dollars aus den Matratzen holen, kurbelt das die Wirtschaft an, schafft Arbeitsplätze und füllt die Reserven auf.

Kollateralschäden der Reformkurse

Viele ökonomische Kennziffern unter Milei haben sich gut entwickelt: Die Inflation ging deutlich zurück, auch die Armutsrate ist inzwischen rückläufig, und es gibt Haushaltsüberschüsse und Wirtschaftswachstum.

Aktuellen Prognosen der Weltbank zufolge wird die argentinische Wirtschaft in diesem Jahr um 5,5 Prozent wachsen, weitere 4,5 Prozent werden für das kommende Jahr erwartet.

Bei Lebensmitteln und Gütern des alltäglichen Bedarfs gibt es dagegen keine Entspannung, hier sind die Preise sogar stark gestiegen. Das kommt vor allem durch den Abbau der Subventionen und der neuen Stärke des argentinischen Peso.

Das führt dazu, dass die Argentinier inzwischen zu tausenden über die Grenze nach Chile, Paraguay oder Brasilien reisen, um dort billiger einzukaufen. Inzwischen ist es der starke argentinische Peso, der in diesen Ländern gute Wechselkurse ermöglicht. Das wiederum führt dazu, dass laut Monatsbericht der Zentralbank inzwischen mehr Dollars durch Tourismus aus dem Land abfließen, als über die erstmals wieder erwirtschafteten Energiehandelsüberschüsse ins Land kommen.

"Eine wechselkurspolitische Maßnahme"

"Ich glaube, das Ziel ist es, erneut Dollar in das Wechselkurssystem der Regierung zu pumpen", sagt Ökonom Hernan Letcher, Direktor des Zentrums für politische Ökonomie, im Gespräch mit der DW. Die Maßnahme sei eine Fortsetzung bisheriger Versuche, noch mehr Dollar ins Land holen. "Es handelt sich also um eine wechselkurspolitische Maßnahme."

Das Problem sei, dass die Regierung bereits Ende letzten Jahres eine "Geldwäsche" durchgeführt hätte. Also eine Integration von Schwarzgeld in den legalen Geldkreislauf. Es bestehe also die Gefahr, dass die neue Maßnahme verpufft. Sollten die Argentinier allerdings Mileis Weg folgen und ihre Dollars aus der Matratze holen, dürfte das schon bald spürbare Effekte auf die wirtschaftliche Entwicklung geben.

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