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PolitikArmenien

Armenien tritt dem Internationalen Strafgerichtshof bei

3. Oktober 2023

Die Entscheidung des Parlaments in Eriwan ist zugleich eine Ohrfeige für Russland - eigentlich eine Schutzmacht Armeniens. Entsprechend ruppig fiel die Reaktion in Moskau aus, was beim Thema IStGH nicht verwundern kann.

Armenien | Sitzung der Nationalversammlung in Eriwan
Sitzung der Nationalversammlung in EriwanBild: Hayk Baghdasaryan/AP Photo/picture alliance

Das armenische Parlament hat einem von Russland scharf kritisierten Beitritt des Kaukasuslandes zum Internationalen Strafgerichtshof (IStGH) zugestimmt. Bei der online übertragenen Parlamentssitzung in der Hauptstadt Eriwan votierten die Abgeordneten mit großer Mehrheit für einen Beitritt zum IStGH. Die Parlamentsentscheidung sei auf die Sicherheitsbelange des Landes ausgerichtet, sagte der armenische Beauftragte für internationale Rechtsfragen, Jeghische Kirakosjan. Angesichts der Bedrohung der territorialen Integrität des Landes durch den Erzfeind Aserbaidschan würden damit "zusätzliche Garantien für Armenien" geschaffen.

Zuvor hatte Moskau vor dem als "extrem feindselig" gewerteten Schritt gewarnt. Kurz nach der Abstimmung nannte der Kreml die armenische Entscheidung "falsch". Armenien habe keine bessere Alternative als das Bündnis mit Russland. Das Land ist Mitglied der CSTO, einer von Moskau dominierten Gruppe von sechs ehemaligen Sowjetstaaten. In den CSTO-Statuten steht, dass der Angriff auf ein Mitgliedsland als ein Angriff auf alle Mitgliedsstaaten gewertet wird.

Russland erkennt Strafgerichtshof nicht an

Der IStGH mit Sitz in Den Haag verfolgt seit 2002 besonders schwerwiegende Vergehen wie Kriegsverbrechen. Im März erließ der Gerichtshof Haftbefehl gegen den russischen Präsidenten Wladimir Putin wegen der mutmaßlichen Verschleppung tausender ukrainischer Kinder nach Russland im Ukraine-Krieg. Russland erkennt den IStGH nicht an.

Das Gebäude des Internationalen Strafgerichtshofes (IStGH) in Den Haag Bild: Klaus Rainer Krieger/reportandum/IMAGO

Die Spannungen zwischen Eriwan und Moskau haben sich zuletzt auch wegen der Rolle der russischen Friedenstruppen in der jahrelang zwischen Armenien und Aserbaidschan umkämpften Region Berg-Karabach verschärft. Armenien fühlte sich von seinem traditionellen Verbündeten im Stich gelassen, weil Russland angesichts der Militäroffensive nicht eingegriffen hatte. 

Der armenische Regierungschef Nikol Paschinjan machte Moskau deshalb schwere Vorwürfe, versuchte aber letzte Woche, die Befürchtungen des Kremls hinsichtlich eines armenischen IStGH-Beitritts zu beschwichtigen. Die Initiative sei nicht gegen Russland gerichtet, sagte Paschinjan. Es gehe vielmehr um Armeniens Sicherheit. "Es ist unser souveränes Recht, eine solche Entscheidung zu treffen", sagte er.

"Wir hören aus Baku sehr viel Aggressivität"

Aserbaidschan hatte am 19. September eine großangelegte Militäroffensive in der Kaukasusregion Berg-Karabach gestartet. Nach ihrer Kapitulation bereits einen Tag später mussten die pro-armenischen Kräfte die Auflösung ihrer selbsternannten Republik Berg-Karabach (Arzach) akzeptieren. Berg-Karabach gehört völkerrechtlich zu Aserbaidschan, es lebten dort bisher aber überwiegend ethnische Armenier. Inzwischen sind fast alle der vormals rund 120.000 armenischen Bewohner der Region aus Angst vor Vergeltungsmaßnahmen Aserbaidschans nach Armenien geflüchtet.

Zuletzt waren Befürchtungen laut geworden, Aserbaidschan könne auch Armenien selbst angreifen. "Wir hören aus Baku sehr viel Aggressivität, Bedrohungen und Hassrede, nicht nur gegen Berg-Karabach, sondern auch gegen die Republik Armenien", sagte der armenische Botschafter in Deutschland, Viktor Yengibayran, vergangene Woche.

sti/qu (afp, ap, rtr)