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UN: Alle 20 Ziele für Artenschutz werden verfehlt

Ajit Niranjan
15. September 2020

Die Weltgemeinschaft hat sämtliche Ziele für die biologische Vielfalt 2020 verfehlt, das zeigt der neueste UN-Bericht. Doch: Ohne Schutz würden drei- bis viermal mehr Tiere und Pflanzen aussterben. Was nun?

Artenvielfalt Eine Grün-Schildkröte schwimmt in einem Korallenriff. Korallenriffe sind vor allem durch die Erderhitzung bedroht. Korallenriffe sind die Kinderstube von vielen Meereslebewesen.
Bild: picture alliance/dpa/U. Keuper-Bennett

Die Tier- und Pflanzenwelt sollte 2020 wieder gesünder und artenreich sein. Unser lebenswichtiges Ökosystem sollte weniger unter Druck stehen und geschützt sein. 

Diese Ziele wurden 2010 wurden von den Vereinten Nationen gesetzt. Doch die Realität ist davon heute weit entfernt. Laut dem aktuellen Global Biodiversiy Outlook (GBO) , hat die Weltgemeinschaft keines der 20 festgelegten Ziele zum Erhalt der biologischen Vielfalt vollständig erreicht und nur sechs davon teilweise. Bei einem Ziel - dem Schutz der Korallenriffe - bewegt sich die Welt sogar in die entgegengesetzte Richtung.

Immerhin, die Daten zeigen, dass ein Drittel der von den Ländern selbst festgelegten nationalen Biodiversitätsziele erreicht oder übertroffen wurden. Diese Ziele sind jedoch weniger ehrgeizig als die UN-Ziele. Und weniger als ein Viertel der nationalen Ziele passen zu den globalen Zielen für den Naturschutz. 

Die 2010 vereinbarte Vision für Biodiversiät ist nur noch erreichbar, wenn die Welt jetzt mit "grundlegenden Veränderungen" auf die "überwältigenden Zustände" reagiert, sagt Elizabeth Maruma Mrema, Generalsekretärin der UN-Konvention zur biologischen Vielfalt in der Einleitung des Berichts.

Mehr dazu: Massiver Schwund bei vielen Tierbeständen seit 1970  

Weltweiter Rückgang der Artenvielfalt 

Die Liste der bisher verpassten Maßnahmen ist laut GBO lang: Die Verschmutzung durch Kunststoffe und Pestizide wurde nicht auf ein unschädliches Niveau reduziert. Regierungen subventionieren noch immer Unternehmen, die die Ökosysteme schädigen. Immer mehr Korallenriffe weltweit sterben, sie sind bedroht durch Klimawandel, Umweltverschmutzung und Überfischung.

Und selbst dort, wo es Fortschritte gibt, reichen diese selten aus. Die Entwaldung hätte bis heute gestoppt werden sollen, doch sie wurde global insgesamt nur um ein Drittel reduziert. In Asien und Europa gab es seit 2010 einen Zugewinn an Wald, in Afrika und Südamerika dagegen einen schnelleren Waldverlust.

Initiativen haben Arten wie den puertoricanischen Amazonenpapagei und das mongolische Wildpferd (Przewalski-Pferd) vor dem Aussterben gerettet, doch sie konnten nicht verhindern, dass das westafrikanischen Spitzmaulnashorn und die Zwergfledermaus auf Australiens Weihnachtsinseln inzwischen ausgestorben sind. 

Zwar war der Trend des Biodiversitäts-Verlusts schon vorher bekannt, doch der Bericht zeigt durch eine "systematische Analyse", wie die Weltgemeinschaft die Ziele von 2010 umgesetzt hat, sagt Josef Settele, Ökologe am Helmholtz-Zentrum für Umweltforschung in Leipzig. Auch seine Forschung ist in den UN-Bericht eingeflossen. 

Fortschritte im Naturschutz 

"Die Dinge, die wir tun, sind nicht ganz umsonst", und der Outlook "zeigt auch etwas Licht", so Settele.

Der GOB belegt die "wachsende Biodiversitätskrise und zeigt den dringenden Handlungsbedarf", und zeigt auch Fortschritte auf: So haben inzwischen fast 100 Staaten den Erhalt der biologischen Vielfalt in ihre volkswirtschaftlichen Analysen aufgenommen. 

In den letzten 20 Jahren wurde der Anteil der Schutzgebiete an Land von zehn auf 15 Prozent und im Wasser von drei auf sieben Prozent erhöht.

Es gibt inzwischen wieder mehr Fische in Gewässern, die mit guten Fischereiregeln verwaltet werden. Regierungen kümmern sich zunehmend darum, invasive Arten auf Inseln auszurotten, wo sie nicht heimisch sind. 

Und seit 1993 wurde durch Naturschutzmaßnahmen das Aussterben von 28 bis 48 Vogel- und Säugetierarten verhindert, wie eine grade veröffentlichte Studie im Fachjournal Conservation Letters zeigt. Doch viele dieser Arten sind immer noch stark bedroht.

"Die Fortschritte bei der Erhaltung des Lebens auf der Erde waren viel größer als sie ohne diese Maßnahmen gewesen wären", sagt Thomas Brooks, Chefwissenschaftler der Weltnaturschutzorganisatin (IUCN). Er ist Co-Autor der Ausrottungsstudie, war aber nicht am GBO-Bericht beteiligt. "Die absolut entscheidende Frage ist, wie von der derzeitigen Situation die positiven Aspekte nach oben skaliert werden können, um die Ziele umfassend zu erreichen."

Die Natur schützen, nicht nur einige Arten 

Um genau diese Skalierung zu erreichen, so der GBO-Bericht, müssten Chancen und Veranwortung beim Erhalt der Artenvielfalt zum Mainstream für alle Ebenen der Gesellschaft werden - von Einzelpersonen und lokalen Gemeinschaften bis hin zu Unternehmen und nationalen Regierungen. Biodiversität müsse in wirtschaftliche Entscheidungen einbezogen werden.  

Wie beim Klimawandel erlebt die Welt mit rasender Geschwindigkeit den ökologischen Zusammenbruch. Laut Weltbiodiversitätsrat (IPBES) von 2019 verändert der Mensch die Natur in "nie dagewesener Geschwindigkeit",eine Millionen Tier- und Pflanzenarten sind inzwischen vom Aussterben bedroht.

Wissenschaftler betonen, dass beide Probleme einen grundsätzlichen Systemwandel erfordern, einzelne Maßnahmen aber helfen können. 

Die Landwirtschaft etwa gehört zu den grössten Verursachern von Artensterben und bei den Treibhausgasemissionen.

Eine aktuelle Studie in der Zeitschrift Nature zeigt, dass mehr als zwei Drittel der künftigen Verluste an biologischer Vielfalt vermieden werden könnten, wenn natürliche Landflächen erhalten und wiederhergestellt werden, dieLebensmittelverschwendung reduziert werde und eine Umstellung auf stärker pflanzenbasierte Ernährung  erfolge.

Wenn wir nicht schneller handeln "wird die biologische Vielfalt unter dem Gewicht von Übernutzung, Klimawandel, Umweltverschmutzung weiter sinken", sagt Inger Andersen, Generalsekretärin des UN-Umweltprogramms. "Das wird die menschliche Gesundheit, die Wirtschaft und die Gesellschaft weiter schädigen - mit besonders negativen Auswirkungen für indigene Völker und lokale Gemeinschaften." 

Adaption: Gero Rueter

Peru: Aufforsten wie die Ahnen

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