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Politik

Li Wenliang - Posthum ein Nationalheld

Dang Yuan
7. Februar 2020

Nach dem Tod des chinesischen Mediziners, der als erster auf die Gefährlichkeit des neuen Virus aufmerksam machte, lobt die Partei jetzt seine "Professionalität". Zuerst hatte sie ihn als Lügner gebrandmarkt.

China Wuhan Augenarzt  Li Wenliang gestorben
Bild: AFP

"Ja." "Ich habe es verstanden." Das sind wahrscheinlich die letzten schriftlichen Äußerungen von Li Wenliang. Unter dem Aktenzeichen WuGong 2020103 wurde Li am 3. Januar 2020 von der Polizeiwache Zhongnanlu in Wuhan vorgeladen. Der Vorwurf gegen den Arzt: Verbreitung von Unwahrheiten in sozialen Netzwerken. "Sie haben am 30. Dezember 2019 in der WeChat-Gruppe 'Medizinische Fakultät der Wuhan-Universität Jahrgang 2004' wahrheitswidrig die Feststellung von sieben vermeintlichen SARS-Fällen verbreitet", steht im Verhörprotokoll.

Li Wenliang wurde 1986 in der nordöstlichen Provinz Liaoning geboren. Nach einem siebenjährigen Medizinstudium in Wuhan und der anschließenden Ausbildung zum Facharzt in Xiamen, fing er 2014 im Zentralkrankenhaus von Wuhan an. Der rote Anstecker an seinem Arztkittel weist ihn als Mitglied der Kommunistischen Partei aus.

Der rote Anstecker an seinem Arztkittel weist ihn als Mitglied der Kommunistischen Partei ausBild: Weibo

"Sieben SARS-Fälle" in Wuhan

Am 30. Dezember 2019 veröffentlichte Li diesen Post in der WeChat-Gruppe der Medizinabsolventen mit 150 Mitgliedern: "Sieben SARS-Fälle auf dem Huanan-Markt für Meeresfrüchte und Obst. Alle Patienten sind auf der Intensivstation isoliert."

Jemand aus der Gruppe verbreitete diesen Post als Screenshot weiter im chinesischen Internet mitsamt Name und Funktion von Li. Damit erfüllte dieser laut der polizeilichen Vorladung den Straftatbestand "Störung des gesellschaftlichen Friedens". Die Polizisten fragten ihn, ob er in Zukunft dieses Handeln unterlassen werde. Er antwortete mit "Ja". Weiterhin machten die Beamten deutlich, ihm könnte eine strafrechtliche Verfolgung drohen. Darauf antwortete Li: "Ich habe es verstanden!".

Als Lügner angeprangert

Er und weitere sieben Mediziner wurden Anfang Januar von der staatlich gelenkten Presse als "Lügner" dargestellt. Sie alle hätten Falschmeldungen über Fälle von Lungenerkrankungen verbreitet, mit dem Ziel, Unruhe und Panik in der Bevölkerung auszulösen. Diese Meldung erschien auch in der Hauptnachrichtensendung des Staatsfernsehens CCTV.

Verhörprotokoll mit Antworten von LiBild: Weibo

Eine Woche später wurde Li wegen der damals noch mysteriösen Lungenerkrankung ins Krankenhaus eingeliefert. Auch bei seinen Eltern und einigen Arztkollegen wurde das Virus festgestellt. In seinem letzten Interview mit dem chinesischen Magazin "Caixin" (Finanznachrichten) am 30. Januar, als er schon krank war, widerrief Li sein Geständnis. "Ich habe keine Unwahrheit verbreitet", sagt er, "ich wollte meine Arztkollegen aufmerksam machen, aber keine Panik auslösen." In seinem Post habe er auch  einen Laborbericht angefügt, wonach es sich bei den Fällen vom Huanan-Markt um ein SARS-ähnliches Virus handelte. "In einer gesunden Gesellschaft darf es nicht nur eine einzige Stimme geben", sagte Li gegenüber "Caixin".

Posthumes Lob der Partei für Lis „Aufmerksamkeit"

In der Nacht zum Freitag starb Li. Er wurde 34 Jahre alt. Die Weltgesundheitsorganisation (WHO) twittterte: "Wir sind unendlich traurig über den Tod von Dr. Li Wenliang. Seine Leistung im Kampf gegen das Virus muss gewürdigt werden." 

Nachdem zunächst Li als Lügner und Unruhestifter dargestellt wurde, jetzt nach seinem Tod die 180-Grad-Wende. Die nationalistische Tageszeitung "Global Times" lobt Lis "Professionalität und Aufmerksamkeit angesichts einer drohenden Epidemie".  Und die Nationale Überwachungskommission, eine neue unter Xi Jinping gegründete Anti-Korruptionsbehörde, hat "über alle Fragen im Zusammenhang mit Dr. Li, die von der Bevölkerung kommen, eine unabhängige Untersuchung" angeordnet.

Die Netzbürger sehen in ihm einen mutigen Nationalheld, der sich nicht von der Führung einschüchtern ließ und die Wahrheit sagte. Einige starteten auf Weibo das Hashtag "Wir wollen Meinungsfreiheit". Solche Foren wurden aber schnell wieder geschlossen.

Geisterstadt Peking

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