Asbest ist gefährlich – das weiß jeder. Aber viele ahnen nicht, wo die Gefahr lauern kann: Zuhause. In jeder Wand, hinter jeder Kachel können die tödlichen Fasern stecken. Deshalb gibt es jetzt eine neue UBA-Leitlinie.
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Asbestsanierung – das ist doch etwas für öffentliche Gebäude aus den 1970er Jahren? Stimmt! Aber bei weitem nicht nur. Die Wahrheit ist: Asbestfasern können sich auch an ungeahnten Orten verstecken - an denen sie außerdem kaum zu erkennen sind.
Anfang November 2018 hat der Verein Deutscher Ingenieure (VDI) deshalb eine neue, strengere Sanierungsrichtlinie verabschiedet. Sie sieht vor, dass Firmen bei Verdachtsfällen Baumaterialien immer auf Asbest beproben müssen. Das soll die Arbeiter schützen, aber auch verhindern, dass asbestbelasteter Bauschutt unerkannt in Recycling-Kreisläufe und damit in neue Baumaterialien zurückgelangt.
Für Bauherren hat das Umweltbundesamt im April 2020 eine Leitlinie veröffentlicht, wie bei der Asbesterkundung und bei der Vorbereitung von Arbeiten in älteren Gebäuden zu verfahren ist.
Vorsicht beim Renovieren
Schon bei einer einfachen Renovierung im Eigenheim können ganz schnell gefährliche Faserkonzentrationen in die Atemluft gelangen. Darf's ein neues Fenster sein? Soll das Bad saniert werden? Sind Elektroleitungen zu verlegen? Soll neues Parkett ins Zimmer? Grundsätzlich gilt: Besser erstmal über Asbest nachdenken!
"Jeder Fachmann kennt Wellasbestplatten, wie sie auf etlichen Dacheindeckungen auch heute noch zu finden sind. Die sind für jeden auch nur halbwegs Geschulten einwandfrei zu identifizieren", sagt Frank Jansen vom VDI. So einfach ist es allerdings nicht immer.
Denn wer ahnt schon, dass sich der Asbest auch im Fliesenkleber unter den alten Kacheln im Bad verstecken kann, im Putz an der Wand, in den ausgespachtelten Fugen an der Gipskarton-Decke oder im und unter dem alten Fußbodenbelag? Leider kaum jemand – nicht einmal viele Facharbeiter, gibt der Bauingenieur Jansen zu bedenken.
Erst vor gut zehn Jahren ist die Fachwelt darauf aufmerksam geworden, dass in vielen Fliesenklebern, Spachtelmassen und Putzen über Jahrzehnte auch Asbestfasern beigemischt waren.
Die machen dort zwar nur einen geringen Anteil aus. Bearbeitet allerdings jemand eine solche Wand mit der Schleifmaschine – etwa um neue Kacheln zu verlegen - gelangen die Fasern in lebensgefährlich hoher Konzentration in die Luft.
Der Staub, der bei solchen Arbeiten entsteht, ist so fein, dass er alles durchdringt. Sind darin Asbestfasern enthalten, reicht bereits ein geringer Prozentsatz aus, um die Lunge schwer zu schädigen.
Asbest – Eine oft unsichtbare Gefahr
Wir kennen viele Bauteile, in denen offensichtlich Asbest steckt: Fassadenplatten, Blumenkästen oder Welldächer. Aber nicht alles ist sichtbar. Die giftigen Fasern verstecken sich auch an ungeahnten Orten.
Bild: Imago/Westend61
Ein natürliches Gestein
Asbest ist eine Sammelbezeichnung für verschiedene, natürlich vorkommende Silikat-Minerale. Dazu gehören Grunerit, Anthophyllit, Aktinolith und Chrysotil. Beliebt war das faserige Material sowohl im Bau als auch in der Industrie wegen seiner Beständigkeit, Feuerfestigkeit und weil es sich in Zement gut verarbeiten ließ.
Bild: Getty Images
Winzige Fasern unter dem Elektronenmikroskop
Typisch für Asbest sind seine winzigen Fasern, die zum Teil nur drei Mikrometer stark sind. Hier eine Chrysotil-Probe. Diese Fasern sind nicht löslich und setzen sich deshalb unter Umständen sehr lange in der Lunge fest. Dort können sie noch nach Jahrzehnten Krebs auslösen.
Bild: CRB
Nicht anfassen!
Wellasbest darf nicht gesägt, geschnitten, gebohrt, geschliffen oder gebrochen werden. Solange man ihn nicht anfasst, besteht keine Gefahr, dass Fasern in die Luft freigesetzt werden. Aber selbst das Reinigen ist tabu: Wer versucht, den Moosbewuchs mit dem Hochdruckreiniger zu entfernen, begeht bereits Frevel an der Umwelt und gefährdet seine eigene Gesundheit.
Bild: Olaf Montag
Nichts für den Sperrmüll
Ein Blumenkasten aus Faserzement, auch Eternit oder Asbestzement genannt. Zement und Asbest vereinigen sich hier zu einem zwar beständigen, aber auch giftigen Baustoff. Dieser Kasten darf zwar weiterhin bepflanzt werden. Allerdings sollte man bei der Arbeit mit der Schaufel und der Harke vorsichtig sein, um das Gefäß nicht zu zerkratzen. Wer ihn loswerden möchte, muss damit zum Sondermüll.
Bild: Imago/Horst Galuschka
Giftiger Fußbodenbelag
Solche Floor-Flex-Platten sind heute in vielen Wohnhäusern zu finden. Fast alle enthalten Asbest. Sicherheit kann auch hier nur eine Laborprobe bringen. Also nicht einfach herausrupfen und in den Müll werfen. Oft sind solche Fußbodenbeläge zudem mit asbesthaltigem Kleber befestigt. Vorsicht, nicht eigenständig abschleifen!
Bild: Fabian Schmidt
Vorsicht beim Fußboden-Schleifen
Oft sind unter den alten Fußbodenbelägen auch asbesthaltige Stoffe vorhanden. Wer unter Floor-Flex Platten auf schwarzen, bitumenhaltigen Kleber stößt, sollte besondere Vorsicht walten lassen. Der enthält fast immer Asbest. Auf keinen Fall eigenständig abschleifen!
Bild: Imago/F. Baptista
Abfluss verstopft – Spezialfirma gesucht
Hier wurde ein verstopftes Abflussrohr repariert. So etwas ist bei diesen Asbest-Zement-Rohren keine Aufgabe für einen einfachen Klempner. In diesem Fall müssen die strengen Arbeitsschutzvorschriften einer Asbestsanierung eingehalten werden, weil die Rohre geschnitten werden müssen.
Bild: Fabian Schmidt
Gefahrenbereich Autowerkstatt
Bis 1989 enthielten auch Bremsbeläge von Autos noch Asbest – in hohen Konzentrationen. Möglicherweise sind solche Bremsbeläge zum Teil heute noch in alten Autos verbaut. Die Fasern gelangen beim Bremsen in die Umgebungsluft. Besonders gefährdet sind KFZ-Mechaniker, die Bremsbeläge wechseln und dann die Bremsen mit Luftdruck reinigen. So gelangen lebensgefährlich viele Fasern in die Werkstatt-Luft.
Bild: Fotolia/jörn buchheim
Schickes Sammlerstück - oder Sondermüll?
Wohl eher ein Fall für den Sondermüll. Auf keinen Fall sollte man einen älteren Fön benutzen - auch keinen aus den 1970er Jahren. Was hat ein Fön mit Asbest zu tun? Der Stoff ist extrem hitzebeständig und würde deshalb bei der Herstellung dieses altertümlichen Geräts als Wärmeschutz verwendet.
Bild: Imago/United Archives International
Vintage Design ist besser als Vintage Schrott
Es mag zwar wieder im Kommen sein, aber wer sein Toastbrot aus einem so eleganten Toaster essen möchte, greift besser auf einen neuen im Retro-Look zurück. Da ist dann wenigstens sichergestellt, dass die Träger für die Heizdrähte nicht aus Asbest sind. Auch ungenutzt im Antiquitäten-Schrank hat so ein Gerät nichts mehr verloren.
Bild: picture-alliance/akg-images
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Viele Handwerker kennen die Gefahr nicht
Auch Jansen, der 2015 mit dem VDI und dem Gesamtverband Schadstoffsanierung ein Diskussionspapier zu dem Problem veröffentlicht hat, war das Ausmaß der Asbestverseuchung zunächst gar nicht bewusst: "Ich habe vor dem Studium eine Lehre als Fliesenleger gemacht. Als ich dann durch meine Arbeit beim VDI mit dem Thema in Berührung kam, habe ich erst mal gedacht: Au weia!"
Die Gefahr kann grundsätzlich in jedem Gebäude stecken, das vor der Jahrtausendwende errichtet wurde. "Zudem gibt es kein Haus bei dem nicht mal irgendwo irgendetwas ausgebessert worden ist", gibt Jansen zu bedenken. Die Erkenntnisse des Diskussionspapieres sind nun auch in die neue Richtlinie eingeflossen.
Zwar wurde asbestbedingter Lungenkrebs schon 1942 in Deutschland als Berufskrankheit anerkannt, doch erst 1995 wurde der Stoff in Deutschland und 2005 europaweit verboten. Deshalb hat es auch so lange gedauert, bis die Fachwelt auf die weniger sichtbaren Asbest-Baustoffe aufmerksam wurde.
"Das waren Eternitplatten, Fassadenverkleidungen, Dächer, die mit Asbeststoffen gebaut worden sind und auch Brandschutzpappen und -textilien. Weniger im Vordergrund standen anfangs Produkte, in denen nur geringe Mengen Asbest verarbeitet wurden oder in denen der Asbest überhaupt nicht sichtbar war."
Meist dauert es sehr lange, bis Arbeiter, die Asbeststäuben ausgesetzt waren, daran erkranken. "Wir haben jetzt Todesfälle durch Asbest von Menschen, die vor 40 Jahren dem Stoff ausgesetzt waren", sagt Kuhlbusch. Die winzigen Fasern überdauern sehr lange in den Lungenbläschen. Sie werden nicht abgebaut und können noch nach Jahrzehnten Entzündungen hervorrufen. "Asbest ist nach wie vor eine häufige Ursache für berufsbedingten Krankheiten und Todesfälle", sagt Kuhlbusch.
Als Handwerker, Mieter oder Immobilienbesitzer sei es vor allem wichtig zu wissen, wie man Asbest erkennt und mit ihm umgeht, sagt der Chemiker Kuhlbusch. Das Problem zu dramatisieren helfe nicht weiter.
Wie hoch ist die Hintergrundbelastung wirklich?
Asbest kommt als Mineralstoff natürlich in der Umwelt vor und lässt sich überall in der Luft nachweisen. "Untersuchungen zeigen, dass 75 bis 130 Fasern pro Kubikmeter Luft vorhanden sind", erklärt Kuhlbusch. Diese Fasern atmen wir alle ständig ein. Aber deshalb bekommt noch lange nicht jeder Lungenkrebs.
Stephan Baumann, Schadstoffexperte der Firma BAFOB aus der Schweiz äußert hingegen Zweifel an der angenommenen natürlichen Hintergrundbelastung. Er betont, dass Messungen, die seine Firma nach abgeschlossenen Asbestsanierungen in der Schweiz durchführt, keine so hohen Hintergrundbelastungen zeigen. "Circa 90- 95 Prozent der Messungen sind ganz ohne Faser", schreibt uns der Toxikologe und Bauphysiker. Bei der angewandten Messmethode entspricht eine gefundene Faser einer Belastung von 85 Fasern pro Kubikmeter Luft.
Es ist möglich, dass eine gemessene Hintergrundbelastung in der Außenluft auch vom Auto- und Zugverkehr herrührt. Bis in die späten 1980er Jahre enthielten Bremsbeläge hohe Asbestanteile zwischen 50 und 90 Prozent. Gerade an Kreuzungen, wo viele Autos abbremsen, waren daher früher hohe Faserkonzentrationen messbar. Zwar sind asbesthaltige Bremsbeläge in der EU heute verboten, es ist aber nicht auszuschließen, dass vereinzelt immer noch verbotene Bremsbeläge auf dem Markt sind.
Kein Grund zur Panik
Es heißt zwar, dass bereits eine einzige Asbestfaser ausreicht, um Krebs auszulösen. Das heißt aber nicht, dass jede eingeatmete Faser zwangsläufig zu Krebs führt.
Kuhlbusch vergleicht es mit einer riesigen Wand, in der eine dünne Wasserleitung verläuft: "Wenn ich einen Nagel in die Wand haue: Mit welcher Wahrscheinlichkeit treffe ich dann die Wasserleitung?"
Das Krebsrisiko steigt natürlich mit der Konzentration der Fasern in der Luft und auch mit der Länge des Zeitraums, über den jemand dem Stoff ausgesetzt ist.
Das bedeutet: Eine geringe Exposition bedeutet zwar noch kein Todesurteil. Je weniger man aber mit Asbest in Berührung kommt, desto besser. Wer ihn erkennt, kann ihn gut vermeiden. Und mit den richtigen Maßnahmen - etwa der Nutzung von Geräten, die den gefährlichen Staub einsaugen - lässt sich das Risiko wirksam verringern.
Hinweis der Redaktion: Dieser Artikel wurde seit seiner Erstveröffentlichung aufgrund der Veröffentlichung neuer Richt- und Leitlinien mehrfach aktualisiert.
Palast der Republik: Abriss eines DDR-Monuments
Der Palast der Republik war das Machtsymbol der DDR: Sitz der Volkskammer, Bühne für SED-Parteitage sowie für große Konzerte und TV-Aufzeichnungen. 2003 beschloss der Bundestag: Honeckers Protzbau soll weg.
Bild: picture alliance/akg-images
Wahrzeichen der DDR
Der Palast der Republik, das Prestigeprojekt der DDR, wurde am 23. April 1976 nach 32-monatiger Bauzeit eröffnet. In dem Gebäude mit den goldbraunen Spiegelscheiben tagte nicht nur die Volkskammer der DDR, hier fanden auch Rockkonzerte, Theateraufführungen und Modeschauen statt. Mit seinen Foyers, Restaurants und dem großen Saal für Veranstaltungen galt das Gebäude als Kulturpalast.
Bild: picture-alliance/dpa
Palazzo Prozzo
Wegen seiner üppigen Beleuchtung und seiner protzigen Ausstattung war der Palast der Republik auch bekannt als "Palazzo Prozzo" oder "Erichs Lampenladen" - eine Anspielung auf Erich Honecker, den damaligen Generalsekretär des Zentralkomitees der SED. 1990 wurde das Gebäude nach nur 14-jähriger Nutzung von der ersten frei gewählten Volkskammer der DDR geschlossen. Der Grund: giftiger Spritzasbest.
Bild: picture alliance/akg-images
Der Schlossplatz
Am 19. Januar 2006 beschloss der Deutsche Bundestag nach 2002 und 2003 zum dritten und letzten Mal den Abriss des Palastes. Er sprach sich für die Errichtung eines neuen Kulturforums im Herzen Berlins aus.
Bild: Getty Images/AFP/J. Eisele
Rückbau
Die aufwändige Asbestbeseitigung verzögerte den Abriss des Gebäudes immer wieder. Ursprünglich sollte es schon Anfang 2007 verschwinden, dieser Zeitplan konnte nicht eingehalten werden. Am Ende hatte der Abriss Mehrkosten in zweistelliger Millionenhöhe angehäuft.
Bild: picture-alliance/dpa/S. Pilick
Zahn der Zeit
Nach der Schließung des Palastes im Jahr 1990 wurde das Gebäude zunächst so entkernt, dass nur eine Hülle übrig blieb. Im Frühjahr 2006 begann dann der eigentliche Abriss des Gebäudes. Insgesamt mussten 500 Tonnen Glas, 20.000 Tonnen Stahl und 56.000 Tonnen Beton abgetragen werden.
Bild: Getty Images/S. Gallup
Abriss auf Raten
Die Beseitigung des Baus dauerte länger als seine 32-monatige Errichtung. Der letzte Gebäudeteil wurde Ende 2008 abgerissen. Danach musste noch die Betonwanne des Palasts mit 100.000 Kubikmetern Sand aufgefüllt werden. Ansonsten hätte der Berliner Dom auf der gegenüberliegenden Seite in Schräglage geraten können.
Bild: Getty Images/AFP/B. Sax
Kontroverse Debatte
Um den Abriss des Palasts der Republik und den Wiederaufbau des historischen Berliner Stadtschlosses, welches an gleicher Stelle 1443 gegründet wurde und bis 1950 dort stand, wurde jahrelang gestritten. Welches Zeichen würde damit gesetzt? Radiert Deutschland damit ein Stück seiner Geschichte aus?
Bild: picture-alliance/dpa/A. Burgi
Humboldt-Box
Gleich nach dem Abriss des Palasts der Republik wurde die Fläche begrünt. 2011 entstand die Humboldt-Box, die bis Dezember 2018 existierte. Hier konnten sich einheimische Berliner sowie Besucher über die Pläne für das Stadtschloss und das Humboldt-Forum informieren. Modelle und interaktive Ausstellungen veranschaulichten die Bauvorhaben auf dem Areal.
Bild: picture-alliance/D. Kalker
Neues Schloss
Inzwischen ist der Bau, der insgesamt rund 590 Millionen Euro kosten soll, weitestgehend abgeschlossen. Ende 2019 soll das Schloss eröffnet werden. Dann zeigen die Berliner Museen ihre Schätze außereuropäischer Kulturen, die Humboldt-Universität lädt zu internationalen Konferenzen ein und der Schlosshof wird als Kulisse für Musik- und Theateraufführungen dienen.