Experten befürchten Wirtschaftskatastrophe
19. April 2010In Deutschland arbeiten 56.000 Beschäftigte direkt in der Luftfahrtbranche. Zählt man auch Einweiser, Sicherheitskräfte oder Verkäuferinnen in Duty-Free-Shops dazu, dann leben in Deutschland insgesamt etwa 200.000 Menschen vom Luftverkehr. Alleine in Frankfurt am Main sind am größten deutschen Flughafen etwa 65.000 Menschen beschäftigt. Alle diese Menschen sind durch das Flugverbot zur Untätigkeit verurteilt.
Neben den direkten Ausfällen fallen für die Fluggesellschaften auch noch Folgekosten an: Europäisches Recht gebietet es, dass die Airlines bei Flugabsagen für Verpflegung und Unterbringung von Passagieren aufkommen müssen. Auf Wunsch ist auch der Flugpreis zu erstatten.
Die kleinen Fluggesellschaften überleben vielleicht nicht
Die internationale Luftfahrtbranche stand schon vor dem Vulkanausbruch in Island unter Druck: Im Krisenjahr 2009 verbuchte sie 4,6 Prozent weniger Passagiere und einen Rückgang des Luftfrachtvolumens um 6,2 Prozent.
Der Publizist und Luftfahrtexperte Andreas Spaeth schließt Pleiten deshalb in der aktuellen Situation nicht mehr aus. Damit meint er allerdings nicht die großen Konzerne wie Lufthansa oder Air Berlin: "Die könnten das sicherlich einige Zeit länger verkraften, ohne jetzt massive Eingriffe machen zu müssen wie Entlassungen oder ohne das Risiko, Pleite zu gehen". Doch selbst die, so Spaeth, haben in einer Branche wie der Luftfahrt, wo die Gewinnmargen immer schon sehr gering waren, auch nicht extrem viel zuzusetzen.
Schlimmer als nach 9/11
Nach Einschätzung des internationalen Luftfahrtverbandes (IATA) trifft die Aschewolke die weltweiten Fluggesellschaften bereits härter als die Anschläge vom 11. September 2001 in den USA. Die Verluste der Airlines erreichen wegen der anhaltenden Flugausfälle inzwischen 250 Millionen Dollar pro Tag, sagte IATA-Chef Giovanni Bisignani am Montag (19.4.). Auf Ausgleichszahlungen etwa von Versicherungen können sie nicht hoffen – gegen Naturkatastrophen gibt es in der Regel keinen Versicherungsschutz.
Den gesamtwirtschaftlichen Schaden durch die Aschewolke für Deutschland schätzt der Deutsche Industrie- und Handelskammertag (DIHK) in Berlin gar auf eine Milliarde Euro pro Tag bei einem kompletten Flugverbot. Denn auch der deutsche Export als eine der wesentlichen Säulen der deutschen Wirtschaft ist betroffen.
Luftfracht am Boden
Auch wenn Exportwaren in erster Linie per Containerschiff, Bahn und LkW bewegt würden – gerade teure und hochwertige Güter würden oft per Luftfracht transportiert, betont DIHK-Chefvolkswirt Volker Treier. Besonders die gesamte Ersatzteillogistik sei vom Flugverkehr abhängig. Ein zwei Wochen langes Flugverbot könne bis zu einem halben Prozentpunkt Wachstum des deutschen Bruttosozialprodukts (BIP) kosten.
Doch so weit wird es wahrscheinlich nicht kommen. Am Montag abend haben sich die EU-Verkehrsminister darauf geeinigt, die Flugverbote nach und nach zu lockern. So wird der Schaden vielleicht überschaubar bleiben.