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PolitikAsien

ASEAN-Staaten unter Druck zwischen China und den USA

24. Oktober 2025

Die beiden Großmächte versuchen, die ASEAN-Staaten in ihre jeweilige Einflusssphäre zu ziehen. Die Länder in Südostasien loten ihre Freiräume aus.

Das ASEAN-Logo vor Petronas Twin Towers vor dem 47. ASEAN-Gipfel
Kuala Lumur: bereit für den ASEAN-GipfelBild: Vincent Thian/AP Photo/picture alliance

Zahlreich sind die Themen, die die Staats- und Regierungschefs auf dem Gipfel der Association of Southeast Asian Nations (Verband Südostasiatischer Nationen, ASEAN) zu besprechen haben, der am Sonntag in der malaysischen Hauptstadt Kuala Lumpur beginnen wird. Auf dem Programm stehen unter anderem die wirtschaftliche Integration der Region, Umweltschutz und die digitale Entwicklung, dazu auch die Themen Frieden, Sicherheit und regionale Stabilität.

Eingeladen zu dem Treffen sind über 30 Staats- und Regierungschefs aus den 10 Mitgliedsstaaten und anderen Ländern, darunter so genannte Dialogpartner. Zu letzteren gehören auch die USA mit Präsident Donald Trump.  Der will in erster Linie einer Zeremonie beiwohnen, in der Thailand und Kambodscha ihr kürzlich ausgehandeltes Friedensabkommen unterzeichnen. Dieses hatten die beiden Staaten nach fünftägigen, durch Grenzstreitigkeiten ausgelösten Gefechten vereinbart, und zwar unter massivem Druck Donald Trumps. Der hatte beiden Ländern mit wirtschaftlichen Konsequenzen gedroht, sollten sich Thailand und Kambodscha nicht auf eine Feuerpause einigen.

In Kuala Lumpur erwartet: US-Präsident Donald TrumpBild: Evan Vucci/AP Photo/dpa/picture alliance

Hoher Entscheidungsdruck

Die Drohung des US-Präsidenten und das kurz darauf folgende Ende der Gewalt zeigen auch, welchen Einfluss die USA in der Region haben. Dies ist aus Sicht Washingtons umso bedeutsamer, als die USA sich in der Region in erheblicher Rivalität zu China befinden, das seinen Einfluss ebenfalls auszubauen versucht. Ein Teil des geopolitischen Wettbewerbs zwischen den beiden Supermächten betrifft Taiwan: China ist der Ansicht, dass die Insel zu seinem Staatsgebiet gehört, während die USA den Status quo mit Taiwan als selbstverwaltete Demokratie unterstützen. Zum anderen ringen beide Großmächte auch um die bestehende Ordnung im Südchinesischen Meer. Viele der Anrainerstaaten, darunter auch Partner der USA wie etwa die Philippinen, sehen diese durch Chinas Gebaren bedroht.  

Zusätzlich verschärfe sich die amerikanisch-chinesische Rivalität durch den derzeitigen Handelsstreit, sagt Felix Heiduk, Forschungsgruppenleiter Asien der Berliner Stiftung Wissenschaft und Politik. Und der könnte dazu beitragen, dass auf dem nun anstehenden ASEAN-Gipfel neben den im offiziellen Programm genannten Themen viel auch über das angespannte Verhältnis der Großmächte gesprochen werde - und die schwierige Situation, in die die ASEAN-Staaten dadurch geraten seien. Denn die würden durch die beiden Großmächte dazu gedrängt, sich für eine der beiden Mächte zu entscheiden.

Tatsächlich sähen sich die südostasiatischen Staaten sowohl durch China wie auch die USA unter Druck gesetzt, sagt Felix Heiduk. Dies gelte besonders mit Blick auf die Politikfelder Sicherheit, Handel und Technologie. "In letzter Konsequenz läuft diese Logik auf eine Art Nullsummenspiel hinaus: Man soll entweder in dem einen oder dem anderen Lager stehen."

Spannungsregion Südchinesisches Meer: Die chinesische Küstenwache setzt Wasserwerfer gegen ein philippinisches Schiff ein, Oktober 2025Bild: Philippine Coast Guard/AFP

USA und China haben keinen guter Ruf in der Region

Dem versuchen sich die Staaten der Region so gut wie möglich zu entziehen. Dabei kommt ihnen entgegen, dass es für die beiden Großmächte, die USA ebenso wie China, immer schwieriger wird, die südostasiatischen Staaten davon zu überzeugen, sich ihnen anzuschließen. So deutet es eine Analyse des digitalen Politikmagazins The Diplomat an. 

Zahlreiche Politiker der Region seien ernüchtert angesichts der von Trumps praktizierten Zollpolitik, heißt es in The Diplomat. Diese treffe bisherige Partnerstaaten in der Region ebenso wie solche, die ein eher distanziertes Verhältnis zu den Vereinigten Staaten hätten. Mit Befremden habe man auch Trumps Forderungen nach Kontrolle über den Panamakanal, Grönland und Kanada zur Kenntnis genommen. Angesichts der derzeit volatilen Lage im Südchinesischen Meer seien insbesondere dessen Anrainerstaaten gegenüber forsch vorgetragenen Gebiets- oder Dominanzansprüchen besonders empfindlich.

Sie fürchten, das Prinzip der Unverletzlichkeit staatlicher Grenzen könnte auf diese Weise infrage gestellt werden. Das könnte China ermutigen, in Zukunft noch weiter territoriale Ansprüche in der Region zu stellen. Dies habe zuletzt zu einem gewissen Rückgang des US-Einflusses in der Region geführt, heißt es in The Diplomat. 

Indonesien weitet den Einfluss des Militärs aus

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Zweifel an Verlässlichkeit der USA

Tatsächlich sehe eine Reihe von Ländern der Region die USA nicht mehr als verlässlichen Partner an, sagt der Politologe Andreas Ufen, Südostasien-Experte am German Institute for Global and Area Studes (GIGA) in Hamburg. Dies gelte gerade angesichts des stärkeren chinesischen Drucks. "Der zeigt sich etwa in dem immer aggressiveren Gebaren des Landes im Südchinesischen Meer."

So etwa stellt China einem Report des East Asia Forums zufolge Ansprüche auf fremde Territorien und errichtet künstliche Inseln zu militärischen Zwecken, die sie vor allem auf Korallenriffen und Atollen angelegt hat, überwiegend im sogenannten Spratly-Archipel im südlichen Teil des Südchinesischen Meeres sowie im Paracel-Archipel im nördlichen Teil. China nutzt diese als Stützpunkte, die teils auch mit Start- und Landebahnen versehen sind. Zudem erschließt es dem Report zufolge auch Ressourcen in umstrittenen Gebieten und greift in die Regeln der internationalen Schifffahrt ein.  

Wie reagieren die ASEAN-Staaten?

Auf diese Politik reagieren die ASEAN-Staaten unterschiedlich. Einige der wirtschaftlich schwächeren haben kaum Möglichkeiten, sich dem Druck zu entziehen. "Myanmar, Kambodscha oder Laos etwa stehen sowohl wirtschaftlich wie auch sicherheits-und verteidigungspolitisch eng an der Seite Chinas", sagt Felix Haiduk. "Dazu gehört auch, dass sie keine engeren verteidigungs-und sicherheitspolitischen Beziehungen mit den USA haben."

Die größeren und wirtschaftlich besser aufgestellten Staaten hingegen versuchen, diesen Druck auszutarieren. Sie streben dabei an, so weit wie möglich mit beiden Ländern zusammenzuarbeiten. So kooperieren die Philippinen sicherheits- und verteidigungspolitisch eng mit den USA . Bereits 1951 unterschrieben die beiden Staaten den so genannten Mutual Defense Treaty, den Gegenseitigen Verteidigungspakt. Der sei aus Sicht Manilas angesichts der zunehmenden Militärpräsenz Chinas im Südchinesischen Meer immer relevanter geworden, sagt Felix Haiduk.

Allerdings haben die Philippinen auch die Erfahrung gemacht, dass die USA selbst einen gewissen Druck ausüben, um diese Allianz zu erhalten. So brachte im Jahr 2016 der damalige philippinische Präsident Rodrigo Duterte die Aufkündigung des so genannten Visiting Forces Agreement ins Spiel, das die Präsenz der US-Truppen auf den Philippinen regelt. Daraufhin setzte die US-Millenium Challenge Corporation - eine US-Behörde für Entwicklungszusammenarbeit - ein geplantes Hilfsprogramm für die Philippinen aus, wie die philippinische Zeitung Philippine Star damals berichtete.

 "Allerdings hält die militärische Zusammenarbeit die Philippinen nicht davon ab, enge wirtschaftliche Beziehungen zu China zu pflegen", sagt Haiduk. "China ist einer der drei bedeutendsten Handelspartner der Philippinen und dort auch ein zentraler Investor." Im Jahr 2024 belief sich das Handelsvolumen zwischen China und den Philippinen auf knapp 72 Milliarden US-Dollar (knapp 62 Milliarden Euro).

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Auch Indonesien versuche, sich dem Druck hin zu einer einseitigen Partnerschaft zu entziehen, sagt Andreas Ufen. Stattdessen versuche man auf beide Seiten zuzugehen. "Indonesien arbeitet mal mit China und mal mit den USA zusammen", so Ufen. Sicherheitspolitisch oder bei der Beschaffung von Waffen orientiere man sich in Jakarta eher in Richtung Westen. "Denn sollte es jemals zu einem bewaffneten Konflikt kommen, erwartet man diesen am ehesten im südchinesischen Meer mit China." Die USA fördern diese Partnerschaft, indem sie mit Indonesien gemeinsame militärische Übungen abhalten - so etwa die Super Garuda Shield-Übung in Ost-Java im August und September vergangenen Jahres, an der auch mehrere westliche Staaten teilnahmen.  

Doch all dies hindert Indonesien nicht, sich ökonomisch auch in Richtung China zu orientieren. " Wirtschaftlich arbeiten Indonesien und China eng zusammen", sagt Andreas Ufen. So belief sich das Handelsvolumen beider Länder im Jahr 2024 auf knapp 137 Milliarden US-Dollar (knapp 118 Milliarden Euro).

Kersten Knipp Politikredakteur mit Schwerpunkt Naher Osten und Nordafrika
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