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Ashton vermittelt zwischen Tunis und Rom

14. Februar 2011

Immer neue Boote mit Flüchtlingen aus Tunesien werden im Mittelmeer gesichtet. Die Regierung in Tunis lehnte den Einsatz italienischer Polizeikräfte auf ihrem Territorium ab. Nun möchte Catherine Ashton Hilfe anbieten.

Catherine Ashton neben Tunesiens Ministerpräsident Mohamed Ghannuchi (Foto: ap)
Catherine Ashton mit Tunesiens Ministerpräsidenten Mohamed GhannuchiBild: AP

Am Montag (14.02.2011) ist Catherine Ashton, die Außenbeauftragte der EU, in Tunesiens Hauptstadt Tunis eingetroffen. In den Gesprächen mit Ministerpräsident Mohamed Ghannuchi und anderen Mitgliedern der Übergangsregierung geht es um politische und wirtschaftliche Hilfe. Zudem wird wohl auch die Kontroverse zwischen Italien und Tunesien zur Sprache kommen. Denn der Streit zwischen den beiden Ländern droht zu eskalieren.

Die Befürchtungen des italienischen Innenministers Roberto Maroni, das gesamte tunesische System sei dabei "zusammenzubrechen", wurden in Tunis wie eine Provokation aufgenommen. Die Äußerungen Maronis seien "nicht überraschend", polemisierte Regierungssprecher Taïeb Baccouche auf arabischen Sendern, denn sie kämen von einem "Minister der rassistischen extremen Rechten".

Tunesien sieht seine Souveränität bedroht

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Die tunesische Regierung hat den Vorschlag Italiens entschieden zurückgewiesen, eigene Polizisten in das nordafrikanische Land zu entsenden, um Tunesier von der Flucht abzuhalten. "Inakzeptabel" sei dies, sagte Baccouche und fügte hinzu: "Das tunesische Volk lehnt die Stationierung ausländischer Soldaten auf seinem Gebiet ab." Die Kontrolle der eigenen Küsten liege bei den tunesischen Behörden.

Man habe bereits "Verstärkung geschickt", hieß es aus Regierungskreisen. Die Küstenwache arbeite "Tag und Nacht, um diesen Strom zu stoppen", und habe viele Menschen beim Versuch der Grenzüberquerung festgenommen. Mittlerweile seien in der Küstenregion Gabès alle möglichen Fluchtwege blockiert worden, berichtete die staatliche Nachrichtenagentur TAP am Montag (14.02.2011). Zudem seien in den Häfen Gabès und Zarat Kontrollpunkte installiert worden.

Tunesien erlebe "eine außergewöhnliche Phase", so Regierungssprecher Taïeb Baccouche. Zugleich sei das Problem der Bootsflüchtlinge mit Ziel Italien aber "nicht neu". Zwischen beiden Staaten waren Vereinbarungen ausgehandelt worden zur Eindämmung der Migration und zur Rückführung von Flüchtlingen, deren Umsetzung zurzeit aber in Frage steht.

Deutschland lehnt Aufnahme von Flüchtlingen ab

Soziale Not und fehlende berufliche Perspektiven treibt die Tunesier aus dem Land: Hier Proteste vor einem SozialamtBild: picture-alliance/dpa

Bundeskanzlerin Angela Merkel erklärte in Berlin, dass nicht alle Menschen, die über die italienische Insel Lampedusa nach Europa wollten, dies auch könnten. "Unser Ziel ist, die Probleme in den Heimatländern zu lösen, den Menschen dort eine Perspektive und Chance zu geben, in der eigenen Heimat leben zu können." Die Aufnahme tunesischer Flüchtlinge lehnte die Kanzlerin ab. Allerdings könne Europa bei dem Aufbau eines Rechtsstaates helfen.

Bundesaußenminister Guido Westerwelle versprach Tunesien derweil wirtschaftliche Unterstützung. "Das beste Mittel gegen Flüchtlingsströme ist dafür zu sorgen, dass die Menschen im eigenen Land eine Chance haben." Deutschland wolle dafür sorgen, dass Tunesien "eine stabile gute wirtschaftliche Zukunft" habe.

Nach Umsturz begann neuer Exodus

In den vergangenen fünf Tagen strandeten rund 5000 Flüchtlinge an der italienischen Mittelmeerinsel Lampedusa. 1500 Tunesier sollen an der nordafrikanischen Küste festgehalten worden sein. Allein auf der Insel Djerba seien 200 Menschen an der Flucht nach Europa gehindert worden, verlautete in Tunis.

Angesichts der vielen Flüchtlinge hatte Italien den humanitären Notstand ausgerufen. Die Behörden bemühten sich schließlich doch, das stillgelegte große Auffanglager auf Lampedusa wieder in Betrieb zu nehmen, nachdem sie dies anfangs abgelehnt hatten. Die Lager auf Sizilien und dem Festland sind überfüllt.

Lampedusa liegt rund 150 Kilometer vor der tunesischen Küste und damit näher an Nordafrika als am italienischen Festland. Seit den Unruhen und dem anschließenden Sturz von Staatschef Zine El Abidine Ben Ali flüchteten immer mehr Tunesier nach Italien. Sie spekulierten offensichtlich darauf, dass der Polizei- und Staatsapparat im Lande derzeit nicht voll funktionsfähig ist. Appelle - wie die der Bundesregierung in Berlin -, doch in der Heimat zu bleiben und sich "am wirtschaftlichen Aufbau zu beteiligen", dürften da wenig Wirkung zeigen. Für die nächsten Tage wurde ruhige See vorausgesagt.

Autor: Siegfried Scheithauer / Marco Müller (afp,ap,dpa, rtr)
Redaktion: Martin Schrader/ Hajo Felten

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