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Asiens Virus-Varianten als globales Problem

1. Juni 2021

Bei einer globalen Ausbreitung könnten Impfstoffe ihre Wirksamkeit verlieren und selbst die neugebildeten Antikörper könnten uns nicht mehr schützen. Deshalb müssen die richtigen Vakzine global zur Verfügung stehen.

Illustration eine Coronavirus-Mutation
Genomsequenzierungen sind wichtig, um das mutierte Virus effektiv bekämpfen zu könnenBild: DesignIt/Zoonar/picture alliance

Laut den Genomdatenbanken wie z.B. nextstrain.org  sind mittlerweile mehr als 1000 verschiedenen Mutationen des SARS CoV-2 Virus bekannt.

Die vier gefährlichsten Varianten, die "Variants of Concern" (VOC), wurden nach den Ländern bezeichnet, in denen sie erstmals entdeckt wurden. Da dies einige aber als stigmatisierend empfanden, hat sich die WHO jetzt neue Bezeichnungen für die Virus-Varianten überlegt, die auf griechischen Buchstaben basieren und die Namensgebung erleichtern sollen. Die komplizierten wissenschaftlichen Bezeichnungen sollen aber bleiben.

Die erstmals in Großbritannien entdeckte Variante B.1.1.7 heißt nun Alpha, die erstmals in Südafrika entdeckte Variante B.1.351 heißt jetzt Beta, die in Brasilien entdeckte Variante P.1. heißt Gamma und die erstmals in Indien festgestellte Variante B.1.617.2 heißt folglich Delta. Neben diesen "Variants of Concern" (VOC) gibt es ja auch noch "Variants of Interest" (VOI), wo es dann mit Episilon, Zeta etc. weitergeht, und viele weitere Mutationen. 

Kombination besorgniserregender Varianten 

Bei der jetzt in Vietnam entdeckten neuen Mutation handelt es sich wohl um eine Kombination aus Alpha (B.1.1.7) und Delta (B.1.617). Die neue Variante verbreite sich sehr schnell über die Luft, so Gesundheitsminister Nguyen Thanh Long. Dies sei möglicherweise der Grund für die rasant gestiegenen Neuinfektionen im Mai.

Denn seit Beginn der Pandemie bis Mai 2021 gab es in Vietnam eigentlich "nur" rund 3500 bestätigte Infektionen und 47 Todesfälle. Sehr erfolgreich hatte Vietnams Regierung mit einem kurzen aber strengen Lockdown und umfassenden Quarantänebestimmungen größere Ausbrüche verhindert. 

Seit Mai 2021 aber hat Vietnam bereits über 3000 neue Coronafälle verzeichnet - vor allem in den Provinzen Bắc Ninh und Bắc Giang, wo Hunderttausende in riesigen Fertighallen für internationalen Technikkonzerne in der Produktion arbeiten. 

Lockdown: Durch die neue Virusvariante sind die Fallzahlen in Vietnam rasant angestiegenBild: Hugh Bohane/DW

Entscheidend für Pandemieverlauf und Impfstoff-Wirksamkeit 

Nun kann man denken: Das ist alles weit weg und die Fallzahlen sind vergleichsweise gering - aber trotzdem sollten uns die neuen Varianten in Asien und anderswo in der Welt sehr wohl interessieren. Nicht nur weil die Pandemie sonst nicht zum Ende kommt  und sich das Leid und die Not weltweit vergrößern.

Mittelfristig wäre auch der "Geimpfte Norden" (wieder) betroffen, denn natürlich breiten sich diese Mutationen in einer globalisierten Welt rasend schnell aus. Und wenn sich die Varianten immer besser an den Menschen anpassen, dann könnten unsere - durch Impfung oder Infektion - gebildeten Antikörper uns irgendwann nicht mehr schützen.

Die bisherigen Antigen- bzw. PCR-Tests würde die Mutationen ggf. nicht mehr anzeigen und falsch negative Ergebnisse liefern. Und auch die verfügbaren Impfstoffe verlören so allmählich ihre Wirksamkeit. 

Gerade deshalb ist es so wichtig, dass die jeweiligen Virusvarianten durch Sequenzierungen schnell identifiziert werden und dass nicht nur in den reichen Ländern, sondern möglichst global die richtigen Impfstoffe ausreichend zur Verfügung stehen.

Warum ist die Sequenzierung so wichtig?

Neben den vier gefährlichsten "Variants of Concern" gibt es längst - wie jetzt in Vietnam entdeckt - Kombinationen aus verschiedenen Varianten. Dass solche Kombinationen bzw. Varianten entdeckt werden, ist aber eher ein Glücksfall, denn in vielen Ländern fehlen schlichtweg die Sequenzierungsmöglichkeiten.

Um die feindlichen Viren bekämpfen zu können, müssen wir die Struktur dieser Viren exakt entschlüsseln und das geht nur mit der Genom-Sequenzierung. Mit der "Next-Generation-Sequencing-Methodik" (NGS) lässt sich das vollständige Erbgut der Viren Base für Base auflösen und entschlüsseln. Anhand von DNA-Fragmenten können Forschende kleinste Veränderungen im Erbgut des Virus identifizieren und so das Herkunfts- und Verbreitungsmuster des Virus nachvollziehen. Und nur so lassen sich passgenaue Impfstoffe entwickeln.

In vielen Ländern stehen Genomsequenzierungen nicht oder kaum zur VerfügungBild: Henning Bagger/Ritzau/REUTERS

Bei den Varianten Alpha und Beta wurden zum Beispiel bei der Sequenzierung entscheidende Veränderungen am Spike-Protein beobachtet, an dem bekanntlich das SARS COV-2-Virus an die menschliche Zelle andockt. So sind bei der nur sehr langsam mutierende Variante Alpha (B.1.1.7) bereits 23 veränderte Genompositionen im Vergleich zu der ursprünglichen Variante aus Wuhan aufgetaucht. Durch diese Mutationen wurde Alpha viel leichter übertragbar, vor allem auch auf jüngere Menschen.

Beispiel Asien: Verschiedene Varianten, falsche Impfstoffe

Vieles spricht dafür, dass in Asien vor allem Virusvarianten für die aktuellen Ausbrüche  verantwortlich sind. In Sri Lanka und Kambodscha etwa hat sich vor allem die Variante Alpha (B.1.1.7) ausgebreitet. Nach bisherigem Kenntnisstand wirken die mRNA-Impfstoffe der Hersteller Biontech/Pfizer und Moderna gegen diese Variante. Zudem ließen sich die mRNA-Imfstoffe vergleichsweise schnell entsprechend anpassen. Auch die Vakzine von AstraZeneca schützt vor der dieser Variante.

In Indien und nordwestlich in Nepal hat sich dagegen bereits die Delta Variante (B.1.617) ausgebreitet. In Nepal sind deshalb seit Mitte April die gemeldeten COVID-19-Fälle stark angestiegen. Im Verhältnis zur Bevölkerungszahl sind in Nepal inzwischen mehr Menschen infiziert als in Indien.

Dank einer Genom-Sequenzierung des indischen National Institute of Virology wissen wir, dass die Delta Variante (B.1.617) acht Mutationen im sogenannten Spike-Protein aufweist. Zwei davon werden mit einer höheren Infektiosität und eine, die so ähnlich auch bei der Gamma Variante auftritt, sogar mit einer Immunevasion in Verbindung gebracht werden. Bei solch einer Immunevasion oder auch immune escape entgehen die Pathogene der Immunabwehr.

Die Virusvariante Delta hat Indien schwer zugesetzt und die Todesrate in die Höhe schnellen lassen Bild: Pradeep Gaur/Zuma/picture alliance

Laut Forschenden des britischen Imperial College ist die Delta Variante um 20 bis 80 Prozent ansteckender als die Alpha Variante. Möglicherweise könnte das mutierte Virus einer Immunität aus früheren Infektionen oder Impfungen entgehen. Britischen Studien haben gezeigt, dass die vorhandenen Vakzine von Biontech/Pfizer und AstraZeneca gegen die Delta Variante bereits weniger gut schützen.

Die in Vietnam entdeckte Variante ist eine Kombination aus Alpha (B.1.1.7) und Delta (B.1.617). Von den 96 Mio. Vietnamesen wurde gerade mal eine Million mit AstraZeneca geimpft, das zwar gut gegen die Alpha Variante, aber weniger gut gegen Delta Variante schützen soll. In der zweiten Jahreshälfte hofft Vietnam zusätzlich auf mRNA-Imstoffe von Biontech/Pfizer und Moderna. Bislang wurde allerdings noch nicht untersucht, wie effektiv den vorhandenen Impfstoffe bei der neuen Varianten-Kombination sind.

In Bangladesh wiederum hat die Beta Variante (B.1.351) zu einem sprunghaften Anstieg der Fallzahlen geführt. Gegen diese Beta Variante wirkt der Impfstoff von AstraZeneca nur sehr begrenzt. Das ist ein großes Problem, denn in Bangladesch gibt es hauptsächlich nur den Impfstoff Covishield, eine in Indien hergestellte Version des AstraZeneca-Impfstoffes. 

Ungleiche Impfstoffverteilung

Während in vielen Industrienationen alle Einwohner bis zum Spätsommer ein Impfangebot erhalten sollen, haben viele ärmere Länder in Asien, aber auch in Afrika oder Lateinamerika aufgrund des knappen Impfstoffs noch gar nicht mit dem Impfen beginnen können. 

Laut einer kürzlich in The Lancet veröffentlichten Studie haben sich die reichsten Länder der Welt, in denen knapp 16 Prozent der Weltbevölkerung lebt, etwa 70 Prozent der fünf aktuell führenden Impfstoffe gesichert. In armen Ländern seien laut WHO nur 0,2 Prozent aller Vakzine gegen den Corona-Erreger verabreicht worden. Nach dieser Datenlage könnten Massenimpfungen in diesen ärmeren Ländern laut The Economist frühestens 2024 beginnen.

Die dem COVAX-Programm zur Verfügung stehenden Impfdosen reichen bei weitem nicht ausBild: Mamyrael/AFP

Für einen gerechteren Ausgleich sollte eigentlich das von der WHO mitorganisierte Impfstoffbeschaffungsprogramm COVAX sorgen. Aber die reicheren Staaten haben von Beginn an parallel bilaterale Verträge mit den Impfstoffherstellern abgeschlossen und - jenseits einiger großzügiger Spenden - den Markt weitgehend leergefegt.

"Die Pandemie ist weit davon entfernt, vorüber zu sein", warnte WHO-Generaldirektor Tedros Adhanom Ghebreyesus, der vor allem die massive Ungleichheit bei den Impfungen zwischen armen und reichen Ländern anprangert. Wenn sich deshalb die Virusvarianten weiter so rasant ausbreiten und sich immer besser an den Menschen anpassen, könnte das mittelfristig auch für die reicheren Länder erneut zu einem ernsthaften Problem werden.

 

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