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Literatur

Aslı Erdoğan ist fern ihrer Sprache

Şükran Şençekiçer GR
22. Oktober 2019

Meinungsfreiheit gibt es "nur auf dem Papier", sagt die türkische Schriftstellerin Aslı Erdoğan. Im DW-Interview spricht sie über die Situation für ihre Schriftsteller- und Künstlerkollegen in der Türkei.

Portrait Asli Erdogan, Deutschland Verleihung des Erich-Maria-Remarque-Friedenspreises 2017
Bild: picture-alliance/dpa/M. Assanimoghaddam

Aslı Erdoğan war Kolumnistin und Mitglied des Beirats der kurdisch-türkischen Zeitung "Özgür Gündem". Doch nach dem Putschversuch 2016 wurde sie gemeinsam mit weiteren Journalisten der Zeitung verhaftet. Unter anderem lautete der Vorwurf "Mitgliedschaft in einer bewaffneten Terrororganisation". Erdoğan war dreieinhalb Monate im Gefängnis und durfte nach ihrer Freilassung eine Zeit lang nicht mehr ins Ausland.

Die Autorin, die jetzt seit zwei Jahren in Frankfurt lebt, beschreibt ihre Situation im DW-Interview als "Inhaftierung plus Exil". Sie spricht über die Schwierigkeit, als Literaturmensch weit weg vom eigenen Land zu sein. 

Plakat der PEN International Aktion für Aslı Erdoğan am "Tag des inhaftierten Schriftstellers"

DW: Wie beeinflusst die fehlende Meinungsfreiheit die Künstlerkreise in der Türkei?

Aslı Erdoğan: Die Atmosphäre ist schlechter geworden, seit ich vor zwei Jahren nach Deutschland gekommen bin. Die Situation ist erbärmlich. Die Presse ist vollkommen unter Kontrolle. Einige Künstler wenden sich stärker der Regierung zu, um dem auszuweichen, andere sind geflohen. So viele von ihnen sind gerade in Europa: Musiker, Schriftsteller, Journalisten oder Karikaturisten. Das ist erniedrigend. Es ist sehr anstrengend, diese Leute aufzurichten. Wie kann ein Land seine Schriftsteller, Künstler und Zeichner so leicht aufzehren?

Wie hat die Inhaftierung Ihre Produktivität beeinflusst?

Es ist nicht nur die Inhaftierung, sondern auch das Exil. Das Schwierigste am Exil ist, dass ich fern meiner eigenen Sprache bin. Dies ist eine entscheidende Distanz für einen Schriftsteller. Ich bin weg von meiner eigenen Bibliothek, meinen Büchern, meinem Zuhause. Das ist natürlich sehr schwierig. Ich habe auch ernsthafte gesundheitliche Probleme, weswegen ich jetzt nicht schreiben kann. Ich weiß aber, dass sich die Haftzeit irgendwann in einem Buch niederschlagen wird. Es muss eines werden. Sonst würde es mich innerlich niederreißen. Das schulde ich mir selbst, den Gefangenen und der Literatur. Und ich bin nicht bereit zu gehen, bevor ich das beendet habe.

Was erwartet die Türkei in naher Zukunft?

Aslı Erdoğan auf der Frankfurter Buchmesse 2019Bild: picture-alliance/Pacific Press/M. Debets

Die jüngste Justizreform mit allem Drumherum, das sind alles erfundene Dinge und Täuschungen. Sie [die Regierung] verabschieden Gesetze, nur um zu zeigen, dass sie mehr Rechte gewähren. Rechte, die bereits in der Verfassung verankert sind. Solange die Korruption in der Justiz besteht, solange Menschen weiterhin verhaftet und zu lebenslanger Haft verurteilt werden, existiert die Meinungsfreiheit nur auf dem Papier.

Das Gespräch führte  Şükran Şençekiçer.

Şükran Şençekiçer Autor türkische Redaktion
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