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PolitikEuropa

"Asow"-Regiment: Die Extremisten in Mariupol

Roman Goncharenko
17. März 2022

Die ukrainische Hafenstadt Mariupol wird vor allem vom "Asow"-Regiment der ukrainischen Nationalgarde verteidigt. Doch das Regiment ist umstritten, denn es besteht aus Nationalisten und auch aus Rechtsextremisten.

"Asow"-Kämpfer in Kiew, 2020
"Asow"-Kämpfer in Kiew, 2020Bild: Reuters/G. Garanich

Ein kurzes Video zeigt einen Bildschirm in einem mutmaßlich ukrainischen Militärfahrzeug, das durch eine dorfähnliche Gegend bei Mariupol fährt, in einer Seitenstraße stehen Schützenpanzer, darauf ist der weiße Buchstabe "Z" zu sehen, ein Zeichen russischer Truppen in der Ukraine. Dann hört man Schüsse, und das mutmaßlich russische Fahrzeug fängt Feuer.

Anfang der Woche hat das ukrainische Regiment "Asow" dieses Video in seinem Telegram-Kanal verbreitet. In einer Mitteilung behaupten sie, sie hätten innerhalb eines Tages insgesamt drei gepanzerte russische Militärfahrzeuge und vier Schützenpanzer sowie "viel Infanterie vernichtet". Die "Asow"-Kämpfer veröffentlichten kurz darauf auch ein Foto eines toten Mannes in Uniform. Er soll ein russischer General gewesen, den sie getötet haben. Ob diese Angaben stimmen, lässt sich nur schwer überprüfen.

Besonders die strategisch wichtige Hafenstadt Mariupol ist hart umkämpft: Das Bild stammt aus einem Video des Regiment "Asow" Bild: Azov Battalion/AP/picture alliance

Die Stadt Mariupol wird vor allem vom berüchtigten "Asow"-Regiment verteidigt. Sie ist neben der Hauptstadt Kiew und der zweitgrößten Stadt Charkiw einer der Orte in der Ukraine, wo Russland seinen Krieg besonders brutal führt. Die 500.000-Einwohner-Stadt wird seit Anfang März belagert und ist heftigen Bombardements ausgesetzt. Es gibt weder Strom noch ausreichend Wasser, die Lebensmittelvorräte sind knapp.

Ukrainische Nationalisten, die Russisch sprachen

"Asow" hat in Mariupol auch sein Hauptquartier. Das Regiment ist Teil der Nationalgarde und damit dem ukrainischen Innenministerium unterstellt. Die Kämpfer gelten als gut trainiert, die Einheit ist aber auch umstritten, denn die besteht aus Nationalisten und Rechtsradikalen. Und ihre Existenz wird von Russland unter anderem als Vorwand für den Krieg gegen die Ukraine genutzt.   

Ein Rückblick: "Asow" hat sich Mai 2014 als Freiwilligenbataillon in der Stadt Berdjansk gegründet, um die ukrainische Armee im Kampf gegen die prorussischen Separatisten im Osten der Ukraine zu unterstützen. Einige Kämpfer waren zuvor Teil des sogenannten "Rechten Sektors", einer kleinen, aber aktiven Gruppe ukrainischer Rechtsextremer. Der Kern dieser Gruppe stammte aus der Ostukraine, war russischsprachig und plädierte ursprünglich für die Einigkeit ostslawischer Völker: Russen, Belarussen und Ukrainer. Einige stammten aus der Szene der Fußballultras, andere waren in nationalistischen Kreisen aktiv. "Es waren Gruppen, die man in Deutschland als freie Kameradschaften beschreiben würde", sagt Andreas Umland, Experte am Stockholmer Zentrum für Osteuropa-Studien, im DW-Gespräch.

"Asow" war aber auch von Anfang an wegen seines Wappens umstritten, der Wolfsangel. "Die Wolfsangel hat eine rechtsradikale Konnotation, es ist ein heidnisches Symbol, das auch die SS verwendet hat", sagt Umland. "Es wird in der Ukraine von der Bevölkerung aber nicht als faschistisches Symbol betrachtet." Das Regiment "Asow" will dieses Symbol aus der Nazi-Zeit als stilisierte Buchstaben N und I verstanden wissen, was für "nationale Idee" stehen soll.

Aufspaltung in militärischen und politischen Teil 

Gründer und Anführer von "Asow" war Andrij Bilezkyj, ein 42-jähriger Absolvent der Geschichtsfakultät der Nationalen Universität im ostukrainischen Charkiw. Jahrelang war er in der rechtsextremen Szene aktiv. Im Sommer 2014 war "Asow" mit überschaubaren Kräften an Mariupols Zurückeroberung von den prorussischen Separatisten beteiligt. Seit Herbst 2014 agiert es als Regiment, hatte Medienberichten zufolge vor Kriegsausbruch etwa 1000 Kämpfer und verfügte über eigene Artillerie und Panzer. Die Regierung in Kiew hatte sich damals entschieden, die Ultranationalisten in staatliche Strukturen einzubinden.   

"Asow"-Kämpfer in Mariupol im September 2014 - im selben Jahr hatte sich das Regiment gegründetBild: Philippe Desmazes/AFP/Getty Images

In den Jahren 2015 und 2016 entstand eine Bewegung - eine Art politischer Arm von "Asow". Bilezkyj trat als Kommandeur zurück und gründete zusammen mit früheren Kämpfern die Partei "Das Nationale Korps", die jedoch keine Wahlerfolge verbuchen konnte. Bilezkyj zog über ein Direktmandat ins Parlament ein, ist aber seit der Wahl 2019 nicht mehr dabei. Seit dem russischen Einmarsch kämpft er nach eigenen Angaben an der Front bei Kiew. 

"Mythos um Asow"

Im US-Kongress gab es 2019 eine Initiative, das Regiment als "terroristische Organisation" einzustufen. Dazu kam es jedoch nicht. Fakt ist, dass "Asow" seit Jahren Kontakte zu rechtsextremen Szenen im Ausland pflegt. Auch nach Deutschland habe es Kontakte gegeben, hieß es in einer Antwort der Bundesregierung auf die Anfrage der Bundestagsfraktion "Die Linke".  

Auch wegen russischer Propaganda sei ein Mythos um "Asow" entstanden, sagt Umland. Im Krieg 2014 habe es viele Vorwürfe von Plünderungen und Fehlverhalten gegen Freiwilligenkämpfer gegeben, darunter auch gegen "Asow".

"Normalerweise betrachten wir Rechtsextremismus als etwas Gefährliches, was zum Krieg führen kann", sagt Umland. In der Ukraine sei es umgekehrt verlaufen. Der Krieg habe zum Aufstieg und zu der Verwandlung marginaler Kameradschaften zu einer politischen Bewegung geführt, so Umland. Deren Einfluss auf die Gesellschaft werde jedoch überbewertet. Für die meisten Ukrainer sind sie Kämpfer, die ihr Land gegen einen übermächtigen Angreifer verteidigen.    

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