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Politik

Assange ist ein "normaler Straftäter"

Barbara Wesel z.Z. London
24. Februar 2020

Im Auslieferungsverfahren gegen Julian Assange sei falsch berichtet worden, so der Anwalt der US-Regierung. Der Wikileaks-Gründer werde nicht wegen der Veröffentlichung von politisch brisanten Informationen beschuldigt.

Julian Assange
Bild: Reuters/Stringer

Es ist ein sachlicher moderner Gerichtssaal, in den Julian Assange am Morgen aus seiner Zelle im Gefängnis Belmarsh geführt wird. Er ist nicht mehr der verwildert aussehende Mann von den Fotos seiner Festnahme in der Botschaft Ecuadors im vergangenen Jahr. Im grauen Anzug mit weißem Hemd wirkt Julian Assange zwar etwas blass und schmal, aber nicht erkennbar krank. Er hat hier in dem Verfahren keine aktive Rolle, darf nur zuhören, denn die Argumente für oder wider seine Auslieferung kommen allein von den Anwälten

"Es ist normale Kriminalität"

Der Rechtsvertreter der US-Regierung beginnt das Verfahren mit Erklärungen, die man wohl als Klarstellung begreifen soll. Der Fall Julian Assange sei in der Presse weitgehend falsch dargestellt worden. Hier gehe es nicht um Journalismus, sagte James Lewis QC, sondern um "normale Kriminalität". Im Wesentlichen konzentriere sich die Anklage der US-Justiz auf zwei Punkte: Verschwörung und Anstiftung von Chelsea Manning, damals noch Soldat im Dienste der US-Sicherheitsdienste, um geheimes Material aus deren Computern abzuschöpfen. Dabei habe Assange auch aktiv beim Hacken geholfen.

Der zweite Punkt sei, dass Assange eine Masse von Dokumenten veröffentlicht habe, ohne die Namen der darin enthaltenen Personen zu schwärzen. Es seien Informanten dabei gewesen, Leute, die mit der US-Armee zusammengearbeitet hätten, Bürgerrechtler und andere Aktivisten, die alle durch die summarische Veröffentlichung ihrer Namen in konkrete und akute Gefahr geraten seien.

Und einer der wohl zentralen Sätze von Seiten der Anklage an diesem  Verhandlungstag: Das Auslieferungsersuchen beziehe sich nicht darauf, 'dass Assange unangenehme oder peinliche Information veröffentlicht habe, die die US-Regierung nicht veröffentlicht sehen wollte". Deshalb betonte James Lewis auch, die Veröffentlichung mutmaßlicher "Kriegsverbrechen im Irak" - ein Hinweis auf die gefilmte Tötung von Zivilisten und Reuters-Journalisten durch US-Soldaten - stelle keinen Grund dar, Assange in den USA zu verfolgen.

Politischer Fall

Was man also hörte, war der Versuch der US-Seite, den Fall sowohl auf einen kleinen Kern von mutmaßlichen Straftaten zu beschränken und vor allem, ihn zu entpolitisieren. Es werde in diesem Fall kein Journalismus verfolgt, so betonte der Rechtsvertreter immer wieder, sondern es gehe nur um die zwei vorgetragenen Fälle von strafbarem Verhalten und um die Tatsache, dass Unterstützer der US-Regierung in Kriegs- und Krisengebieten gefährdet worden seien. Hunderte von ihnen seien nach der Veröffentlichung entweder verschwunden oder hätten ihren Aufenthaltsort wechseln müssen.

Demonstration vor dem Gericht: Anhänger von Assange protestieren gegen die Auslieferung in die USABild: Reuters/P. Nicholls

Ein weiterer wichtiger Punkt auf Seiten der Anklage: Im Rahmen eines Auslieferungsverfahrens prüft das Gericht nur, ob es keine Hinderungsgründe gibt und ob die aufgeführten Straftaten auch in Großbritannien strafbar wären. Es prüft nicht die Beweise für oder gegen die behaupteten Straftaten. Das beschränkt die Verteidigung und legt es dem britischen Gericht nahe, prinzipiell für die Auslieferung zu entscheiden, weil Schuld oder Unschuld dann später vor einem Gericht geprüft würden.

Politisches Verfahren

Die Verteidigung von Assange schlägt den Kurs ein, der am ehesten Schutz gegen die Auslieferung bietet: "Seit Donald Trump ins Amt kam, hat er investigativen Journalisten den Krieg erklärt", sagt Edward Fitzgerald QC. Erst ab April 2017, also sieben bis acht Jahre nach der Veröffentlichung der Wikileaks-Dokumente, habe die US-Justiz die Vorwürfe gegen Julian Assange hochgefahren und damit begonnen, ihn aktiv zu verfolgen. Der Anwalt zitiert dazu eine Einschätzungen aus der Zeit vom heutigen Außenminister Mike Pompeo: "Es ist Zeit, dass Journalisten ins Gefängnis kommen". Diese Punkte sollen beweisen, dass das Auslieferungsverfahren gegen Julian Assange ein Fall von politischer Verfolgung ist.

Die Verteidigung wiederholt und bestätigt auch eine der verblüffendsten Geschichten, die gerade öffentlich geworden sind. Am 15.  August 2017 war der US-Abgeordnete Dana Rohrabacher nach London gefahren, um dort Julian Assange in der Botschaft von Ecuador zu treffen. Er war begleitet von Charles Johnson, der sich als sein Assistent bezeichnete, den man aber inzwischen als Vertrauten von Präsident Trump identifiziert hat.  Auf der anderen Seite Julian Assange und seine langjährige Anwältin Jennifer Robinson. Sie ist wichtigste Zeugin für den Inhalt des Treffens.

Weltweite Mobilisierung: Für die Freiheit von Assange setzen sich Prominente und einfache Bürger einBild: Reuters/P. Nicholls

Rohrabacher bot Assange damals eine Art vorgezogene Begnadigung an, wenn er nicht mehr Russland als Quelle der E-Mails aus der demokratischen Parteizentrale angeben würde, die Hillary Clinton bei der Wahl so geschadet hatten. Stattdessen sollte er eine andere Herkunft benennen. Im Gegenzug würde die Strafverfolgung gegen Assange beendet. Das Weiße Haus leugnet inzwischen das Angebot - aber es gibt das Zeugnis der Anwältin, die dabei war und den Inhalt beschwört.

Dies ist wohl der deutlichste Beweis dafür, dass das Auslieferungsersuchen gegen den Wikileaks-Gründer einen politischen Hintergrund hat. Aber auch die Tatsache, dass Assange über Jahre von der spanischen Sicherheitsfirma UC Global, in der Botschaft von Ecuador ausgespitzelt wurde und alle Treffen, Unterlagen und Gespräche - auch die mit seinen Anwälten - an US-Behörden weitergereicht wurden, belegt die aktive Einmischung durch US-Behörden. In Spanien läuft gegen den Betreiber der Firma inzwischen ein Strafverfahren. En Whistleblower dort hatte die Einzelheiten der Aktion offenbart.

Lebte jahrelang in der Botschaft von Ecuador in London: Julian AssangeBild: picture-alliance/AP Photo/dpa/F. Augstein

Urteil in weiter Ferne

Nach dem ersten Verhandlungstag wird also klar, wie sich das Verfahren entwickelt. Auf US-Seite steht die Behauptung, Assange werde essentiell nur für zwei Arten von Straftaten verfolgt und die Strafe dafür halte sich in Grenzen. Der Versuch hier ist, den Fall eher zu verharmlosen. Die Verteidigung hält dagegen und versucht mit einer Masse von Zitaten und Beweisen zu zeigen, dass dies sehr wohl ein politisches Verfahren sei, angetrieben direkt von der US-Regierung. Eine Auslieferung von Assange anhand des Abkommens zwischen Großbritannien und den USA müsse daher ausgeschlossen sein.

Das Verfahren pausiert nach dem Ende dieser Woche bis Mitte Mai. Erst im zweiten Teil werden die Zeugen auftreten, bevor dann im Juni wohl das Urteil gefällt wird. Allerdings - Egal wie dieses Verfahren vor dem Westminster Magistrate Court ausgeht, die unterlegene Seite wird in die nächste Instanz gehen und die Auseinandersetzung schließlich vor dem Supreme Court enden. Bis ein obergerichtliches Urteil fällt, dürften noch mindesten ein bis zwei Jahre vergehen.

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