Auf der ISS dreht sich alles um Arbeit, möchte man denken. Stimmt aber gar nicht. Auch dort gibt es geregelte Arbeitszeiten, Freizeit und Feiertage. So etwas wie Überstunden abbummeln geht aber nicht.
Aufräumen ist wichtig, gerade wenn die Arbeit bis zum nächsten Tag liegen bleiben muss. Bild: NASA/ESA/picture-alliance/dpa
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Deutsche Welle: Astronauten müssen auf der Internationalen Raumstation eine Fülle von Experimenten durchführen und haben jede Menge Aufgaben. Wie eng durchgetaktet ist eigentlich ihr Arbeitstag? Und haben sie auch ganz normal Freizeit, wie wir hier unten?
Volker Schmid: Der Arbeitstag eines Astronauten unterscheidet sich gar nicht so sehr von dem auf der Erde. Natürlich ist er in einer exzellenten und einzigartigen Umgebung. Aber er arbeitet acht Stunden - manchmal auch neun oder zehn, wenn mal Überstunden nötig sind. Das ist so wie im normalen Leben auch. Hinzu kommen jeden Tag acht Stunden Schlaf und zwei Stunden Sport. Das ist wichtig, damit die Muskeln, die Knochen und der Metabolismus gut funktionieren.
Und der Rest des Tages?
Der besteht aus Essen, Körperpflege und Sozialkontakten, telefonieren oder Videokonferenzen oder Filme anschauen. Auch Briefings mit den Kollegen finden manchmal in der Freizeit statt. Aber im Großen und Ganzen ist es nicht so unterschiedlich – außer dass der Takt von der Planung am Boden vorgegeben ist. Die Planer schauen, dass von den 300 Experimenten auf der Horizons-Mission alle so gut wie möglich abgearbeitet werden können.
Volker Schmid ist für die Planung und Betreuung der DLR-Forschungsprojekte während der Horizons-Mission verantwortlich. Bild: DW/F. Schmidt
Und wie viele Arbeitstage hat die Woche?
Es ist wie auf der Erde auch: Samstag gilt als halber Arbeitstag. Die andere Hälfte wird geputzt. Es ist sozusagen die Kehrwoche in den Modulen der ISS.
Der Sonntag ist frei. Feiertage sind in der Regel auch frei.
Welche Feiertage gibt es denn auf der ISS? Es gibt ja deutsche, amerikanische und russische Feiertage. Haben also die Astronauten und Kosmonauten unterschiedliche Feiertage?
Ja, sie haben im Prinzip ihre nationalen Feiertage. Aber das wird unter Umständen nicht ganz streng so umgesetzt. Der Unabhängigkeitstag in den USA ist so ein Feiertag, an dem auf der ISS nichts läuft. Am Tag der Deutschen Einheit am 3. Oktober weiß ich allerdings schon jetzt, dass Alexander Gerst als Kommandeur doch etwas zu tun hat.
Übernehmen die Astronauten auch ehrenamtliche Aufgaben, die sie gar nicht in der Arbeitszeit umsetzen dürfen?
Ja, am Wochenende oder in der verbleibenden Freizeit sind sie oft mit Bildungsprogrammen beschäftigt. Die sogenannten Hosentaschen-Experimente führen sie für Schüler durch, die sie in ihren Klassen entwickelt haben.
Zwei Stunden Sport sind das Tages-Minimum. 2016 lief Tim Peake den London-Marathon im Weltall mit. Bild: picture alliance/dpa/H. Kaiser
Auch wenn Alexander Gerst Fotos von der Erde schießt und sie über Twitter postet, geschieht das in seiner Freizeit.
Werden Überstunden dort oben abgebummelt oder bummeln die Astronauten sie ab, wenn sie zurück auf der Erde sind?
Nein, da oben bummelt keiner ab. Was da oben gemacht werden muss, machen die Astronauten gerne. Egal, wer da oben ist, sie versuchen das Maximale aus der Mission herauszuholen, egal wie lange es dauert und egal mit welchem Aufwand das gemacht wird.
Wir haben bei der letzten Mission von Alexander Gerst, der Blue Dot Mission, gesehen, dass der "McGuyver-Modus" zum Tragen kommt [nach dem gleichnamigen Action-Film-Helden], wenn etwas nicht so klappt. Dann geht Alex ran und schraubt und sägt und macht und tut, damit das flutscht und klappt. Darauf sind wir und die Experimentatoren angewiesen. Das kann den Erfolg der Mission sicherstellen.
Seifenblasen für ein Schülerexperiment - so etwas macht Alexander Gerst in der FreizeitBild: DLR/ESA/picture-alliance/dpa
Was machen die Astronauten, wenn sie merken, dass sie vor Feierabend nicht fertig werden? Lassen sie das angefangene Experiment halbfertig liegen bis zum nächsten Morgen?
Wenn der Feierabend naht, und es steht noch eine Aktivität an, die noch zwei Stunden dauern würde, lässt der Astronaut die und schaut, ob es noch etwas anderes gibt, was er in der letzten halben Stunde machen könnte und spricht das mit dem Bodenteam ab.
Er muss aber sicherstellen, dass das Projekt, bei dem er nicht weiterkommt, ordentlich und sicher verschlossen und aufgeräumt ist. Er darf also nicht irgendwo ein Kabel raushängen lassen oder etwas im Gang parken, woran sich jemand anderes stoßen könnte.
2014 war der deutsche Astronaut Alexander Gerst zum ersten Mal für ein halbes Jahr auf der Internationalen Raumstation. Aus dem All hat er wichtige Forschungsergebnisse mitgebracht - aber auch beeindruckende Fotos.
"Hallo Berlin, von hier oben sieht man keine Grenzen!", twitterte Alexander Gerst am 9. November 2014, dem 25. Jahrestag des Mauerfalls. In 166 Tagen führte er Experimente in zahlreichen wissenschaftlichen Disziplinen durch. Eine wichtige Forschungs-Leistung! Aber Alexander Gerst berührt Menschen auch emotional - durch das Bild, das er von unserem "Blue Dot" vermittelt.
Bild: Alexander Gerst/ESA/picture-alliance/dpa
Gerst beobachtete Polarlichter
"Durch Polarlichter zu fliegen lässt sich nicht in Worte fassen", meint Alexander Gerst. Er hat dieses Naturphänomen von der ISS aus beobachtet. Und er verfolgte ein wissenschaftliches Ziel dabei: Er wollte den Einfluss elektromagnetischer Strahlung auf elektronische Geräte erforschen.
Die Sahara wird oft als endlose Wüste bezeichnet. Die Aufnahmen von Alexander Gerst über Libyen zeigen, dass auch die sandigsten Dünen einen Ausgangs- und Endpunkt haben.
Bild: ESA/NASA
Zeit zum Aufstehen!
Die meisten Menschen in Florida schliefen wahrscheinlich noch, als Alexander Gerst und seine Kollegen diesen Schnappschuss kurz vor Sonnenaufgang machten. Wenn sie wüssten, dass sechs Astronauten im All sie beim Schlummern beobachteten ...
Bild: picture-alliance/dpa/NASA
Meteoritenkrater aus dem All betrachtet
Es ist weder ein Berg, noch ein Vulkan. Auf diesem Foto von Gerst ist ein Meteoritenkrater in Arizona zu sehen. Der Krater misst 1186 Meter im Durchmesser und ist ganze 180 Meter tief.
Es scheint nur ein winziges Loch in der Wolkendecke zu sein - doch tatsächlich hat dieses Loch einen Durchmesser von 80 Kilometern! Obwohl es sehr faszinierend aussieht, richten Taifune wie dieser regelmäßig enormen Schäden an der Erdoberfläche an.
Alexander Gersts Bilder zeigen unverfälschte Momentaufnahmen. Dieses Foto zeigt eine besorgniserregende Entwicklungen: den Konflikt zwischen Israel und Gaza - fliegende Raketen und Explosionen.
Bild: picture-alliance/dpa/ESA/NASA
Glühende Atmosphäre
Ein besonderes Phänomen: Auch auf der Erde hat man selten die Chance, Nordlichter beobachten zu können. Gerst hatte das Glück, dieses wunderbare Bild aus dem Weltraum schießen zu können.
Bild: ESA/NASA
Fotos kein reiner Zeitvertreib
Astronauten stellen ihre Fotos auch für wissenschaftliche Zwecke zur Verfügung: Die Bilder der vom Wind zerklüfteten Täler in Nordafrika können zu Vergleichsstudien herangezogen werden. So kann man Veränderungen in der Landschaft feststellen - und analysieren, welchen Anteil der Mensch an solchen Veränderungen hat.
In vielen Regionen der Welt ist Süßwasser Mangelware. Die Kreise auf dem Bild sind nicht das Werk von Außerirdischen, sondern Bewässerungsanlagen in trockenen Gebieten Mexikos. Einige Experimente von Gerst beschäftigten sich auch mit Nahrungsversorgung. Die Astronauten pflanzten auf der ISS Salat an und arbeiteten daran, den Wasserverbrauch der Pflanzen zu verringern.
Bild: ESA/NASA
Wie ein Ölgemälde
Einige von Gersts Bildern sehen aus wie Meisterwerke berühmter Maler. Dieses Foto zeigt tatsächlich einen kurvenreichen Fluss in Kasachstan, der sich durch die Landschaft frisst. Auch Altarme, die vom Hauptfluss abgeschnitten sind, kann man auf dieser Aufnahme entdecken.