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Asyl für Snowden?

Friedel Taube3. November 2013

Edward Snowden hat durchblicken lassen, für eine Befragung zur NSA-Affäre in Deutschland bereitzustehen. Aber: Wäre das rechtlich auch möglich? Einige Politiker in Deutschland fordern jetzt Asyl für Snowden.

Edward Snowden - Foto: AP
Bild: picture alliance/AP Photo

Das Leben eines Whistleblowers im Asyl ist entbehrungsreich. Neben seiner Familie und seinen Freunden vermisse er auch die kleinen Dinge des Lebens, ließ Edward Snowden wissen. Seine Lieblingssorte Tortillachips gäbe es in Russland nämlich nicht. Das erzählte er laut Süddeutscher Zeitung dem Journalisten John Goetz, der Snowden gemeinsam mit dem Bundestagsabgeordneten Hans-Christian Ströbele am vergangenen Donnerstag (31.10.2013) in Russland getroffen hatte.

Neben seiner Vorliebe für Knabbergebäck sprach der Whistleblower bei dem Treffen allerdings auch ein anderes Thema an, welches die Besucher aus Deutschland vermutlich noch etwas mehr interessiert haben dürfte: Er erklärte sich generell dazu bereit, vor einem parlamentarischen Untersuchungsausschuss zur NSA-Affäre in Deutschland auszusagen. Das geht auch aus einer schriftlichen Stellungnahme hervor, die er Ströbele mit auf den Weg gab.

Was bis vor kurzem allenfalls theoretisch möglich erschien, nimmt damit konkrete Züge an: eine Aussage Snowdens in Deutschland. Allerdings würde er dadurch wohl seinen Flüchtlingsstatus in der Russischen Föderation verlieren, müsste bei der Wiedereinreise nach Russland erneut Asyl beantragen. Für viele deutsche Politiker kann die Konsequenz deshalb nur heißen: Snowden muss in Deutschland politisches Asyl erhalten.

Wird Snowden politisch verfolgt?

Hierzu müsste das Auslieferungsabkommen, das zwischen den USA und den EU-Staaten besteht, umgangen werden. Das wäre laut einem Gutachten des wissenschaftlichen Dienstes des Bundestages dann möglich, wenn jemand wegen einer "Straftat mit politischem Charakter" verfolgt würde - was im Falle Snowdens gelten könnte. Im Nachrichtenmagazin "Der Spiegel" sprachen sich 50 deutsche Prominente dafür aus, Snowden in Deutschland zu befragen - darunter der ehemalige Generalsekretär der CDU, Heiner Geißler, und der Schauspieler Daniel Brühl. Und aus der Politik werden die Forderungen immer deutlicher.

Jürgen Trittin, ehemaliger Spitzenkandidat der GrünenBild: picture-alliance/dpa

"Edward Snowden hat mit seinen Enthüllungen einen ungeheuren Abhörskandal aufgedeckt", sagte der Grünen-Politiker Jürgen Trittin dem Online-Portal des "Spiegel". "Er ist alles andere als ein Verbrecher und hat einen gesicherten Aufenthalt in Deutschland verdient." Auch der Vorsitzende der Partei "Die Linke", Bernd Riexinger, fordert, Snowden im Gegenzug zu einer Aussage politisches Asyl zu gewähren: "Ich denke, Snowden hat mehr zur Aufklärung beigetragen als jeder Geheimdienst." Wäre Snowden Chinese oder Russe, hätte er "schon längst politisches Asyl bekommen", sagte Riexinger dem ZDF.

Die Kanzlerin schweigt erwartungsgemäß

Edward Snowden ist aber US-Amerikaner und die Aufnahme des Whistleblowers, verbunden mit dem Bruch des Auslieferungsabkommens, wäre ein diplomatischer Affront. Bundeskanzlerin Angela Merkel äußerte sich zum Thema Snowden deshalb erwartungsgemäß überhaupt nicht. Michael Grosse-Brömer, der Parlamentarische Geschäftsführer von Merkels Partei, der CDU, sagte, dass er es bei der gegebenen Rechtslage vorziehen würde, eine Vernehmung Snowdens in Russland anzustreben, statt ihm Asyl zu gewähren: "Denn er ist nicht politisch verfolgt, sondern strafrechtlich verfolgt. Ein solcher Anspruch ergibt sich nicht aus dem Grundgesetz", sagte Grosse-Brömer dem ZDF. "Infolgedessen macht es Sinn, Edward Snowden in Moskau zu vernehmen." Ein Vertreter eines Untersuchungsausschusses könnte dazu nach Russland reisen und ihn dort vernehmen.

CDU-Politiker Grosse-Brömer: "Snowden ist nicht politisch verfolgt"Bild: picture-alliance/dpa

Der Kreml ließ am Samstag wissen, Snowden sei frei, sich in Russland zu treffen, mit wem er wolle. Auch eine Befragung durch den Generalbundesanwalt wäre im Zuge eines Rechtshilfeersuchens möglich, dem Russland aber selbstverständlich erst zustimmen müsste. Theoretisch könne man ihn sogar per Video befragen, wie das Bundesinnenministerium der Nachrichtenagentur Reuters mitteilte.

Alternative: "Aufenthaltstitel"

Statt ihn als politischen Flüchtling anzuerkennen, wäre es außerdem denkbar, Snowden einen Aufenthaltstitel auszustellen. Paragraf 22 des Aufenthaltsgesetzes macht dies möglich, wenn "das Bundesministerium des Innern oder die von ihm bestimmte Stelle zur Wahrung politischer Interessen der Bundesrepublik Deutschland die Aufnahme erklärt hat." Als "Wahrung politischer Interessen" könnte eine Befragung Snowdens durchaus ausgelegt werden. Auch dies dürfte das Verhältnis zu den USA aber negativ beeinflussen, die bereits im Juli vorsorgend ein "Festnahmeersuchen" an die Bundesrepublik gesendet hatten für den Fall, dass Snowden in Deutschland auftauchen sollte. Dieses liegt aber noch unbeantwortet im Bundesjustizministerium.

Bundestags-Vizepräsidentin Roth findet es verkehrt, Snowden aus Rücksicht auf die USA in Deutschland nicht zu befragen. Die Provokation läge wohl kaum darin, dass man ihn in Deutschland empfange, sondern "die ungeheuerliche Provokation ist, dass ganz offensichtlich unsere Bundeskanzlerin von der NSA abgehört worden ist, dass offensichtlich systematisch auch Oppositionspolitiker abgehört worden sind", so Roth.

Eine Reise Snowdens nach Deutschland wäre ein politischer Drahtseilakt, rechtlich aber unter bestimmten Umständen möglich. Sollte es klappen, hätte Snowden übrigens auch einen ganz persönlichen Nutzen davon: Läden, die amerikanische Lebensmittel anbieten, gibt es in der westlich geprägten Bundesrepublik nämlich genug. Da dürften sich auch seine Lieblingschips irgendwo auftreiben lassen.