1. Zum Inhalt springen
  2. Zur Hauptnavigation springen
  3. Zu weiteren Angeboten der DW springen
Politik

Athen fordert Entschädigung für deutsche Kriegsgräuel

17. April 2019

Das Parlament in Athen hat entschieden: Griechenland wird von Deutschland offiziell Reparationen für im Zweiten Weltkrieg erlittene Kriegsschäden und Kriegsverbrechen einfordern. Es geht um bis zu 290 Milliarden Euro.

Griechisches Parlament - Syntagma-Platz
Bild: picture-alliance/ANE

Das griechische Parlament hat mit großer Mehrheit dafür gestimmt, offiziell von Deutschland Reparationszahlungen für die Kriegsschäden und -verbrechen im Zweiten Weltkrieg einzufordern. Es geht einer griechischen Expertenkommission zufolge um bis zu 290 Milliarden Euro. Parlamentspräsident Nikos Voutsis hatte die Vorlage eingebracht, mit der die Regierung aufgefordert wird, alle notwendigen diplomatischen und rechtlichen Schritte einzuleiten. Zunächst soll es sich dabei um eine sogenannte Verbalnote handeln, üblicherweise die schriftliche Nachricht eines anderen Staates an das deutsche Außenministerium.

Regierungschef Alexis Tsipras im Parlament in AthenBild: Reuters/G. Baltas

"Die Forderung von Reparationszahlungen ist für uns eine historische und moralische Pflicht", sagte Regierungschef Alexis Tsipras in seiner Rede vor dem Parlament. Er habe das Thema nicht mit der schweren Finanzkrise der vergangenen Jahre und den Schulden des Landes verquicken wollen, erklärte Tsipras. Jetzt aber, nach dem Ende der internationalen Hilfsprogramme, sei der richtige Zeitpunkt gekommen. 

Die Reparationsansprüche erfolgreich geltend zu machen, ist ein Wahlversprechen von Tsipras aus dem Jahr 2015.

Forderungen Athens in Höhe von 289 Milliarden Euro

Eine vom Athener Parlament einberufene Expertenkommission hatte vor drei Jahren den Umfang der Forderungen auf mindestens 289 Milliarden Euro beziffert.

Unter der Besatzung durch die deutschen Nationalsozialisten von April 1941 bis September 1944 wurden rund 300.000 griechische Staatsangehörige getötet. Die Nazis verübten zahlreiche Massaker, etwa in Lyngiades, Distomo, Kalavryta, Kandanos oder Viannos. Außerdem nahm die Besatzungsmacht 1942 bei der griechischen Zentralbank einen Zwangskredit auf, der damals auf knapp 500 Millionen Reichsmark beziffert wurde und heute mit Zinsen einige Milliarden Euro wert wäre.

Erst Anfang des Jahres hatte der griechische Präsident Prokopis Pavlopoulos die Entschädigungsforderungen bekräftigt. Sie müssten durch ein kompetentes juristisches Forum in Europa geklärt werden.

Thema für Deutschland abgeschlossen

Der deutsche Regierungssprecher Steffen Seibert hatte sich bereits vor der Verabschiedung der Resolution geäußert. Die Bundesregierung wisse "um die große Schuld und das große Leid", das Deutschland zu Zeiten des Nationalsozialismus über Griechenland gebracht habe. Zur Frage von Reparationen habe sich aber an der Haltung Berlins nichts geändert. Die Regierung betrachte das Thema als "juristisch wie politisch abschließend geregelt", so Seibert weiter.

Deutschland hat die griechischen Forderungen stets abgewiesen. Zur Begründung heißt es in Berlin unter anderem, der Zwangskredit falle unter das Londoner Schuldenabkommen von 1953, das Deutschland von allen Reparationen und Kompensationen freispricht. Außerdem ist für Deutschland das Thema mit dem 1990 als internationale Grundlage für die deutsche Wiedervereinigung unterzeichneten Zwei-plus-Vier-Vertrag abgeschlossen. Darin heißt es, es seien "keine weiteren Reparationen" vorgesehen.

Der Streit um die Entschädigungsforderungen belastet das deutsch-griechische Verhältnis seit Jahren. Hinzu kamen die Auflagen der internationalen Kreditgeber während der griechischen Wirtschaftskrise, hinter denen viele Griechen den Einfluss der Regierung in Berlin vermuteten.

qu/nob/lh (dpa, afp, rtr)

Den nächsten Abschnitt Mehr zum Thema überspringen