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Politik

Athen und die Geldgeber

Jannis Papadimitriou
10. März 2017

Unverrichteter Dinge reisen die Kontrolleure der internationalen Geldgeber aus Athen ab. Die griechische Regierung gibt sich dennoch zuversichtlich, dass eine Einigung bevorsteht.

Griechenland Demo vor dem Hilton Hotel in Athen Troika Besuch
Proteste vor dem Hilton-Hotel in Athen, wo die Verhandlungen mit den Geldgebern stattfandenBild: Getty Images/AFP/L. Gouliamaki

Bis in die frühen Morgenstunden dauerte die letzte Verhandlungsrunde in einem Athener Luxushotel. Da keimten Hoffnungen auf eine baldige Einigung mit den Kreditgebern. Am späten Donnerstagabend kam die Ernüchterung: Wichtige Fragen sind noch offen, hieß es im Staatsfernsehen ERT. "Es bleibt viel zu tun", bestätigte wenig später ein Sprecher des Internationalen Währungsfonds (IWF) in Washington.  Am Freitag reisen die Delegationsleiter der EU-Kommission, des IWF, der Europäischen Zentralbank (EZB) und des Eurorettungsschirms ESM ab. Ihre Gespräche mit der Athener Regierung wollen sie trotzdem weiterführen. Möglichst bis zum Treffen der Euro-Finanzminister am 20. März soll eine Einigung stehen. Ob das wirklich funktioniert? Auffallend still verhält sich der ansonsten redselige Finanzminister Eukleid Tsakalotos. Umso mitteilungsfreudiger gibt sich Energieminister Jorgos Stathakis: In den letzten Tagen hätte man bereits große Fortschritte erzielt, versichert der Linkspolitiker dem TV-Sender Skai. Eine Einigung bis zum 20.März sei möglich, fügt er hinzu.

In den Verhandlungen seien "wichtige Fragen noch offen"Bild: picture-alliance/NurPhoto/K. Ntantamis

Politikwissenschaftler Jorgos Tzogopoulos zeigt sich skeptisch: "Aus Erfahrung bin ich wenig optimistisch, dass wir einen schnellen Durchbruch erreichen" sagt er im Gespräch mit der DW. Schließlich hätte Linkspremier Alexis Tsipras schon mehrmals eine Einigung in Aussicht gestellt, ohne dass etwas passiert wäre. Derzeit ist das dritte an Auflagen geknüpfte Hilfsprogramm für Hellas im Umfang von 86 Milliarden Euro in Gang. Neue Kredite erhält das Land aber nur, wenn die Gläubiger mit der Umsetzung bereits zugesagter Reformen zufrieden sind. Zu diesem Zweck läuft seit Oktober die sogenannte "zweite Überprüfung" griechischer Reformbemühungen. Umstritten sind weiterhin die Reformen im Rentensystem und am Arbeitsmarkt. Zudem fordern die Geldgeber, den Einkommenssteuer-Freibetrag auf weniger als 6.000 Euro zu senken.

Annäherung an Europas Sozialisten  

Das ist noch lange nicht alles: Athen soll sich auch auf zusätzliche Sparmaßnahmen für die Zeit nach Ablauf des aktuellen Hilfsprogramms im Jahr 2018 festlegen. Dagegen hatte sich Regierungschef Tsipras lange Zeit gewehrt. Jetzt scheint er bereit, darüber zu sprechen. Im Gegenzug fordert er allerdings entlastende Maßnahmen im Bereich Steuer- und Sozialpolitik. In einem zweiten Schritt soll anschließend über die Höhe der Überschüsse im Athener Staatshaushalt für die nächsten Jahre verhandelt werden. Davon hängt nicht zuletzt ab, ob sich der IWF weiterhin am Rettungsprogramm beteiligt. Wenn es allein nach Tsipras ginge, wäre das wohl nicht der Fall. Dabei setzt der Regierungschef weiterhin auf eine "politische Verhandlung" über die Zukunft der griechischen Wirtschaft. Im Klartext: Richtungsweisende Entscheidungen will er nicht mit den Kontrolleuren der Geldgeber, sondern mindestens auf Ministerebene besprechen lassen. 

Rückhalt sucht der Linkspremier bei den europäischen Sozialisten. Wie so oft in den letzten Jahren erschien er beim Treffen der Sozialisten vor dem EU-Gipfel in Brüssel und versuchte dort, seinen Gastgebern ins Gewissen zu reden. "Wir können nicht erzählen, dass Schäuble an allem schuld ist. Schäuble macht seinen Job, aber manche lassen ihn eben gewähren"- mit diesen Worten zum deutschen Finanzminister wird Tsipras am Freitag in griechischen Medien zitiert. Hinter seiner versuchten Annäherung mit den Sozialisten steht Kalkül, glaubt Politikwissenschaftler Tzogopoulos. "Tsipras spekuliert offenbar auf einen Linksruck bei der Parlamentswahl in Deutschland und hofft, dass spätestens in diesem Moment die Machtverhältnisse in Europa günstiger für ihn wären" meint der Analyst. Ob die Rechnung aufgeht, sei aber fraglich- allein schon deshalb, weil Griechenland schon in diesem Sommer frisches Geld brauche, um mehrere Milliarden an Krediten zurückzuzahlen.

Doch kein Wachstum in Hellas

Wie stark Anspruch und Wirklichkeit auseinanderklaffen, zeigte sich bei der jüngsten Kabinettssitzung in Athen am Montag (6.3.). Da versicherte Tsipras, dass Griechenland nach mehreren Rezessionsjahren auf den Wachstumspfad zurückkehrt. Doch kaum hatte er zu Ende gesprochen, warnte die Athener Statistikbehörde vor einer weiteren Talfahrt der hellenischen Wirtschaft: Sie sei nämlich, entgegen optimistischer Erwartungen, im letzten Quartal 2016 um 1,2 Prozent geschrumpft und schließe damit das Vorjahr mit einem Nullwachstum ab. "Die Zahlen widersprechen Herrn Tsipras" titelt dazu die Zeitung Kathimerini.

Der Frust über die Sparmaßnahmen entlädt sich immer wieder in GewaltBild: Reuters/A. Konstantinidis

Regierungssprecher Dimitris Giannakopoulos versucht aus der Not eine Tugend zu machen: Die Statistikbehörde sei völlig unabhängig und deshalb habe der Premier gar nicht im Voraus wissen können, wie die aktuellen Wirtschaftsdaten aussehen, erklärte er im TV-Sender Skai. Das Argument sei nicht aus der Luft gegriffen, meint Verfassungsrechtler Kostas Botopoulos im Gespräch mit der DW. "Wirtschaftsdaten aus Athen wurden lange Zeit in Frage gestellt, aber sie sind heute zuverlässig. Denn mittlerweile agiert die Statistikbehörde in der Tat unabhängig von der Politik", lobt Botopoulos. Umso erstaunlicher findet er allerdings die Zuversicht des Ministerpräsidenten: "Wer dauernd negative Wachstumszahlen verzeichnet, der kann doch nicht im Brustton der Überzeugung behaupten, dass auf einmal Wachstum zurückkommt und das Schlimmste schon hinter uns liegt" moniert der Jurist.

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