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Politik

Athen und Ankara reden wieder miteinander

24. Januar 2021

Fünf Jahre herrschte Schweigen. An diesem Montag haben die Türkei und Griechenland nun wieder Gespräche über ihre Differenzen in der Ägäis aufgenommen. Es ist Runde 61 der Sondierungen - und vermutlich nicht die letzte.

Griechenlands Premier Kyriakos Mitsotakis, bei einer TV-Rede zum griechischen Aufrüstungsprogramm "nationales Schild" im September 2020. Im Hintergrund sieht man die Silhouetten von Kriegsschiffen, die Griechenland im Konflikt mit der Türkei schützen sollen.
Griechenlands Premier Kyriakos Mitsotakis bei einer TV-Rede zum griechischen Aufrüstungsprogramm im September 2020Bild: picture-alliance/dpa/G. Moisiadis

Nach einem Jahr voller Spannungen zwischen Griechenland und der Türkei haben die beiden NATO-Verbündeten am 25. Januar 2021 in Istanbul ihre Sondierungsgespräche über ihre langjährigen Differenzen in der Ägäis wieder aufgenommen. Nach fast fünf Jahren Pause ist das die 61. Gesprächsrunde. Von dem Treffen verspricht man sich eine Verbesserung der Atmosphäre zwischen beiden Ländern, was sowohl der Regierung in Athen als auch der in Ankara im Moment gut passen würde. Auch EU, NATO und die USA haben die Wiederaufnahme der Gespräche begrüßt.

Dabei sind die Sondierungen absolut inoffiziell und nur eine Art Vorbereitung auf echte Verhandlungen. Gleichzeitig aber sind sie eine Möglichkeit für Ankara und Athen, in Kontakt zu bleiben, selbst wenn keine Fortschritte in Richtung eines konstruktiven Dialogs gemacht werden.

Ein Thema der Sondierungsgespräche: die Gewässer um die griechischen Inseln vor der türkischen Küste

Die ersten 60 Runden haben zu keiner Lösung geführt, also sind auch die Erwartungen an die 61. bescheiden. "Wir werden die Themen diskutieren, die wir in den vorherigen Sondierungsgesprächen besprochen haben", so der türkische Außenminister Mevlüt Çavuşoğlu während einer gemeinsamen Pressekonferenz mit seinem deutschen Amtskollegen, Bundesaußenminister Heiko Maas.

Im vergangenen Dezember hatten sich die Staats- und Regierungschefs der Europäischen Union darauf geeinigt, wegen Ankaras Gasbohraktivitäten vor den Küsten Griechenlands und Zyperns Sanktionen gegen die Türkei zu verhängen. Çavuşoğlu hatte daraufhin erklärt, die Türkei habe keine Angst vor Sanktionen - beabsichtige aber, die "positive Atmosphäre" mit der EU aufrechtzuerhalten und diese daher keinen Spannungen mit EU-Mitgliedstaaten mehr auszusetzen. Daraufhin wurde die Diskussion über härtere Sanktionen auf März verschoben. Da sich die Wirtschaftskrise in der Türkei seitdem verschärft hat, könnten derartige Maßnahmen der türkischen Wirtschaft schaden.

Deeskalation der Spannungen

Für die griechische Seite ist das Wichtigste die Deeskalation der Spannungen mit dem Nachbarland in der Ägäis und insbesondere im östlichen Mittelmeerraum. Zum ersten Mal sind die Sondierungsgespräche auch Thema der Diskussion in der griechischen Öffentlichkeit.

Außenminister Maas (l.) und sein türkischer Amtskollege Çavuşoğlu (r.) beim G20-Treffen in Japan im November 2019Bild: picture-alliance/dpa/B. von Jutrczenka

Obwohl Journalisten nie wirklich darüber informiert werden, worüber die Delegationen sprechen - manchmal gibt es nicht einmal Protokolle der Gespräche -, wartet die Öffentlichkeit sehr gespannt, ob Griechenland die Türkei davon überzeugen kann, nur über die Abgrenzung der Seegrenzen in der Ägäis und im östlichen Mittelmeerraum zu verhandeln.

Serhat Güvenç, PolitikwissenschaftlerBild: Kadir Has University

Nur eine weitere Sondierungsrunde?

Wenn ja, werden die beiden Länder ein gemeinsames Papier vorbereiten und vor den Internationalen Gerichtshof in Den Haag (IGH) ziehen. Wenn nein, wird es eine 62. Runde von Sondierungsgesprächen geben, dann eine 63…. und so weiter.

Laut Serhat Güvenç, Professor für internationale Beziehungen an der Kadir Has Universität in Istanbul, fehlt auf beiden Seiten der politische Wille, ihre Streitigkeiten zu lösen. "Da die ungelösten Probleme jedoch kumulative Konsequenzen für die Innenpolitik und die Wirtschaft haben, könnte sich diesmal die politische Einstellung ändern", sagt er und bleibt trotz der Herausforderungen optimistisch.

Vorsichtiger Optimismus

Griechenlands Premierminister Kyriakos Mitsotakis hatte sich vor den Sondierungsgesprächen zuversichtlich gezeigt: "Ich habe den türkischen Präsidenten Recep Tayyip Erdoğan immer ermutigt, uns zu treffen und den Hauptunterschied zwischen unseren Positionen zu erörtern, nämlich die Abgrenzung unserer Seezonen. Diese Geschichte reicht Jahrzehnte zurück - aber wir können sie lösen. Wenn wir nicht können, können wir sie vor den Internationalen Gerichtshof bringen. Deshalb gibt es internationale Gerichte", so Mitsotakis im Gespräch mit der Zeitschrift Monocle.

Der türkische Präsident Erdoğan am 37. Jahrestag der Unabhängigkeitserklärung Nordzyperns in Nikosia im November 2020Bild: Mustafa Oztartan/Presidential Press Office//REUTERS

Seit 1974 meinen alle griechischen Regierungen, dass eine Anerkennung der griechische und zyprischen Festlandsockel und der Teile des Meeres, die Griechenland und Zypern als ihre "Ausschließlichen Wirtschaftszonen" betrachtet, die einzigen Probleme seien, die mit Hilfe internationaler Justiz gelöst werden müssen. Wenn die Türkei also andere Themen auf die Tagesordnung setzen wollte - etwa die Entmilitarisierung der Inseln in der östlichen Ägäis - war das für die griechische Seite immer inakzeptabel.

Türkische Schuldzuweisungen

Die türkische staatliche Nachrichtenagentur Anadolu geht davon aus, dass die Türkei Fragen zu Hoheitsgewässern, Festlandsockel, Abrüstung der Ägäis-Inseln, der Größe des jeweiligen nationalen Luftraums sowie zu den Zuständigkeiten bei Such- und Rettungsaktionen erörtern will. Die Delegation wird vom stellvertretenden Außenminister Sedat Önal geleitet. Griechenland hat erneut den erfahrenen Botschafter Pavlos Apostolidis entsandt, der bereits die Gespräche von 2010 bis 2016 geführt hatte.

Sedat Önal, stellvertretender Außenminister der Türkei, beim Treffen der "Gruppe der acht Entwicklungsländer" (D-8) in Istanbul im Oktober 2017Bild: picture-alliance/AA/S. Coskun

Die türkische Seite beschuldigt Griechenland, sich nicht am Dialogprozess zu beteiligen, sondern stattdessen zu provozieren. Minister Çavuşoğlu erklärte im Vorfeld der Gespräche, wenn Griechenland darauf bestünde, nicht zusammen zu arbeiten, werde Athen für mögliche Spannungen zwischen den beiden Nachbarn verantwortlich sein.

Es geht nicht nur um Athen und Ankara

Die griechische Seite wird sich auch viel Mühe geben, nicht als Schuldiger dazustehen, falls die Gespräche wieder abgebrochen werden. Gleichzeitig werden die griechischen Streitkräfte in Alarmbereitschaft bleiben, falls die Türkei ihre Gasbohraktivitäten in der Nähe von Kreta, Rhodos oder Kastelorizo erneut aufnimmt.

Çigdem Nas, Generalsekretärin der türkischen Stiftung für wirtschaftliche EntwicklungBild: Privat

Die Spannungen in der Region haben Griechenland bereits viel Nerven und Geld gekostet und zu einem neuen riesigen Rüstungsprogramm - in Form des Ankaufs von Flugzeugen und Kriegsschiffen - geführt, das sich das Land nach zehn Jahren tiefer Wirtschaftskrise eigentlich nicht leisten kann. Athen vertraut dem großen Nachbarn im Osten nicht. Parallel zu den Gesprächen versucht es, seine Abschreckungskapazitäten zu stärken.

Çigdem Nas, außerordentliche Professorin für internationale Beziehungen und Generalsekretärin der Stiftung für wirtschaftliche Entwicklung der Türkei, meint, dass die Gespräche nicht nur für die bilateralen Beziehungen der Türkei zu Griechenland wichtig sind, sondern auch eine Schlüsselrolle für die Beziehungen zwischen der Türkei und der EU spielen werden.