Schwarzgeld nach Athen?
15. Juni 2011Drogenkrieg in Mexiko mit zehntausenden Toten, Drogenanbau in Afghanistan, spektakuläre Polizeiaktionen gegen die italienische Mafia, Verquickung von Politik und organisierter Kriminalität in Russland: alles ganz weit weg. Was hat das mit dem krisengeschüttelten Griechenland zu tun? Dass Land hat doch ganz andere Probleme. Genau diese Probleme sind es aber, so Professor Edgardo Buscaglia auf einer Tagung der Heinrich-Böll-Stiftung in Berlin, die Griechenland für die transnationale organisierte Kriminalität interessant machen. Die wirtschaftliche Krise des Landes, so der Berater der US-Regierung und einer Reihe internationaler Organisationen (UNO, Weltbank etc.), führt gleichzeitig auch zu einer gesellschaftlichen und zu einer politischen Krise. "Wenn unter solchen instabilen Verhältnissen die Immobilienpreise sinken und die Nachfrage nach Kapital steigt, dann tritt das organisierte Verbrechen auf den Plan. Auf einmal steht Kapital zur Verfügung. Es ist Schwarzgeld. Das wird in Immobilien investiert, in Einkaufszentren, in das Banksystem." Griechenland, warnt Buscaglia, müsse sich dieser Risiken bewusst werden.
Die Mafia investiert bereits in Griechenland
Jürgen Roth, Autor von zwei Dutzend Büchern über organisierte Kriminalität in Europa wundert sich darüber, dass sich die griechischen Strafverfolgungsbehörden noch nicht intensiv mit dieser Gefahr beschäftigen. Dabei seien die reichen chinesischen Triaden schon längst mit Investitionen in Griechenland aktiv, ebenso die italienische Mafia, insbesondere die sizilianische Cosa Nostra und die kalabrische 'Ndrangheta. Die Verbrechersyndikate investieren ihre illegal erworbenen Gelder nicht direkt in Griechenland. Die Zeiten, in denen Mafiamitglieder in Autos, mit Maschinenpistolen und großen Koffern Geld über die Grenzen schafften, sind vorbei. Heute passiert das über Geldtransaktionen, erklärt Jürgen Roth. Zum Beispiel über Hedgefonds oder auch über Firmen in Rumänien oder Bulgarien, die eigentlich der Mafia gehören. In diesen und anderen ehemaligen sozialistischen Staaten wie Montenegro, Mazedonien oder auch Polen kam im Zuge der Privatisierung von staatlichem Eigentum Kapital von international agierenden Verbrechersyndikaten ins Land. Dieses Geld wurde durch den Kauf von Sachwerten reingewaschen - nicht selten mit Hilfe von korrupten einheimischen Politikern. Von nun an konnte es als sogenanntes sauberes Kapital überall neu investiert werden. Anteile an Unternehmen wurden gekauft, wieder verkauft und dafür andere gekauft. Und so weiter und so fort.
Internet lässt Schwarzgeld verschwinden
Es gibt aber noch einen besseren Weg, um die Herkunft von Kapital zu verschleiern. Man speist sie in den Fluss der Hunderten von Milliarden Dollar ein, die täglich um den Globus hin und her transferiert werden. Am besten gehe das, wenn Schwarzgeldkapital in den normalen Geldkreislauf über Internetbanking komme, so die Berliner Politologin Regine Schönenberg. Als erstes, so die Expertin in Fragen der organisierten Kriminalität, braucht man eine Kreditkartennummer. Die bekommt man unter Wahrung der Anonymität ohne weiteres zum Beispiel in Russland. Mit dieser Kreditkartennummer gründet man eine oder mehrere Internet-Banken und bewegt über sie Gelder dorthin, wo man sie haben will. Schon ein paar Stunden später kann man diese Banken wieder auflösen.
Kampf gegen das organisierte Verbrechen
Auch wenn es schwer ist, selbst bei solchen Fällen, sei es mit viel gutem Willen von Polizei, Geheimdiensten und Staatsanwaltschaft möglich, die Spur des Geldes zu verfolgen. "Aber, dieser Wille ist oftmals nicht da", so Regine Schöneberger. Bei der Politik nicht, weil Investitionen - egal woher - Arbeitsplätze schaffen. Und die Banken und Unternehmen vor allem in krisengeschüttelten Ländern sind erst einmal froh, wenn sie neues Kapital bekommen. Lässt das eine Gesellschaft zu, dann können Verbrechersyndikate zu einem bestimmenden Faktor im Staat werden. Mexiko ist ein solches Beispiel der Verflechtung von organisierter Kriminalität, Staat und Politikern. In Europa, so Jürgen Roth, sei es vor allem Montenegro, dessen ehemaliger Präsident und späterer Ministerpräsident als Kopf des Zigarettenschmuggels in der Europäischen Union galt.
Die Folgen für Länder, die es dem Schwarzgeld leicht machen, sind dramatisch: Korruption breitet sich aus, der Stellenwert von Justiz und Parlamenten sinkt, die Lebensbedingungen der Bürger verschlechtern sich. Nach Ansicht der Experten ist in so einer Situation der entscheidende Faktor zur Bekämpfung des organisierten Verbrechens nicht so sehr die Polizei, sondern die Zivilgesellschaft. Das Problem sei, jedes Mal die Angst zu überwinden. Dass das aber geht, zeigen die machtvollen Demonstrationen in italienische Mafiahochburgen oder auch Bürgerinitiativen gegen die Drogenkartelle in Mexiko.
Autor: Panagiotis Kouparanis
Redaktion: Mirjana Dikic