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Es rumort in Athen

Jannis Papadimitriou11. August 2015

Griechenland und die Geldgeber einigen sich auf eine neue Kreditvereinbarung. Sie sieht erneutes Sparen für die Griechen vor. In der Regierungspartei Syriza tobt deshalb der Aufstand. Aus Athen: Jannis Papadimitriou.

Akropolis bei Sonnenaufgang Foto: Oli Scarff/Getty Images
Bild: Getty Images/O. Scarff

Schon wieder ist das hässliche M-Wort in aller Munde: Ein "Mnemonio", nämlich ein Memorandum der Sparpolitik, sei da wieder zustande gekommen, titelt die griechische Presse. Nur der verhasste Begriff "Troika" für die Kontrolleure der internationalen Kreditgeber gehört der Vergangenheit an - alleine schon deshalb, weil der griechische Finanzminister Eukleid Tsakalotos in letzter Zeit nicht mit drei, sondern gleich mit vier Institutionen verhandelt: Neben der Europäischen Union (EU), dem Internationalen Währungsfond (IWF) und der Europäischen Zentralbank (EZB) sind nämlich auch Vertreter des im Jahr 2012 gegründeten Europäischen Stabilitätsmechanismus (ESM) mit von der Partie.

Über 22 Stunden dauerte die allerletzte Verhandlungsrunde in einem Athener Nobelhotel; am Dienstagvormittag kam die Erfolgsmeldung: Eine Einigung liege in ihren Grundzügen vor. Nur noch einige Details müssten im Laufe des Tages geklärt werden. Dem Vernehmen nach besteht die Vereinbarung aus zwei Teilen: Im ersten Teil verpflichtet sich die griechische Regierung zu einem neuen Memorandum der Sparpolitik für die nächsten drei Jahre und erhält im Gegenzug Finanzhilfen in Höhe von über 60 Milliarden Euro. Diese Summe dürfte kaum ausreichen, um den Finanzbedarf des Landes bis Ende 2018 zu decken, der nach derzeitiger Schätzung knapp 85 Milliarden beträgt; deshalb wird das Krisenland angehalten, weitere 25 Milliarden aus eigenen Einnahmen beizutragen- etwa aus Privatisierungserlösen. Im zweiten Teil der Vereinbarung, der sich auf 60 Seiten erstreckt, werden sogenannte "prior actions" aufgeführt: Es handelt sich um Reformmaßnahmen, die Athen mit sofortiger Wirkung ergreifen soll, bevor die Geldgeber auch nur einen Euro nach Athen überweisen. Zu den "Sofortmaßnahmen" gehören etwa die Abschaffung von Steuerprivilegien, Steuererhöhungen für Landwirte, eine Erschwerung der Frühverrentung, sowie die Öffnung reglementierter Berufe.

Im Kampf gegen die eigene Partei

Der griechische Ministerpräsident Alexis Tsipras hat einen konkreten Zeitplan: Am Mittwoch (12.8.) beraten die Fachausschüsse des Parlaments über die Kompromiss-Vereinbarung. Am Donnerstag erfolgt die Abstimmung im Plenum. Am Freitag geben die Euro-Finanzminister grünes Licht. Ob der Linkspremier seinen Zeitplan durchsetzt, ist jedoch fraglich, zumal die eigene Partei den Aufstand probt.

Auf ihrer Website Iskra ruft der Radikal-Flügel der regierenden Linkspartei Syriza das Volk zum "Kampf bis zum Ende gegen die Sparauflagen" auf. Am deutlichsten kritisierte bisher der Syriza-Abgeordnete und Vizepräsident des Parlaments Alexis Mitropoulos das Memorandum: Es sei ein "Manifest des Thatcherismus", das keine Regierung in diesem Land und erst recht keine Linksregierung umsetzen könnte, empörte sich Mitropoulos im TV-Interview. "Die Volksvertreter und die politischen Parteien haben noch nicht einmal verstanden, wie schrecklich die Sparauflagen in Wahrheit sind", monierte der im sozialistischen Jugoslawien promovierte Ökonom. Dennoch wollte Mitropoulos keine klare Antwort auf die Frage geben, ob er im Parlament gegen das Abkommen stimmen will oder nicht. Nur so viel wollte er verraten: Er sei sicher, dass immer mehr Syriza-Abgeordnete vor einem großen Dilemma stehen bei der Frage, ob sie für die Vorlage des Ministerpräsidenten stimmen oder nicht.

Bild: A. Messinis/AFP/Getty Images

Parlamentspräsidentin Zoe Konstantopoulou, die beim Syriza-Linksflügel und vor allem bei jungen Linkswählern besonders beliebt ist, leistet Widerstand auf ihrer eigenen, subtilen Art: Am Dienstag erklärte die streitbare Juristin überraschend, das Präsidium des Parlaments könne erst am späten Mittwochabend zusammenkommen, womit die weitere Prozedur sich verzögere und eine Abstimmung im Plenum erst am Freitag möglich sei. Sollte es dabei bleiben, würde das neue Memorandum nicht mehr vor dem wichtigen Treffen der Euro-Finanzminister am Freitag (14.8.) abgenommen. "Alles deutet darauf hin, dass der regierenden Linkspartei eine Spaltung bevorsteht", meint Politikwissenschaftler Jorgos Tzogopoulos im Gespräch mit der DW. Nach der Abstimmung im Parlament bliebe Regierungschef Tsipras möglicherweise keine andere Wahl. Aber die Spaltung sei wohl auch eine Chance für den Premier, glaubt Tzogopoulos: "Wenn Tsipras die radikalen Linken los wird, dann könnte er dem Vorbild des italienischen Ministerpräsidenten Renzi folgen und eine breite, reformfreundliche Parlamentsmehrheit zusammenschmieden - am besten nicht durch Neuwahlen, sondern durch die Bildung einer neuen Koalitionsregierung."

Auf der Suche nach Sündenböcken

Widerstand vermutet die Athener Regierung nicht zuletzt im Ausland - etwa in Berlin: Laut griechischen Medienberichten stößt Premier Tsipras mit seiner überraschend angekündigten Einigung auf Skepsis in Berlin, was ihm angeblich auch Bundeskanzlerin Angela Merkel in zwei Telefongesprächen mitgeteilt hat. Politikwissenschaftler Tzogopoulos schenkt diesem Bericht keinen Glauben: "Das alles gehört wohl zur Kommunikationsstrategie der Regierung: Man will einen äußeren Feind schaffen, um die eigene Partei einigermaßen in Schach zu halten", moniert der Athener Analyst.

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