Athletin aus Belarus will Asyl
2. August 2021Die belarussische Olympia-Sprinterin Kristina Timanowskaja ersucht nach Angaben ihres Ehemanns wahrscheinlich in Polen um Asyl. Die Sportlerin, die offenbar gegen ihren Willen von den autoritären Behörden ihres Landes aus Japan nach Hause geschickt werden sollte, befindet sich derzeit in der polnischen Botschaft in Tokio. Dort hat sie ein humanitäres Visum erhalten. "Polen wird alles Nötige tun, um ihr bei der Fortsetzung ihrer sportlichen Karriere zu helfen", twitterte Vize-Außenminister Marcin Przydacz. Polen stünde "für Solidarität". Neben Polen hatten auch Tschechien und Slowenien der 24-Jährigen Asyl angeboten.
Ihr Ehemann Arseni Zdanewitsch ist inzwischen von Belarus in die Ukraine geflohen. "Ich glaube, es wäre auch für mich nicht sicher, dort [in Belarus] zu sein", sagte der 25 Jahre alte Fitnesstrainer dem Büro der Nachrichtenagentur AFP in der ukrainischen Hauptstadt Kiew. Er hoffe, seiner Frau "in naher Zukunft" nach Polen folgen zu können.
Nacht im Hotel am Flughafen
Nach ihrem Hilferuf am Sonntagabend hatte Timanowskaja die Nacht in einem Hotel am Tokioter Flughafen Haneda verbracht. Mark Adams, der Sprecher des Internationalen Olympischen Komitees (IOC), bestätigte, die Sportlerin sei "sicher". Am Montagmorgen habe das IOC erneut Kontakt zu ihr gehabt und das Nationale Olympische Komitee (NOK) aus Belarus aufgefordert, schriftlich zu den Vorwürfen Stellung zu beziehen. Weitere Details nannte Adams nicht.
Die belarussische Oppositionsführerin Swetlana Tichanowskaja begrüßte die schnelle IOC-Reaktion. "Es ist wichtig, die Verletzungen von Rechten der Athleten durch das NOK zu untersuchen", schrieb sie auf Twitter.
Schutz bei der Polizei gefunden
Vorausgegangen war ein - gelinde gesagt - turbulenter Sonntag. Timanowskaja hatte über die Sozialen Medien die Angst geäußert, gegen ihren Willen zurück nach Belarus gebracht zu werden, und das IOC um Hilfe gebeten. Am Flughafen fand sie Schutz bei der Polizei, die sich laut Adams mit "anderen Organisationen" weiter um sie kümmert. Um welche japanischen Stellen es sich dabei handelt, sagte Adams nicht. IOC-Direktor James MacLeod, zuständig für die Beziehungen zu den Nationalen Olympischen Komitees, habe am Abend und am Morgen mit Timanowskaja gesprochen.
Die Sprinterin hatte am Sonntag mit Hilfe der Belarusian Sports Solidarity Foundation (BSSF) auf sich aufmerksam gemacht. Bei der BSSF handelt es sich um eine Nicht-Regierungsorganisation aus dem osteuropäischen Land, das von Machthaber Alexander Lukaschenko autoritär regiert wird.
Versuch, die Sportlerin "zu verschleppen"?
Den Angaben zufolge wurde Timanowskaja am Sonntagabend zum Tokioter Flughafen Haneda transportiert. "Vertreter des belarussischen Kaders versuchen, die Sportlerin aus Tokio zu verschleppen, ihr wurde ein Flugticket nach Minsk gekauft", schrieb die Stiftung bei Telegram. "BSSF fordert das Internationale Olympische Komitee und den internationalen Leichtathletikverband auf, der belarussischen Sportlerin zu helfen." Man habe das Eingreifen der japanischen Polizei beantragt, um diese unfreiwillige Ausreise zu verhindern, so das BSSF weiter.
"Ich bitte das IOC ...."
Auch Timanowskaja selbst kam zu Wort: "Ich stehe unter Druck und sie versuchen, mich ohne meine Zustimmung aus dem Land zu bringen. Ich bitte das IOC darum, sich einzuschalten", sagte Timanowskaja laut BSSF in einem Video, das unter anderem von Deutschlandfunk Sport retweetet wurde.
Das Nationale Olympische Komitee von Belarus steht unter der Präsidentschaft von Wiktor Lukaschenko, dem Sohn des Staatschefs. Das NOK hatte zuvor in einer offiziellen Stellungnahme den Rückzug Timanowskajas aus mentalen Gründen bekannt gegeben.
Noch auf der Startliste
"Aufgrund des emotionalen und psychologischen Zustands der Athletin" hätten Trainer der belarussischen Leichtathletikmannschaft auf Anraten der Ärzte entschieden, dass die 24-Jährige "ihre Teilnahme an den Olympischen Spielen aussetzen" solle. Der Antrag auf Teilnahme an den Rennen über 200 und 4 x 400 Meter sei zurückgezogen worden, hieß es.
Auslöser der Affäre könnte ein mittlerweile gelöschtes Video gewesen sein, das Timanowskaja bei Instagram gepostet hatte. Darin kritisierte sie den weißrussischen Leichtathletikverband. Timanowskaja gab an, sie sei gezwungen worden, in der 4x400-Staffel zu starten, weil der Verband nicht die Anzahl ausreichender Dopingkontrollen für die Athletinnen gewährleistet habe, die eigentlich für die Staffel vorgesehen waren. "Ich hätte nie so harsch reagiert, wenn man mir das vorher gesagt, die ganze Situation erklärt und gefragt hätte, ob ich 400 Meter laufen kann. Aber sie haben sich entschieden, alles hinter meinem Rücken zu machen", sagte die Läuferin.
Sanktionen gegen Minsk
Die Europäische Union hatte Belarus zuletzt mit weiteren Sanktionen belegt. Sie reagierte damit darauf, dass die Behörden in Minsk ein Ryanair-Passagierflugzeug zur Zwischenlandung in der Hauptstadt zwangen - und anschließend den an Bord sitzenden belarussischen Oppositionellen Roman Protassewitsch festnahmen.
Dieser Artikel wurde am 2. August 2021 aktualisiert.