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Atom-Streit schwelt weiter

23. August 2010

Dass die Laufzeiten für Atomkraftwerke verlängert werden, steht für Angela Merkel fest. Nur wie lange sie zusätzlich am Netz bleiben dürfen, darauf kommt es aus ihrer Sicht an. Derweil verschärft die Opposition den Ton.

Das Kernkraftwerk Brunsbüttel in Schleswig-Holstein. (Foto: Carsten Rehder dpa)
Bild: picture-alliance/ dpa

Angela Merkel hat es schon immer gewusst. Sie habe im Jahre 2000 zu denjenigen gehört, die vor einer ideologisch motivierten zeitlichen Begrenzung der Laufzeiten für Kernkraftwerke gewarnt hätten, als Sozialdemokraten und Grüne mit der Energie-Wirtschaft den Ausstieg vereinbart haben, sagte Merkel im Zweiten Deutschen Fernsehen (ZDF).

Angela Merkel in der Sendung "Berlin direkt" mit ZDF-Studioleiterin Bettina SchaustenBild: picture-alliance/dpa

In gut einem Monat will die Regierung ihr Energie-Konzept vorlegen. Dann wird man wissen, welchen Mix aus herkömmlichen und erneuerbaren Energien sich die Koalition aus Konservativen und Liberalen vorstellt. Dafür wurden Gutachten in Auftrag gegeben, mit deren Ergebnissen nächste Woche zu rechnen ist. In der Diskussion sind Laufzeit-Verlängerungen zwischen 4 und 28 Jahren. "Auf dieser Basis und unter Berücksichtigung der Sicherheitsanforderungen und der rechtlichen Gegebenheiten werden wir dann bis Ende September die Entscheidung fällen", kündigte die Kanzlerin an.

Ganzseitige Anzeigen der Atomkraft-Befürworter

Wie sich Führungskräfte aus der Wirtschaft, aber auch aus anderen gesellschaftlichen Bereichen die Sache vorstellen, haben sie mit ganzseitigen Zeitungsanzeigen verdeutlicht. Unter der Überschrift "Mut und Realismus für Deutschlands Energiezukunft" erklären sie die Kernenergie für unverzichtbar.

Kanzlerin Merkel begrüßt die Anzeigen-Initiative, der sich unter anderem Deutsche Bank-Chef Josef Ackermann, der ehemalige SPD-Politiker und Bundeswirtschaftsminister Wolfgang Clement und der Manager der Fußball-Nationalmannschaft, Oliver Bierhoff, angeschlossen haben. Sie finde es gut, dass sich Befürworter längerer Laufzeiten zu Wort meldeten und darauf hinwiesen, dass man nicht sofort ins Zeitalter der erneuerbaren Energien hineingehen könne, sondern sowohl Kernenergie als auch Kohle als Brücken-Technologie bräuchte, sagte Merkel. "Wir werden ja in wenigen Tagen auch wieder Demonstrationen der Kernkraft-Gegner haben", ergänzte die Regierungschefin.

SPD-Chef: Merkel knickt vor Atom-Lobby ein

Attackiert die Kanzlerin: Sigmar GabrielBild: picture alliance / dpa

Der SPD-Vorsitzende und frühere Bundesumweltminister Sigmar Gabriel kritisierte Merkel heftig, weil sie seines Erachtens vor der Atom-Lobby einknickt. Die Energie-Unternehmen müssten für die Kosten aufkommen, die durch die ungeklärte Endlagerung von Atom-Müll entstünden, forderte Gabriel. Dafür würden die 2,3 Milliarden Euro, die durch eine sogenannte Brennelemente-Steuer eingenommen würden, bei weitem nicht ausreichen. Angela Merkel entscheide in diesen Wochen darüber, "ob die Politik in Deutschland käuflich und erpressbar" werde, attackierte Gabriel die Bundeskanzlerin.

Die Vorsitzende der Grünen-Fraktion im Deutschen Bundestag, Renate Künast, fühlt sich von der Kanzlerin "dreist belogen". In den von der Regierung in Auftrag gegebenen Gutachten gehe es darum, die erneuerbaren Energien zugunsten des Atomstroms zurückzudrängen, behauptet Künast. "Finger weg vom Ausstiegsgesetz!", forderte die Grünen-Politikerin. Es gebe keine einzige Begründung dafür, warum Atom-Kraftwerke länger laufen sollten. Grüne und Sozialdemokraten hätten bei ihren Atomkonsens mit der Energie-Wirtschaft dargelegt und vereinbart, wann Atomstrom komplett durch erneuerbare Energien ersetzt werden könnte, sagte Künast. Demnach müsste der letzte Meiler im Jahre 2021 abgeschaltet werden.

Rückendeckung vom Außenminister

Ist sich in der Atom-Frage mit der Kanzlerin einig: Guido WesterwelleBild: AP

Volle Unterstützung für ihren Kurs erhielt die Bundeskanzlerin von Außenminister Guido Westerwelle. Der FDP-Vorsitzende sagte, die Abgabe der Wirtschaft in Höhe von 2,3 Milliarden Euro sei fest vereinbart. Dieses Volumen sei die angemessene Beteiligung der Energie-Wirtschaft an den gesamtgesellschaftlichen Kosten. Auch sei es ein fairer Beschluss der Regierung. "Denn wenn Laufzeiten verlängert werden, gibt es zusätzliche Gewinne, die selbstverständlich zu einem Teil auch abgeschöpft werden können und müssen, verteidigte Westerwelle die Haltung der Bundesregierung.

Autor: Marcel Fürstenau
Redaktion: Kay-Alexander Scholz