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Politik

Atomabkommen mit Iran auf der Kippe

10. Januar 2018

Die Proteste im Iran wurden brutal niedergeschlagen. Darf man jetzt Sanktionen erleichtern, so wie es das Atomabkommen vorsieht? In den nächsten Tagen muss US-Präsident Trump fünf Mal über den Iran-Deal entscheiden.

USA Proteste gegen Atomabkommen mit Iran
Bild: Reuters/M. Segar

Donald Trump und seine Administration haben nie einen Hehl daraus gemacht, was sie vom Iran und dem mit ihm geschlossen Nuklearabkommen halten: Als "schlechtesten Deal aller Zeiten" bezeichnet Trump seit jeher den 2015 abgeschlossenen sogenannten Joint Comprehensive Plan of Action, kurz: JCPOA. Die Regierung Trump hält den Iran für die Quelle allen Übels im Nahen und Mittleren Osten. Das spiegelt sich auch in der im Dezember vorgestellten Nationalen Sicherheitsstrategie der USA: In dem 68 Seiten starken Dokument wird der Iran 17 Mal erwähnt: Als Schurkenstaat, als Unterstützer von Terroristen, als destabilisierendes Element - häufig in einem Atemzug mit Nordkorea. Die Protestwelle im Iran zum Jahreswechsel und erst Recht ihre brutale Niederschlagung hat Trump in seinen Ansichten noch bestärkt. Auf Twitter hatte er offen zum Regimewechsel aufgerufen. 

Europäer halten am Atomdeal fest

Ausgerechnet in dieser aufgeheizten Zeit muss der US-Präsident gleich fünf Mal über Elemente des vom ihm so verhassten Abkommens entscheiden - und damit auch über dessen Zukunft. Wie nervös das die Europäer macht, konnte man am Sonntag im deutschen Fernsehen beobachten. Der deutsche Außenminister Sigmar Gabriel wandte sich da mit Blick auf die USA entschieden dagegen, "den inneriranischen Konflikt außenpolitisch für die eigene Agenda zu missbrauchen".

Für die Europäer ist das JCPOA ein großer Erfolg: Mit diplomatischen Mitteln wurde die Verbreitung atomarer Waffen verhindert. Entsprechend unterstrich ein Sprecher der Europäischen Union gegenüber der DW, die Position der EU zum Atomabkommen habe sich durch die Proteste im Iran nicht geändert: "Es ist wichtig, sich daran zu erinnern, wofür der JCPOA geschaffen wurde, nämlich: die friedliche Nutzung des iranischen Atomprogramms sicherzustellen." Dieses Ziel werde erreicht: "Die IAEA hat das bereits neun Mal bestätigt. Die EU erwartet deshalb, dass alle Partner ihre Verpflichtungen aus dem JCPOA einhalten." Über mögliche künftige Handlungen der US-Regierung und deren Folgen mochte der EU-Sprecher jedoch nicht spekulieren.

IAEA-Direktor Amano hat bereits neun Mal Irans Einhaltung des JCPOA bestätigtBild: Getty Images/A. Wong

Sanktionen im Alleingang

Das aber wäre interessant. Denn zum einen läuft am 13. Januar die Frist für Zertifizierung des Atomabkommens durch das Weiße Haus ab. Alle 90 Tage muss der Präsident dem Kongress gegenüber nicht nur bestätigen, dass der Iran sich an die Vorgaben des JCPOA hält. Er muss auch bestätigen, dass die mit dem JCPOA verbundene Aufhebung von Sanktionen im nationalen Sicherheitsinteresse der USA liegt. Diese Zertifizierung hatte Donald Trump Mitte Oktober erstmals verweigert. Das hatte dem Kongress 60 Tage Zeit gegeben, die nuklear-bezogenen Sanktionen wieder einzusetzen. Das dies nicht passiert ist, hat weniger mit der intensiven Lobbyarbeit der Europäer zu tun. Vielmehr war der Kongress voll beschäftigt  - unter anderem mit der Steuer-Reform. Jetzt wird Trump wahrscheinlich wie schon vor drei Monaten diese Zertifizierung verweigern. Damit wäre erneut der Kongress am Zuge. Und der ist sehr iran-kritisch.

Vor allem aber steht nach den Regeln des Atomabkommens in den nächsten Tagen auch die weitere Aussetzung von vier verschiedenen Sanktionsmechanismen an. Hier könnte der US-Präsident ganz alleine und ohne Umweg über den Kongress Sanktionen wieder einsetzen. Der Sanktionsforscher Sascha Lohmann hält im DW-Interview insbesondere die Sanktionen nach dem National Defense Authorization Act für wichtig: "Das sind die Ölsanktionen, die Ende 2011 verabschiedet und dann Anfang 2013 noch einmal verschärft wurden. Die iranische Regierung konnte daraufhin nicht mehr die Devisen repatriieren, die sie mit ihren Ölverkäufen erwirtschaftet hat."

Die Aussetzung dieser Sanktionen steht für den 11. Januar an. Zuvor müssen nach JCPOA bereits Sanktionen nach dem Iran Threat Reduction and Syria Human Rights Act sowie nach dem Iran Freedom and Counter Proliferation Act weiter ausgesetzt werden. Spätestens am 17. Januar muss Trump schließlich über die weitere Aussetzung der Sanktionen nach dem Iran Sanctions Act befinden.

Auch Deutschlands Außenminister Gabriel hat in Washington für den Iran-Deal geworbenBild: picture-alliance/dpa/G. Fischer

Die Falschen im Iran stärken?

Der zurzeit in Harvard arbeitende Lohmann schätzt die Stimmungslage im Weißen Haus so ein: "Die meisten Beteiligten und wahrscheinlich auch sein Nationaler Sicherheitsberater, sein Verteidigungsminister und andere wissen: Sollten die Sanktionen zurückkommen, besteht die Gefahr, dass man die Diskussion weglenkt von der iranischen Führung und hin auf die Vereinigten Staaten, auf die Trump-Administration." Dies würde eher der iranischen Regierung helfen, so Lohmann, "um von dem wirtschaftlichen Missmanagement abzulenken und hier die Schuld bei den Sanktionen zu suchen". Deutschlands Außenminister Gabriel sieht das ähnlich: "Den Iran in Bausch und Bogen zu verurteilen und damit im Zweifel die Falschen im Iran zu fördern, das kann nicht in unserem Interesse sein", so Gabriel am Sonntag.

Es gibt allerdings auch Möglichkeiten, wie Trump den Iran bestrafen kann, ohne das Atomabkommen zu gefährden und dabei den Konflikt mit den europäischen Alliierten zu riskieren: Die USA könnten gezielt Sanktionen gegen iranische Beamte erlassen, die für die Verhaftung von Demonstranten verantwortlich sind. Möglich sind auch weitere Sanktionen gegen Organisationen, die Irans Raketenprogramm unterstützen. Das US-Finanzministerium hat bereits am 4. Januar fünf weitere Organisationen dafür mit Sanktionen belegt.

Solidarität mit Protestierenden und den Atomdeal retten: die Position der EUBild: Getty Images/AFP/Str

Trotz Atomabkommen verunsicherte Unternehmen

Tatsache ist: Unabhängig davon, ob die USA Teil des Atomabkommens bleiben - der vom Iran davon erhoffte Effekt der Wirtschaftsbelebung ist zumindest zum Teil verpufft. Die enttäuschten Hoffnungen vieler Iraner auf eine Besserung der wirtschaftlichen Lage nach dem Nukleardeal gehören mit zu den Ursachen der Proteste. Zwar ist die wirtschaftliche Misere im Iran zum großen Teil hausgemacht - als Stichworte reichen hier Misswirtschaft und Korruption. Aber die katastrophale Wirtschaftslage hat auch damit zu tun, dass der Iran selbst  nach dem Abschluss des JCPOA weiterhin weitgehend vom internationalen Finanzmarkt ausgeschlossen ist. "Gerade große Banken und große Unternehmen halten sich zurück", so Sascha Lohmann, und dies hat Gründe: "Solange diese US-Sanktions-Architektur weiter besteht, stufen die meisten global agierenden Unternehmen den Iran im rechtlichen Sinne als wirtschaftliches Minenfeld ein."

Als sicher kann gelten: Sollte Donald Trump die weitere Aussetzung der Sanktionen gemäß des Atomabkommens beschließen, wird er dafür Entgegenkommen der Europäer auf anderen Feldern der Iranpolitik erwarten. Der französische Präsident Emmanuel Macron hat dazu schon seine Bereitschaft erklärt. Und auch die Aussage des EU-Sprechers gegenüber der DW signalisiert Kompromissbereitschaft: "Nicht-nukleare Themen inklusive innerer oder regionaler Fragen liegen außerhalb des JCPOA. Wir sind bereit, solche Themen in den entsprechenden Foren und Formaten anzugehen."

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