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Atomausstieg UK?

Emma Wallis1. März 2013

Ein Atomausstieg nach dem Vorbild Deutschlands liegt in Großbritannien noch in weiter Ferne. London setzt weiter auf Kernenergie und hat vor, weitere Atomkraftwerke zu bauen.

Windräder drehen sich Foto: Oliver Berg
Bild: picture-alliance/dpa

Die Erschaffung eines EU-Energiebinnenmarkts bis 2014 war eines der Themen beim Treffen des Energieministerrats kürzlich in Brüssel. Die EU selbst hat bereits eine "Klima-Roadmap 2050" auf den Weg gebracht: bis 2050 soll es im Vergleich zum Jahr 1990 eine Treibhausgasreduktion um 80-95 Prozent geben.

Dennoch unterscheidet sich die Energiepolitik innerhalb der Union gewaltig, vor allem, wenn es um Atomenergie geht.

Die Bundesrepublik hat den Ausstieg aus der Kernenergie beschlossen. Dreizehn EU-Mitgliedsstaaten betreiben weiterhin Atomreaktoren. Nach der Nuklearkatastrophe in Fukushima haben Spanien und die Schweiz den Bau neuer Reaktoren untersagt; Frankreich betreibt etliche Reaktoren im eignen Land, und der französische Energieversorger Electricité de France (EDF) betreibt acht der neun Reaktoren in Großbritannien.

Dort wurde 2012 ein neues Energiegesetz ins Parlament eingebracht: die konservativ-liberale Regierungskoalition glaubt fest an Atomenergie als Teil des künftigen Energie-Mixes - vor allem, da sich die Regierung vorgenommen hat, bis 2030 die Treibhausgase zu reduzieren.

In Großbritannien sind aktuell 16 Atomreaktoren an neun Standorten in Betrieb. Für einige Reaktoren, die bereits seit den 1970er-Jahren am Netz sind, ist eine Laufzeitverlängerung vorgesehen. London plant eher den Aus- als Abbau der Nuklearenergie in Großbritannien. Die Regierung wolle neue Atomkraftwerke in Großbritannien bauen und habe bereits acht mögliche Standorte im Blick, bestätigt ein Sprecher des britischen Ministeriums für Energie und Klimawandel (DECC).

Versteckte Kosten

Das Atomkraftwerk Sellafield ist der älteste Reaktor in Großbritannien, der jetzt vom Netz genommen wirdBild: AP

Pete Roche von der britischen Organisation "Spinwatch" hält ein wachsames Auge auf die PR-Bemühungen der Atomindustrie. Die britische Regierung, so der Experte gegenüber der Deutschen Welle, "glaubt sie braucht Atomenergie, weil in den kommenden Jahren sehr viele kohlebetriebene Kraftwerke schließen werden und das Gas aus der Nordsee immer weniger wird."

Verbrauchern werde im Übrigen nicht die volle Wahrheit über die Kosten der Atomkraft gesagt, meint Roche. "Als das alles anfing, sagte man uns, dass Atomenergie die billigste Möglichkeit sei, kohlestoffarm Strom zu gewinnen", erinnert er sich. Wenn man dann über Kosten rede, gehe es um Garantiepreise von 100 Pfund pro Megawattstunde für die nächsten 40 Jahre - " und das sieht nicht so günstig aus."

Zum Vergleich: Offshore-Windenergie kostet 130 Britische Pfund pro Megawatt; der Preis könnte bis 2030 auf 100 Pfund sinken.

Die Bundesrepublik, so Roche, könnte "den Briten den Weg weisen." In Deutschland plane man, den Energieverbrauch um 20 Prozent zu senken, in Großbritannien dagegen erwarte man einen höheren Energieverbrauch. Wenn man sich Deutschland als Vorbild nähme, "wäre es viel einfacher, eine Strategie für den Ausbau erneuerbarer Energien einzuführen."

RWE

Energiepolitische Entscheidungen der Bundesregierung wirken sich auch auf Entwicklungen in Großbritannien aus, dort allerdings bei privaten Energieanbietern. Das deutsche Unternehmen RWE - in Großbritannien unter dem Namen RWE npower tätig - hat sich an die veränderten wirtschaftlichen Bedingungen anpassen müssen.

"Die Folge des beschleunigten Atomauststiegs in Deutschland hat dazu geführt, dass RWE eine Reihe von Maßnahmen ergriffen hat, unter anderem Ausgliederungen, Kapitalaufstockung, Effizienzoptimierung und einen schlankeren Ausgabenhaushalt," so eine RWE Stellungnahme gegenüber DW.

Als Besitzer und Betreiber des größten Offshore Windparks Großbritanniens, hat das Unternehmen der Deutschen Welle mitgeteilt, dass es unmöglich sei, den gesamten Energiebedarf durch erneuerbare Energie allein zu decken. In einer Stellungnahme vergangenen März betrachtete der damalige Geschäftsführer Volker Becker Kernenergie als einen festen Baustein der Energieversorgung Großbritanniens.

"Wir glauben weiterhin, dass Atomkraft eine wichtige Rolle im zukünftigen Energiemix des Landes spielen wird," so Becker.

RWE steht im Wettbewerb mit dem französischen Unternehmen EDF um den Bau und die Betreibung der britischen Reaktoren. Über Atomkraft hinaus ist RWE auch im Bereich der Low-Carbon Energietechnologien in Großbritannien aktiv.

Über die letzten drei Jahre hat RWE 1,6 Milliarden Pfund (1,86 Milliarden euro) in neue, energieeffiziente gasbetriebene Kraftwerke in Großbritannien investiert. Über den gleichen Zeitraum hat das Unternehmen über 1,2 Milliarden Pfund in erneuerbare Energie investiert.

Mächtige Lobbyinteressen

In der britischen Politik jedoch spielt eine "grüne Zukunft" für Großbritannien im neuen Energiegesetzt keine Rolle. Laut Roche hat Kernenergie nach wie vor Unterstützung über Parteigrenzen hinaus, und er glaubt, dass es nicht mehr als 40 Parlamentarier gebe, die sich gegen Atomkraft aussprächen.

Nach Fukushima beschlossen Japan und Deutschland den AtomausstiegBild: Reuters

Für Roche hat die Regierung in London eine Energiepolitik entworfen, die nicht die Realitäten der Gegenwart spiegelt. Das neue Gesetzt hat seinen Ursprung im Jahr 2003, als Nuklearenergie noch billig und Offshore Windparks teuer und dünn gesät waren.

"Mit der Zeit ist jedoch immer deutlicher geworden, dass Atomenergie eben überhaupt nicht billig ist. Die Reaktoren werden teurer und teurer," so Roche. "Aber irgendwie müssen sie ihr Gesicht wahren und halten an der Politik fest, die sie damals begonnen haben."

Auch habe der Energiesektor eine mächtige Lobby, glaubt Roche. Und neben dem Druck der Industrie haben viele Labour Abgeordnete Arbeiter aus dem Sektor in ihren Wahlkreisen.

Er ist überzeugt, dass Großbritannien weiterhin "auf die guten Sachen, die in Deutschland passieren" ein Auge behalten sollte. Doch derzeit liege der Schwerpunkt der Regierung in London auf "Engergiesicherheit, Kosten und Klimawandel," so Roche.

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