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Politik

Der Konsens der früheren Streithähne

15. Dezember 2016

Ein Hauch von Geschichte weht durch den Bundestag: Union, SPD und Grüne besiegeln die Einigung mit den Energieversorgern über die Kosten der Entsorgung des Atommülls. Doch eine schwierige Frage bleibt offen.

Deutschland Atomkraftwerk Gundremmingen
Bild: Imago/Eibner

Sigmar Gabriel hat einen Sinn für Bilder und Symbolik. Und deshalb erinnert der Wirtschaftsminister und SPD-Vorsitzende an diesem Donnerstag im Bundestag an die kleine rote Sonne auf gelbem Grund, die viele Jahre lang zum Stadtbild in Deutschland und in vielen anderen Ländern gehörte.

Wirtschaftsminister Gabriel: "Die rote Sonne auf gelbem Grund"Bild: picture-alliance/dpa/W. Kumm

Als runder Sticker an Mänteln, als große Fahne, vor allem als Aufkleber auf Autos, auf Häuserwänden: "Atomkraft? Nein danke", stand darauf. "Der Aufkleber mit der lachenden Sonne wurde zum Symbol für eine erfolgreiche Energiepolitik", fasst Gabriel das jetzt zusammen. Denn ohne die Proteste gegen die Kernenergie hätte es die deutsche Energiewende gar nicht gegeben, fügt er hinzu.

Kommission erzielt Einigung

An diesem Donnerstag geht eine große Mehrheit der Abgeordneten des Bundestages einen weiteren Schritt zum endgültigen Ende der Kernenergie in Deutschland. Monatelang hatte eine von der Regierung eingesetzte Kommission mit den vier Atomkonzernen des Landes darüber verhandelt, wer welche Kosten trägt, wenn die Atomkraftwerke bis 2022 stillgelegt und dann abgerissen werden. Und der Atommüll möglichst weit unter der Erde sicher gelagert wird.

Der beliebte Anti-Atomkraft Sticker: "Symbol für eine erfolgreiche Energiepolitik"Bild: picture-alliance/dpa/B. Thissen

Ein Freikauf für 24 Milliarden Euro

Das Ergebnis: Für Stilllegung und Rückbau müssen die Konzerne selbst sorgen. An den Kosten für die Endlagerung müssen sie sich beteiligen, indem sie rund 24 Milliarden Euro in einen Fonds einzahlen. Das wird bei weitem nicht reichen, um Zwischen- und Endlager zu errichten und den strahlenden Abfall dort sicher zu verwahren. Also wird der Steuerzahler kräftig zu Kasse gebeten. Die Kommission etwa schätzt die Gesamtkosten für die Lagerung vorsichtig auf 48 Milliarden Euro, andere Schätzungen gehen erheblich weiter.

Auch die Grünen stimmen zu

Aber selbst die Grünen, die vor gut 35 Jahren auch als Protestpartei gegen die Kernenergie entstanden, stimmen der Einigung zu: "Konsens braucht Rechtsfrieden. Diese Formel hat sich in der Debatte im Parlament durchgesetzt", sagt dazu Sylvia Kotting-Uhl, Atomexpertin der Grünen. 

Tatsächlich hat diese Debatte Momente, die man sich vor wenigen Jahren in Deutschland kaum hätte vorstellen können: Erbittert haben CDU und CSU als Befürworter und SPD und Grüne als Gegner um die Atomkraft gerungen, im Parlament und auf der Straße. Jetzt sagt Michael Fuchs von der CDU, lange ein Anhänger der Kernenergie: "Wir haben nicht mehr die Schlachten der Vergangenheit geschlagen, sondern konstruktiv  zusammengearbeitet."

Dagegen: Die Linken

Einzig die Linken stimmen nicht ein in den Konsens: Mit der nun geplanten Regelung "kaufen sich die Konzerne von ihrer Verantwortung frei", sagt etwa Parteichef Bernd Riexinger. Im Gegenzug gehe "das Haftungsrisiko an die Steuerzahler über".

Mit der Einigung hatten die Konzerne die meisten der zahlreichen Klagen gegen den Atomausstieg zurückgezogen. Übrig sind jetzt noch eine Klage gegen die Brennelementesteuer, die die Konzerne seit 2011 errichten müssen, und eine Klage des Vattenfall-Konzerns vor einem Schiedsgericht in den USA. "Setzen Sie sich dafür ein, dass auch diese Klagen jetzt fallen gelassen werden", forderte Kotting-Uhl am Donnerstag von der Regierung.

"Alle Klagen fallen lassen": Sylvia Kotting-Uhl, GrüneBild: picture-alliance/dpa/Bernd von Jutrczenka

Ausstieg endgültig besiegelt

Vor wenigen Tagen hatte das Bundesverfassungsgericht im Zusammenhang mit dem Atomausstieg ein wichtiges Urteil gefällt: Der Ausstieg aus der Kernenergie, 2011 von Bundeskanzlerin Merkel nach der Atomkatastrophe in Japan durchgesetzt, war rechtlich in Ordnung. Den Konzernen stehen aber Entschädigungen zu, wenn auch in wesentlich geringerem Umfang, als von den wirtschaftlich schwer gebeutelten Unternehmen erhofft. Experten schätzen, dass die Konzerne etwa zwei Milliarden Euro für die frühzeitige Stilllegung zweier Atomkraftwerke bekommen können. Erhofft hatten sie sich rund 20 Milliarden Euro.

Wohin kommt das Endlager? Und wann?

Trotz der großen Einigkeit wird eine Frage rund um das Erbe der Kernenergie die Deutschen weiterhin stark beschäftigen: Wo baut der Staat das zentrale Endlager, das einmal den strahlenden Müll aller deutschen Kernkraftwerke aufnehmen soll? Fest steht: Es wird ein unterirdisches Lager sein, mehrere Standorte sollen auf ihre Eignung überprüft werden. Und es wird Milliarden verschlingen, die der Staat aufbringen muss. Aber am Kern des Atomausstiegs rüttelt in Deutschland kaum noch jemand: Acht Atomreaktoren liefern in Deutschland derzeit noch Strom, bis 2022 sollen auch sie abgeschaltet werden.