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KonflikteIran

Atomverhandlungen mit dem Iran: Was ist zu erwarten?

24. Juli 2025

Am Freitag dieser Woche verhandeln Deutschland, Frankreich und Großbritannien in Istanbul mit dem Iran über die Zukunft von dessen Atomprogramm. Für den Iran steht einiges auf dem Spiel.

Satellitenfoto der Nukleareinrichtungen von Isfahan nach dem israelischen Angriff am 21.6.2025
Satellitenfoto der Nukleareinrichtungen von Isfahan nach dem israelischen Angriff am 21.6.2025Bild: IDF/GPO/SIPA/picture alliance

Der Einsatz ist hoch, wenn sich am Freitag Vertreter Deutschlands, Frankreichs und Großbritanniens auf der einen und des Iran auf der anderen Seite in Istanbul treffen, um über die Zukunft des iranischen Atomprogramms zu verhandeln. Scheitern die Gespräche, droht dem Iran eine erneute Welle von Sanktionen.

Dabei ist derzeit offen, wie es nach den Angriffen Israels und der USA auf iranische Atomanlagen im Juni um den technischen Stand des Atomprogramms steht. Unsicher ist, ob das Land derzeit überhaupt in der Lage ist, das Programm fortzuführen.

Die wenigen verfügbaren Daten scheinen die Behauptung von US-Präsident Donald Trump, die iranischen Atomanlagen und das iranische Atomprogramm seien "ausgelöscht", nicht zu stützen, sagt der Iran-Experte Hamidreza Azizi von der Berliner Stiftung Wissenschaft und Politik. Aus seiner Sicht dürfte der Iran weiterhin fähig sein, sein Anreicherungsprogramm kurz- bis mittelfristig in gewissem Umfang wiederaufzunehmen. Auch verfüge das Land offenbar noch über einen Großteil des in den letzten Jahren gewonnenen hochangereicherten Urans.

Wie weit ist Irans Anreicherungstechnik?

"Insgesamt wurde dem Iran die Fähigkeit zur Urananreicherung nicht genommen", so Azizi zur DW. "Allerdings gibt es bisher keine Anzeichen dafür, dass der Iran aktiv Schritte zur Wiederaufnahme seines Programms unternommen hat. Ein solcher Schritt wäre jedoch eher eine Frage politischer und militärischer Erwägungen als die der technischen Möglichkeiten."

Zu einer etwas anderen Einschätzung kommt Michael Brzoska, Politologe am Institut für Friedensforschung und Sicherheitspolitik an der Universität Hamburg. Aus seiner Sicht dürfte es für den Iran technisch sehr viel schwieriger geworden sein, das weiterhin vorhandene angereicherte Uran auf eine atomwaffenfähige Stufe anzureichern.

So dürften bereits die für die Anreicherung nötigen Zentrifugen einen so großen Schaden genommen haben, dass sie sich nicht mehr nutzen ließen", so Brzoska zur DW. "Zwar ist nicht auszuschließen, dass es an weiteren Orten versteckte Zentrifugen geben könne, doch derzeit gibt es dazu keine Informationen." 

Bestimmt den nuklearen Kurs des Iran: der geistliche Führer des Landes, Ayatollah Ali Chamenei, hier bei seinem ersten öffentlichen Auftritt seit dem Krieg mit Israel am 6.7.2025Bild: Iranian Leader Press Off./Anadolu Agency/IMAGO

Ambivalente Signale aus Teheran

Um dennoch einen gewissen Druck auf den Iran auszuüben, hatten sich Deutschland, Frankreich und Großbritannien Mitte Juli dieses Jahres mit den USA darauf verständigt, dem Iran eine Frist für das Erreichen eines Atomabkommens zu setzen. Diese läuft Ende August aus. Sollte bis Ende August keine Einigung erreicht werden, planen die europäischen Partner, frühere UN-Sanktionen gegen Teheran automatisch wiedereinzusetzen.

Es sei durchaus denkbar, dass die iranische Führung derzeit über ihre bisherige Strategie nachdenke, sagt Michael Brzoska. Der Iran habe immer abgestritten, dass er das Atomprogramm militärisch nutzen wolle. "Aber sein Verhalten, insbesondere die hochgradige Anreicherung von Uran, hat ihn faktisch dieser Möglichkeit immer näher gebracht. Und damit entsprechende Befürchtungen bei anderen Staaten genährt."

Nun habe sich herausgestellt, dass dieses Programm seine Schwächen habe, so Brzoska weiter. "Denn Israel und die USA haben sich bei ihren Angriffen ja so verhalten, als verfüge der Iran tatsächlich absehbar über eine Atombombe. Insofern scheint mir, dass der Iran jetzt doch wieder bereit ist, über eine begrenzte Anreicherung seines nuklearen Materials zu verhandeln."

Derzeit sende Iran widersprüchliche Signale aus, sagt Hamidreza Azizi. Einerseits erklärten iranische Regierungsvertreter, darunter der Präsident und der Außenminister, der Iran sei weiterhin für diplomatische Kontakte offen. Andererseits gebe es keine Anzeichen dafür, dass das Land bereit wäre, seine Positionen in anderen umstrittenen Fragen, wie die der inländischen Urananreicherung oder seiner Unterstützung nichtstaatlicher Akteure in der Region, aufzuweichen.

"All diese Entwicklungen lassen darauf schließen, dass der Iran weiterhin improvisiert, anstatt eine kohärente neue Strategie umzusetzen. Die Strategie scheint für den Iran darin zu bestehen, Zeit zu gewinnen und eine erneute Eskalation zu vermeiden, bis er eine Lösung für die verschiedenen Probleme gefunden hat", so Azizi.

Ein Satellitenbild zeigt Krater an Irans Atomanlage Fordo nach der Bombardierung durch die USA am 24.6.2025Bild: Maxar Technologies/AFP

Druckmittel im Atomabkommen: der Snapback-Mechanismus

Viel Zeit dürfte der Iran wegen der von Deutschland, Frankreich, Großbritannien und den USA gemeinsam gesetzten Frist bis Ende August aber nicht haben. Denn dann droht eine Rückkehr sämtlicher UN-Sanktionen, die im Jahr 2016 im Rahmen des sogenannten Joint Comprehensive Plan of Action (JCPOA), bekannt als Atomabkommen, aufgehoben wurden.

Denn das Abkommen enthält einen "Snapback" genannten Mechanismus, der jeden einzelnen der damaligen Vertragsstaaten - die USA, Großbritannien, Frankreich, China, Russland, Deutschland sowie die EU - dazu berechtigt, ein Verfahren einzuleiten, das nach 30 Tagen automatisch zur Wiedereinführung aller UN-Sanktionen gegen den Iran führt. 

Diese umfassen unter anderem Reiseverbote, Vermögenssperren, Exportverbote für bestimmte Güter und Dienstleistungen, sowie Einschränkungen im Bankenverkehr. Entscheidend dabei ist: Gegen diesen Mechanismus kann keiner der Vertragspartner ein Veto einlegen.

Da die USA unter der ersten Trump-Regierung im Jahr 2018 aus dem Abkommen ausstiegen, können sie diesen Mechanismus zwar nicht beantragen. Die Gespräche von Mitte Juli zeigen aber, dass sich die drei europäischen Staaten eng mit Washington abgestimmt haben. Zudem haben die USA eigene Sanktionen gegen den Iran erlassen. Diese richten sich nicht nur gegen einzelne Wirtschaftszweige wie etwa Ölexporte und Bankgeschäfte, sondern sehen auch Sanktionen gegen Drittstaaten und Unternehmen vor, die mit dem Iran Geschäfte machen.

Langwierige Verhandlungen: Gruppenfoto der Außenminister nach Einigung bei den Atomgesprächen mit dem Iran in Wien 2015Bild: Herbert Neubauer/APA/picturedesk.com/picture alliance

Gemeinsames Interesse an Einigung bei Atomgesprächen

Insofern sei das Verhandlungsergebnis der nun anstehenden Gespräche für den Iran von erheblicher Bedeutung, sagt Michael Brzoska. "Zwar dürften die von den USA verhängten Sanktionen letztlich aus iranischer Perspektive wohl wichtiger sein. Doch der Snapback-Mechanismus dürfte eine ganze Reihe Staaten dazu veranlassen, wirtschaftliche Beschränkungen gegenüber dem Iran zu verhängen."

Diese Beschränkungen betreffen etwa den Ölexport, aber auch den Transfer so genannter Dual-Use-Technologien, also Technik, die auch für militärische Zwecke nutzbar ist. "Darum dürfte der Iran darauf hinarbeiten, dass die Europäer diesen Mechanismus nicht wieder beantragen", so Brzoska. "Der Iran dürfte großes Interesse daran haben, mit den Europäern eine gemeinsame Basis zu finden."

Jenseits des möglichen Verzichts auf die Aktivierung des Snapback-Abkommens hätten die drei europäischen Staaten allerdings keine Anreize für den Iran im Gepäck, sagt Hamidreza Azizi. Das könnte eine Einigung erschweren, so der Politologe.

"Zu erwarten ist daher am ehesten, dass sich beide Seiten auf eine Verlängerung der Frist für die Auslösung des Snapback-Mechanismus einigen, um mehr Zeit für diplomatische Verhandlungen und eine mögliche diplomatische Lösung zu schaffen. Geschieht dies nicht, besteht insbesondere angesichts des sehr engen Zeitfensters bis Ende August, wenig Grund, eine umfassende oder robuste Einigung zu erwarten."

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Kersten Knipp Politikredakteur mit Schwerpunkt Naher Osten und Nordafrika