1. Zum Inhalt springen
  2. Zur Hauptnavigation springen
  3. Zu weiteren Angeboten der DW springen

Atomwaffen in Südasien

Thomas Bärthlein 11. Mai 2003

Am 11. Mai 1998 zündete Indien eine Atombombe - Pakistan antwortete mit eigenen Tests. Dass beide Länder Atomwaffen besaßen, war nicht überraschend. Mit den Tests wurde es offiziell. Wo steht Südasien fünf Jahre danach?

Mai 1998: Nach dem Bombentest in der indischen Thar-WüsteBild: AP

"Der Geist aus der atomaren Flasche, der mindestens etwas gebannt schien durch Abkommen, scheint wieder zu entweichen. Eine nicht gute Nachricht für die Welt." Fast schon poetische Worte fand der damalige deutsche Außenminister Klaus Kinkel im Mai 1998 nach den indischen und pakistanischen Atomtests. Worte, die wohl auch ein wenig die Ratlosigkeit der internationalen Diplomatie verschleiern sollten. Sanktionen wurden verhängt, um Indien und Pakistan zur Aufgabe ihres nuklearen Potenzials zu bewegen. Doch nach dem 11. September 2001 fielen die letzten dieser Sanktionen aus politischen Gründen - ohne etwas bewirkt zu haben: Indien und Pakistan sperren sich nach wie vor gegen multilaterale Kontrollmechanismen für ihre Nuklear-Arsenale. Obwohl sie ein selbst auferlegtes Moratorium einhalten und keine weiteren Testexplosionen durchführen, weigern sich beide beharrlich, dem internationalen Teststopp-Abkommen (CTBT) und dem Nichtweiterverbreitungs-Vertrag (NPT) beizutreten.

Hektische Diplomatie

Im Gegenteil: Immer wieder schien - vor allem im vergangenen Jahr - sogar die reale Möglichkeit zu bestehen, dass die Atomwaffen zum Einsatz kämen. Ein Krieg zwischen Indien und Pakistan, ausgelöst durch den ständig schwelenden Streit um die Region Kaschmir, könnte zum nuklearen Schlagabtausch eskalieren. Mit hektischer Diplomatie versuchten Amerikaner und Europäer 2002, eine solche Katastrophe zu verhindern.

In Südasien selbst reagierten die Menschen gelassener. 1999, ein Jahr nach den Atomtests, war es in Kaschmir bereits einmal zu zumindest kriegsähnlichen Gefechten gekommen, als pakistanische Truppen in der Kargil-Region die Demarkationslinie überschritten hatten. Damals gelang es, die Kämpfe unter Kontrolle zu halten. Eine Eskalation wurde vermieden. Inzwischen halten die meisten internationalen Experten die Atomwaffen im Zweifel sogar eher für einen stabilisierenden Faktor in der Region.

Exklusiver Club der Atommächte

"Selbst der indische Präsident hat in seiner Antrittsrede gesagt, dass eigentlich die Atomwaffen verhindert haben, dass die Spannungen in Kaschmir eskaliert sind. Insofern hat der indische Präsident zugegeben, dass letztlich die Abschreckung der pakistanischen Nuklearwaffen funktioniert", sagt Karsten Frey, Politikwissenschaftler am Heidelberger Südasien-Institut. Und auch sein Kollege Mohammed Alam hält einen Atomkrieg für unwahrscheinlich, weil sich beide Seiten rational verhielten. Die indische Nuklear-Doktrin schließt einen Ersteinsatz von Atomwaffen bisher wenigstens aus. Unter diesen Umständen dürften sich nur die konventionell unterlegenen Pakistanis in einer Extremsituation für die nukleare Option entscheiden, meint Alam.

Von Anfang an waren die Atomwaffen mehr politische Instrumente als eine realistische militärische Option: Beide Seiten erhofften sich einen stärkeren internationalen Status durch die Mitgliedschaft im exklusiven Klub der Atommächte - bislang hat sich das allerdings nicht bestätigt. Dann versuchte Indien nach dem 11. September, durch Kriegsdrohungen internationalen Druck auf Pakistan zu erzeugen. Und schließlich haben die Vereinigten Staaten ihren Kurs in Sachen Verbreitung von Massenvernichtungswaffen deutlich verschärft. Zur Zeit des Afghanistan-Kriegs gab es immer wieder Berichte, dass die USA Pläne entwickelt hätten, die pakistanischen Atomwaffen notfalls unter ihre Kontrolle zu bringen.

Angebot einer atomwaffenfreien Zone

Anfang Mai bot Pakistans Präsident Pervez Musharraf nun an, eine atomwaffenfreie Zone in Südasien zu schaffen. Indien hat diese Initiative allerdings postwendend zurückgewiesen. Die indischen Atomwaffen seien schließlich nicht nur gegen Pakistan gerichtet, erklärte Premierminister Atal Behari Vajpayee. Schon kurz nach den Tests 1998 hatte Indien seinen Atomwaffenbesitz mit der Bedrohung durch China gerechtfertigt.

Selbst wenn die Nuklearwaffen also eine gewisse Abschreckungsfunktion erfüllen mögen, wirkliche Sicherheit wird auf dem Subkontinent erst durch gegenseitiges Vertrauen entstehen. Ausgerechnet jetzt ist die Atmosphäre so gut wie lange nicht: Indien und Pakistan bewegen sich wieder aufeinander zu und streben neben einer Wiederaufnahme normaler diplomatischer Beziehungen auch - wenigstens verbal - eine friedliche Lösung ihrer Konflikte an. Nicht das schlechteste Zeichen zum fünften Jahrestag der Atomtests.

Den nächsten Abschnitt Mehr zum Thema überspringen
Den nächsten Abschnitt Top-Thema überspringen

Top-Thema

Den nächsten Abschnitt Weitere Themen überspringen