Außenminister Maas besucht Libyen
27. Oktober 2019In dem Küstenort Suara westlich der umkämpften Hauptstadt Tripolis wollte der Bundesaußenminister Heiko Maas Ministerpräsident Fajis al-Sarradsch treffen, der die international anerkannte Regierung führt. Bei dem kurzen Besuch in dem nordafrikanischen Libyen war auch der UN-Sondergesandte der Vereinten Nationen für das Land, Ghassan Salamé, dabei.
Kurz vor seiner Abreise wurde am Flughafen der Küstenstadt Suara ein Interview mit Journalisten von den mitgereisten Sicherheitskräften abrupt abgebrochen. Es war ein Flugzeug gesichtet worden, dass zunächst den Rebellen um den mächtigen General Chalifa Haftar zugeordnet wurde. Maas und seine gesamte Delegation mussten für wenige Minuten in die gepanzerten Fahrzeuge zurück. Der Alarm stellte sich dann aber als falsch heraus. Es sei nur ein Gerücht von Milizen gewesen, hieß es.
Aus Sicherheitsgründen wurde das Treffen von Maas mit Sarradsch nicht vorher angekündigt. Aufgrund der Kämpfe um Tripolis gerät auch der einzig verbliebene Flughafen der Hauptstadt immer wieder unter Beschuss. Zuletzt war mit Sigmar Gabriel im Juni vor zwei Jahren ein deutscher Außenminister in Libyen zu Besuch gewesen. Deutschland hat sich diplomatisch offiziell in dem seit Jahren andauernden Konflikt bislang zurückgehalten, gehört aber zu den international wichtigsten Geldgebern.
Unmittelbar vor der Reise kam es kurz vor der libyschen Küste bei Suara zu einem Zwischenfall mit dem deutschen Rettungsschiff "Alan Kurdi". Das Schiff sei bei der Rettung von Migranten im Mittelmeer massiv von drei libyschen Schiffen bedrängt worden, sagte ein Sprecher der Hilfsorganisation Sea-Eye. Maskierte hätten Warnschüsse in die Luft und ins Wasser abgegeben. Viele Migranten seien in Panik ins Wasser gesprungen. 91 Personen seien gerettet worden, ein Mann gelte als vermisst. Die libyschen Boote hätten "keine Bootskennung" gehabt und mit ihrem Bordgeschütz gedroht. Sie hätten die "Alan Kurdi" eingekreist, so dass das Schiff zeitweise nicht mehr manövrierfähig gewesen sei. Die libysche Küstenwache wies die Anschuldigungen zurück.
Der Vorfall ereignete sich laut Sea Eye vor der Küste von Suara. "Es ist bemerkenswert, dass der deutsche Außenminister genau in der Stadt ist, von der die aggressiven Küstenwächter gesendet worden sind", sagte Sea-Eye-Sprecher Gorden Isler der dpa weiter. "Wir würden uns wünschen, dass unser Außenminister nicht nur mit den Leuten redet, die uns bedrohen, sondern auch mit uns." Es gebe Anzeichen, dass es zwischen Küstenwächtern, Milizen und Menschenhändlern "große personelle Überschneidungen" gebe.
Die EU unterstützt die libysche Küstenwache darin, Migranten, die über das Mittelmeer nach Europa wollen, zurück in das Bürgerkriegsland zu bringen. Die Vereinbarung ist hoch umstritten, weil den Menschen in Libyen schwerste Misshandlungen und Folter drohen.
Deutschland plant Konferenz
Seit dem mit westlicher Hilfe erfolgten Sturz des Langzeitmachthabers Muammar al-Gaddafi im Jahr 2011 herrscht Chaos in dem Wüstenstaat. Zahlreiche Milizen kämpfen um Einfluss in dem ölreichen Land. Diplomatische Versuche, zwischen der Regierung in Tripolis und dem Parlament im ostlibyschen Tobruk zu vermitteln, scheiterten bislang. Deutschland will eine internationale Konferenz auf die Beine stellen. Drei Vorbereitungstreffen haben bereits stattgefunden.
Libyen zählt zu den wichtigsten Transitländern für Flüchtlinge auf dem Weg nach Europa. In diesem Jahr versuchten nach Angaben der Internationalen Organisation für Migration (IOM) bislang knapp 20.000 Menschen, über die zentrale Mittelmeerroute nach Italien oder Malta zu gelangen. Nach Schätzungen der IOM halten sich zwischen 700.000 und einer Million Flüchtlinge in Libyen auf.
Hinzu kommen noch einmal mehr als 300.000 Libyer, die aufgrund der Kämpfe vertrieben wurden und innerhalb des Landes auf der Flucht sind. Eine Offensive des mächtigen Generals Chalifa Haftar im April auf die Hauptstadt Tripolis hatte die Lage in dem Bürgerkriegsland noch einmal dramatisch verschärft. Der seit Monaten andauernde Kampf zeigt, wie festgefahren der Konflikt ist - und dass keine der beiden Seiten derzeit in der Lage ist, die andere militärisch zu besiegen.
sth/ml (dpa, afp)