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Wie handlungsfähig ist Deutschland jetzt außenpolitisch?

7. November 2024

Die deutsche Regierung ist auch an der Frage der Unterstützung für die Ukraine zerbrochen. Die Opposition von CDU und CSU könnte aber für Kontinuität sorgen.

Bundespräsident steht am Rednerpult, neben ihm der Kanzler und der Finanzminister
Bundespräsident Frank-Walter Steinmeier (M.) entlässt Finanzminister Christian Lindner (r.) auf Initiative von Bundeskanzler Olaf Scholz - die Regierungsgeschäfte gehen jetzt ohne die FDP weiterBild: Kay Nietfeld/dpa/picture alliance

Die "Ampel"-Regierung aus Sozialdemokraten, Grünen und Liberalen bricht ausgerechnet am Tag nach der Wahl von Donald Trump auseinander, an einem Tag großer internationaler Unsicherheit, wie es unter einem US-Präsidenten Trump weitergehen wird.

Zufall ist das nicht. SPD-Bundeskanzler Olaf Scholz hat Finanzminister Christian Lindner von der FDP wegen unvereinbarer Positionen in Haushalts- und Wirtschaftsfragen entlassen. Der Streit hat eine starke außenpolitische Dimension, die direkt mit der US-Präsidentschaftswahl zu tun hat.

Konkret ging es vor allem darum, dass Scholz weitere Schulden zur Unterstützung der Ukraine aufnehmen will, weil er damit rechnet, dass Trump als Präsident die amerikanischen Ukraine-Hilfen stark zurückfahren oder ganz stoppen wird. Scholz will eine Notlage ausrufen, um die in der deutschen Verfassung verankerte Schuldenbremse lösen zu können. Dabei wollte Lindner nicht mitmachen.

Großer Konsens in der Außenpolitik

Vizekanzler Robert Habeck und Außenministerin Annalena Baerbock, beide Grüne, bedauerten daher das Scheitern der Ampel gerade vor dem Hintergrund des Wahlsieges von Donald Trump und der Situation in der Ukraine. Es wäre nötig gewesen, für die Ukraine mehr Unterstützung zu mobilisieren, sagte Baerbock am Mittwochabend. "Die Investitionen in die Ukraine, die weiteren zusätzlichen Milliarden, die es dafür gebraucht hätte, sie wären eben auch Investitionen in unsere eigene Sicherheit gewesen."

Außenministerin Annalena Baerbock - hier im Mai 2024 mit dem ukrainischen Präsidenten Wolodymyr Selenskyj in Kiew - hofft, dass die deutsche Unterstützung der Ukraine trotz Ampel-Aus noch verstärkt wirdBild: Ukrainian Presidential Press Service/Handout/REUTERS

Zunächst wird der Bundeskanzler zusammen mit den Grünen, aber ohne die FDP weiterregieren. Im Januar will er die Vertrauensfrage stellen. Bis spätestens März wird es in Deutschland voraussichtlich vorgezogene Neuwahlen geben. Das heißt, es könnte ein halbes Jahr dauern, bis Deutschland eine neue, handlungsfähige Regierung hat.

Das dauert der CDU viel zu lange. Deren Außenpolitiker Johann Wadephul schreibt der DW: "Wir fordern den Bundeskanzler auf, in der kommenden Woche die Vertrauensfrage im Bundestag zu stellen und somit Neuwahlen herbeizuführen. Es ist seine letzte Chance, Verantwortlichkeit für Deutschland zu zeigen. Wir können uns keine Handlungsunfähigkeit erlauben."

Der CDU-Politiker Johann Wadephul verlangt Klarheit, wie es weitergeht nach dem Ende der AmpelBild: imago images/Political-Moments

Bis dahin muss sich Scholz Mehrheiten in der Außenpolitik von Fall zu Fall im Bundestag zusammensuchen. Das gilt auch für die weitere Ukraine-Unterstützung. "Da kommt es jetzt stark auf die CDU/CSU-Opposition an", sagt Henning Hoff von der Deutschen Gesellschaft für Auswärtige Politik der DW. "Ich denke, dass es mithilfe dieser Stimmen schon möglich sein sollte, ein Signal zu setzen und die deutsche Ukraine-Hilfe zu erhöhen."

Auch bei anderen großen internationalen Problemen wie dem Nahost-Konflikt sieht Hoff keine großen Unterschiede zur CDU/CSU. "Das zeugt von dem großen Konsens, den wir in außenpolitischen Fragen in Deutschland haben. Auch das ist ein stabilisierender Faktor jetzt in dieser Krisenzeit."

Viele Krisen gleichzeitig

Die internationale Situation scheint so turbulent wie schon lange nicht mehr: In den USA ist ein unberechenbarer Donald Trump gewählt worden, der aber erst im Januar sein Amt antreten wird. In Deutschland, der drittgrößten Volkswirtschaft der Welt und dem wichtigsten Land in der EU, ist die Regierung auseinandergebrochen. In Frankreich, Deutschlands engstem Partner, ist Präsident Emmanuel Macron innenpolitisch stark geschwächt, das Land extrem polarisiert. Das alles vor dem Hintergrund des Ukraine-Krieges, des Nahost-Konflikts, eines aggressiven Chinas.

Die Wahl von Donald Trump zum US-Präsidenten sorgt weiter für große Unsicherheit in BerlinBild: JIM WATSON/AFP/Getty Images

"Die Lage ist schon sehr ernst. Da sollten wir uns nichts vormachen", fordert Henning Hoff. "Andererseits gibt es jetzt ein Fenster für die Europäer, in dem sie noch handeln und schon konkrete Maßnahmen ergreifen können, wie sie sich gegenüber der Trump-Regierung positionieren wollen. Dazu gehört ein deutliches Signal, dass Europa bereit ist, mehr zu tun für die Ukraine, aber auch für die eigene Verteidigung."

Daran könne auch die Regierung Scholz, die nur noch eine Regierung auf Abruf sei, mitwirken, "weil sie sicher sein kann, dass die CDU/CSU, die ja nach den Umfragen als wahrscheinlicher Wahlsieger gilt, das mittragen wird."

CDU-Kooperation mit Bedingung

Der Bruch der Berliner Ampelkoalition hat auch in Europa Sorge über eine politische Lähmung der EU ausgelöst. "Europa ist nicht stark ohne ein starkes Deutschland", sagte EU-Parlamentspräsidentin Roberta Metsola vor einem EU-Gipfeltreffen. Der finnische Regierungschef Petteri Orpo nannte schnelle Neuwahlen in Deutschland "sehr wichtig". Ohne ein starkes Deutschland könne die EU wichtige Entscheidungen nicht treffen.

NATO-Generalsekretär Mark Rutte gibt sich dagegen unbesorgt. Deutschland könne weiterhin seine Verpflichtungen in der Verteidigungs- und Außenpolitik erfüllen, sagte Rutte. Der Bundeskanzler werde "in den kommenden Monaten dafür sorgen, dass Deutschland seine Rolle auf der Weltbühne wahrnimmt".

Eine monatelange Hängepartei kann sich Deutschland in dieser Situation jedenfalls nicht leisten, betont CDU-Außenpolitiker Wadephul: "Deutschland braucht so schnell wie möglich eine stabile Regierung. Wir sind deshalb zu Gesprächen über ein partielles Zusammenwirken im Parlament erst dann bereit, wenn Scholz die Vertrauensfrage gestellt hat."

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