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Außer in Rumänien breite Ablehnung

21. August 2002

- Haltung südosteuropäischer Staaten zu bilateralen Abkommen mit USA über Nicht-Auslieferung an Internationalen Strafgerichtshof

Köln, 21.8.2002, DW-radio

Die Diskussionen um Immunität für US-Amerikaner vor dem Internationalen Strafgerichtshof gehen weiter: In den vergangenen Wochen ist die US-Regierung an zahlreiche - vor allem europäische - Staaten mit dem Vorschlag bilateraler Abkommen herangetreten. Darin sollen beide Seiten garantieren, dass sie Bürger des anderen Landes keinesfalls nach Den Haag ausliefern. Ein derartiges Abkommen hat - neben Israel - bisher nur Rumänien unterschrieben. Daraufhin hat die EU-Kommission alle anderen Beitrittskandidaten aufgerufen, Washington eine Absage zu erteilen, bis sich die bisherigen Mitgliedsländer auf eine gemeinsame Linie geeinigt haben. Die Haltung der südosteuropäischen Regierungen in dieser Frage fasst Klaus Dahmann zusammen.

Trotz aller Kritik aus Brüssel über das frühe "Ja" Rumäniens zum Abkommen mit den USA hält Präsident Ion Iliescu an der Entscheidung fest. Es sei eine Notwendigkeit und gleichzeitig eine gute Gelegenheit für sein Land gewesen, sagte er am Mittwoch (21.8.). Nach einem Besuch der US-Senatoren John McCain und Fred Thompson in Bukarest hatte Iliescu Anfang dieser Woche die rumänisch-amerikanischen Beziehungen gelobt, "wir schenken der strategischen Partnerschaft mit den Vereinigten Staaten besondere Beachtung. Wir stehen vor einem wichtigen politischen Ereignis, der NATO-Erweiterung. Die Erfahrung der letzten acht Jahre der Zusammenarbeit im Rahmen des Programms 'Partnerschaft für Frieden' war für uns ein Gewinn, sowohl für die Reform der Streitkräfte als auch für unsere Bindung an die NATO-Mitgliedstaaten. Für das rumänische Volk wird die Entscheidung in Prag von großer politischer und psychologischer Bedeutung sein. In den Senatoren McCain und Thompson haben wir ehrliche Freunde und überzeugte Unterstützer der NATO-Erweiterung allgemein und des NATO-Beitritts Rumäniens gefunden."

Aus diesen Äußerungen spricht eine Befürchtung, die Rumänien mit anderen NATO-Anwärterstaaten teilt: Die USA hatten offenbar gedroht, weitere militärische Hilfe von der Unterzeichnung des Abkommens über die Nicht-Auslieferung an den Haager Strafgerichtshof abhängig machen zu wollen. Eine Streichung der militärischen Hilfe, so die Angst, könnte dann wohl auch bedeuten, dass Washington den im November zu entscheidenden NATO-Beitritt im Falle nicht-unterzeichnungswilliger Staaten blockiert.

Der jüngste Besuch der beiden US-Senatoren in Bukarest hatte eine klare Botschaft: Washington unterstützt alle, die das Nicht-Auslieferungs-Abkommen unterzeichnen. Senator John McCain sagte, "wir unterstützen voll den NATO-Beitritt Rumäniens. Wir glauben zudem, dass sich unsere Handels- und Investitionsaktivitäten verbessern müssen." Und er fügte hinzu, "ich glaube, dass die rumänische Regierung ihren Mut und ihre Freundschaft mit den Vereinigten Staaten bewiesen hat." McCain äußerte sich zuversichtlich, dass auch andere Staaten dem Beispiel Rumäniens folgen.

Danach sieht es jedoch vorerst nicht aus: In Bulgarien hat die Anfrage aus Washington, wie gut informierte Kreise berichten, offenbar zu Spannungen geführt. Die Regierung werde dem Appell der EU-Kommission folgen, sagte die bulgarische Europa-Ministerin Meglena Kunewa, die das Thema bereits mit der dänischen EU-Präsidentschaft in Kopenhagen erörtert hat, "wir versuchen einfach, die gemeinsame EU-Position abzuwarten und an der gemeinsamen Vision anzuknüpfen. Wir werden unsere Position mit der EU abstimmen."

Jugoslawiens Präsident Vojislav Kostunica hat sich zur Anfrage aus Washington bereits negativ geäußert. Seiner Ansicht nach würde die Unterzeichnung eines solchen Abkommens die internationale Rechtsordnung untergraben. Jugoslawien hat jedoch noch keine offizielle Ablehnung ausgesprochen. Auch Serbiens Premier Zoran Djindjic betonte, man wolle sich zunächst mit der EU beraten, "Tatsache ist, dass alle europäischen Staaten diesen Internationalen Strafgerichtshof anerkannt haben. Und jetzt ist die Frage, wo wir unseren Platz sehen: unter den Staaten, die denken, dass für bestimmte Straftaten gegen die Menschlichkeit und Völkermord ein internationales Tribunal zuständig ist - oder nicht."

Auch aus Kroatien kommen ablehnende Stimmen. Dennoch will die Regierung in Zagreb die Anfrage Washingtons zunächst mit der EU besprechen, bevor sie eine endgültige Entscheidung fällt. Außenamts-Sprecher Zarko Plevnik über die besondere Situation seines Landes in dieser Frage: "Wir stehen vor einer schwierigen Entscheidung, denn Kroatien hat eine Verpflichtung mehr als andere EU-Beitrittskandidaten: die Verpflichtung, mit dem Kriegsverbrecher-Tribunal für Ex-Jugoslawien in Den Haag zusammen zu arbeiten. Und diese Zusammenarbeit war bisher gut. Unser Land kann sich jetzt nicht einerseits verpflichten, seine eigenen Bürger an das Haager Tribunal auszuliefern und andererseits Bürger anderer Länder nicht an den Internationalen Strafgerichtshof ausliefern. Egal, ob es sich dabei um US-Amerikaner oder Bürger anderer Staaten handelt. Unsere Regierung nimmt die Zusammenarbeit mit dem Haager Kriegsverbrecher-Tribunal sehr ernst, so dass uns die Forderungen aus Washington nun in eine schwierige Lage bringen." Auch wenn die kroatische Regierung noch keine definitive Entscheidung gefällt habe, sagt Plevnik, "Kroatien wird aller Wahrscheinlichkeit nach den amerikanischen Vorschlag nicht akzeptieren."

Bosnien-Herzegowina hat nach Angaben des amtierenden Präsidentschafts-Vorsitzenden Beriz Belkic noch keinen Vertrags-Entwurf aus Washington erhalten. Dennoch wird über die US-Initiative bereits kontrovers diskutiert: In der Republika Srpska, wo Anti-Amerikanismus tief verwurzelt ist, überwiegt die Ansicht, dass ein mögliches Vertrags-Angebot der USA abgelehnt werden sollte. Die bosnisch-kroatische Föderation sieht dies mit gemischten Gefühlen: Einerseits unterstützt man den Internationalen Strafgerichtshof ebenso wie das Haager Kriegsverbrecher-Tribunal. Andererseits aber ist die Armee der Föderation mehr auf amerikanische Waffen und Ersatzteile angewiesen als die der Serben-Republik. Eine Streichung der US-Militärhilfe wäre daher schmerzlich. (md)