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Politik

300 Kühe gegen die Krise

4. Juli 2017

Krieg im Südsudan, Terror in Nigeria, dazu der Hunger und die Arbeitslosigkeit - die Afrikanische Union hat viel zu tun. Doch entscheidende Reformen kommen nicht voran.

29th African Union Summit
Bild: African Union Summit picture alliance / AA

Robert Mugabe weiß, wie man sich Aufmerksamkeit verschafft. Stolz überreichte Simbabwes greiser Präsident zum Auftakt des 29. Gipfels der Afrikanischen Union (AU) in Addis Abeba einen Spenden-Scheck über eine Million US-Dollar. Das Geld stammt aus der Versteigerung von 300 Kühen. Die Vieh-Spende hatte der 93-Jährige der Staatengemeinschaft schon 2015 versprochen, denn seiner Ansicht nach muss Afrika in Finanzfragen - und damit auch politisch - endlich eigenständiger werden: "Als Afrikaner und Farmer ist es für mich selbstverständlich Vieh zu spenden", sagte Mugabe. "Unser Kontinent ist reich an Vieh, das ist unser Wohlstand." Die Herde hätte er offenbar gerne direkt ins AU-Hauptquartier in Addis Abeba getrieben. Erst als man ihm von dort aus mitteilte, es sei nicht genügend Platz, entschied sich Mugabe für eine Auktion.

Das Geldgeschenk trifft einen wunden Punkt. Die AU ist finanziell abhängig von Gebern aus dem Ausland. 2017 beläuft sich das offizielle Budget auf 782 Millionen US-Dollar, rund 350 Millionen mehr als noch im vergangenen Jahr. Doch die Gelder kommen zu 60 Prozent von der Europäischen Union, der Weltbank und von nicht-afrikanischen Industriestaaten.

Reformen, aber wie?

Eine Kommission unter Leitung von Ruandas Präsidenten Paul Kagame soll deshalb Reformvorschläge präsentieren, die in die Eigenständigkeit führen. Geplant ist etwa eine Steuer in Höhe von 0,2 Prozent, die jedes Mitgliedsland auf ausgewählte Importe erheben soll, um damit AU-Projekte zu finanzieren. Darauf hatte sich die Union vor einem Jahr im Grundsatz geeinigt. Doch Nigeria, Ägypten und Südafrika wollen nicht mitmachen. Viele westafrikanische Staaten zahlen zudem bereits ähnliche Steuern an Regionalorganisationen wie zum Beispiel die Wirtschaftsgemeinschaft ECOWAS. Doppelt will niemand in die Tasche greifen. Gestritten wird auch darüber, welche Waren besteuert werden sollen.

Besorgt ums Image der AU: Kommissionspräsident Moussa FakiBild: picture-alliance/abaca/M. Wondimu Hailu

"Die AU hat gar keine andere Wahl, als die Reformen umzusetzen", sagt der kenianische Analyst Agina Ojwang, der das Gipfeltreffen beobachtet. "Die USA kürzen gerade ihre Hilfen für Organisationen wie die AU und auch die EU-Staaten haben ihre eigenen Probleme, also muss Afrika nach Mitteln und Wegen suchen, um auf eigenen Beinen zu stehen."

Das Problem sei - wie so oft - die Umsetzung, monierte Moussa Faki Mahamat, der neue Vorsitzende der AU-Kommission: "Wir haben die unglückliche Angewohnheit, unendlich viele Entscheidungen zu unendlich vielen Themen zu treffen, aber wir machen uns keine Gedanken darüber, wie wir das alles umsetzen", so Faki. "Die meisten Entscheidungen werden doch in den Schubladen beerdigt. Wir sind uns alle einig, dass das unserer Glaubwürdigkeit und dem Image unserer Organisation schadet."

Hunger und andere Krisen

Überhaupt hatte Faki, der zuletzt Außenminister im Tschad war, viel Kritik im Gepäck. Die AU-Mitgliedstaaten würden zu wenig Solidarität zeigen mit Ländern, die derzeit unter Dürre und Hunger leiden. Faki ist seit Januar im Amt, kurz zuvor hatten die Vereinten Nationen vor der "größten humanitären Krise seit Ende des Zweiten Weltkriegs" gewarnt. 20 Millionen Menschen in Somalia, Südsudan oder Nigeria müssen laut UN hungern. "Ich kann nicht verstecken, wie sehr mich das Schweigen und die Untätigkeit der Afrikaner angesichts dieser schrecklichen Hunger-Tragödie frustriert", sagte Faki. "Was ist mit der afrikanischen Solidarität und Brüderlichkeit passiert? Wo ist unsere Zivilgesellschaft?"

Hunger-Flüchtlinge in Somalia: zu wenig afrikanische Solidarität?Bild: picture alliance/AP Photo/F. A. Warsameh

Die Hungerkrise ist nur eines von vielen Problemen, die die AU dringend anpacken müsste: Die Islamisten-Miliz Boko Haram terrorisiert Nigeria und seine Nachbarstaaten. In Libyen und Somalia gibt es kaum noch staatliche Strukturen. Im Südsudan, dem jüngsten Staat der Welt, herrscht nach wie vor Krieg. Und dabei hat sich die AU - allen voran Faki - das Ziel gesetzt, die Konflikte auf dem Kontinent bis 2020 zu beenden.

Das kleine Dschibuti zumindest hofft, dass die Staatengemeinschaft jetzt im Grenzkonflikt mit Eritrea vermittelt. Seit zwanzig Jahren streiten die beiden ostafrikanischen Staaten um einen Zipfel Land am Roten Meer. Vor wenigen Wochen zogen sich Truppen aus dem Golf-Emirat Katar, die bislang die umstrittene Grenze gesichert hatten, zurück - weil sich sowohl Dschibuti als auch Eritrea im Streit zwischen Katar und Saudi Arabien auf die Seite der Saudis gestellt hatten. Jetzt solle die AU die Grenze offiziell festschreiben und sichern, forderte Dschibutis Außenminister am Rande des Gipfels.

Die Jugend nicht vergessen

Die AU will die Jugend stärker fördern - aber wie?Bild: picture alliance/S. Reboredo

Fast untergegangen ist da das eigentliche Top-Thema: Unter dem Motto "In die Jugend investieren" sollte auf dem Gipfel über Jobs und Zukunftsperspektiven beraten werden. Etwa 70 Prozent der Afrikaner sind jünger als 35 Jahre. Doch angesichts der politischen Krisen und hohen Arbeitslosigkeit wollen viele nur noch weg. 180.000 Flüchtlinge aus Afrika erreichten 2016 von Libyen aus die italienische Küste. In diesem Jahr könnten es deutlich mehr werden, sagen Beobachter. Millionen Afrikaner sind zudem innerhalb des Kontinents auf der Flucht. "Jugendliche ohne Job sind auch ein Sicherheitsrisiko", sagt Analyst Ojwang. "Sie werden gezielt von extremistischen Gruppen wie Boko Haram angeworben." Deshalb sei es wichtig, Chancen zu schaffen - und das Gefühl, mitreden zu können.

"Eine gut ausgebildete Jugend, die ihr kreatives Potenzial entfalten kann" sei der Schlüssel zu "Frieden und Stabilität auf dem Kontinent", sinnierte Guineas Präsident Alpha Condé, der aktuelle Vorsitzende der AU, in seiner Rede. Man müsse die Jugend "überzeugen, dass Afrika der richtige Ort für sie ist" und sie einbinden in politische Entscheidungen. Über konkrete Vorschläge oder Projekte der AU-Staaten zu diesem Thema ist allerdings nichts bekannt geworden.

Mitarbeit: Coletta Wanjohi, Jane Ayeko-Kümmeth

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