1. Zum Inhalt springen
  2. Zur Hauptnavigation springen
  3. Zu weiteren Angeboten der DW springen
Politik

FDP klagt in Karlsruhe gegen Staatstrojaner

20. August 2018

Die FDP hat gegen das Ausspionieren der Privat- und Intimsphäre von Bürgern durch Staatstrojaner auf Handys, Tablets oder Computern Verfassungsbeschwerde eingereicht. Sie hält das Vorgehen für unverhältnismäßig.

Symbolbild Bundestrojaner freigeschaltet
Bild: picture alliance/blickwinkel/McPHOTO

Nach dem Datenschutzverein Digitalcourage ziehen im Streit um die sogenannten Staatstrojaner auch die Freien Demokraten vor das höchste deutsche Gericht. Der Erste Parlamentarische Geschäftsführer der FDP-Fraktion, Marco Buschmann, sagte vor Journalisten in Berlin, im Zeitalter der Digitalisierung seien Computer und Smartphone unverzichtbare Teile des Lebens. Ungehemmter Zugriff gebe Sicherheitsbehörden in unverhältnismäßiger Weise die Möglichkeit, alles über einen Menschen herauszufinden - angesichts von Angeboten wie Dating-Apps sogar bis hin zur intimsten Privatsphäre. Buschmann zeigte sich überzeugt, dass der umstrittene Staatstrojaner gerichtlich zu Fall gebracht werde.

Fraktionsvize Stephan Thomae unterstrich, dass sich Verbrecher ständig neuer Methoden und Techniken bedienten. Allerdings müsse der Staat im Kampf dagegen immer wieder die Verhältnismäßigkeit von Eingriffen in Bürgerrechte und Privatsphäre von Bürgern prüfen. Die frühere Justizministerin Sabine Leutheuser-Schnarrenberger (FDP) kritisierte, dass der Gesetzgeber mit der Einführung des Staatstrojaners "mal wieder austesten" wolle, was noch an Grundrechtseinschränkungen möglich sei. Der frühere FDP-Rechtspolitiker Burkhard Hirsch warnte: "Wir geraten an die Grenzen eines Überwachungsstaates."

Gleich sechs FDP-Politiker erläutern in Berlin die Verfassungsbeschwerde ihrer Partei Bild: picture-alliance/dpa/W. Kumm

Strenge Auflagen

Nach Argumentation der Freien Demokraten verstößt die gegenwärtige Praxis auch gegen die Vorgaben des Bundesverfassungsgerichts. Die Karlsruher Richter hatten Online-Durchsuchungen in einem Urteil im Jahr 2008 an strenge Auflagen geknüpft. Computer seien mit Blick auf die Menschenwürde und Entfaltung der Persönlichkeit inzwischen ein "elementarer Lebensraum", so das Gericht.

"Staatstrojaner" - diesen Begriff hören die Ermittlungsbehörden nicht so gerne. Ein Trojaner ist in der Computersprache ein Programm, das einer bestimmten Schad- oder Spionagesoftware den Weg auf einen Computer oder ein Mobiltelefon ebnet. Seit rund einem Jahr darf die Polizei zur Aufklärung von Straftaten beispielsweise Nachrichten über Messenger-Dienste wie WhatsApp mitlesen. Dafür nistet sie auf dem Handy unbemerkt vom Nutzer eine Spionage-Software ein. Sie greift die Kommunikation direkt beim Schreiben oder Lesen ab, solange sie nicht für den Versand verschlüsselt ist (Quellen-Telekommunikationsüberwachung). Noch weiter geht die Online-Durchsuchung, bei der die Ermittler sämtliche Daten durchforsten dürfen. Bis 2017 waren solche Maßnahmen nur zur Terrorabwehr erlaubt.

Kritiker fürchten den Verlust von Privatsphäre und Sicherheitsrisiken, wenn auch der Staat bei der Online-Spionage mitmischt. Befürworter weisen darauf hin, dass der staatliche Einsatz von Trojanern von Richtern genehmigt werden muss.

Verein Digitalcourage marschiert voran

Am 7. August hatten mehrere Kläger vor dem Bundesverfassungsgericht in Karlsruhe Verfassungsbeschwerde gegen die neuen gesetzlichen Befugnisse (Paragrafen 100a und 100b der Strafprozessordnung) eingereicht, wie der Datenschutzverein Digitalcourage mitteilte. Sie fordern demnach, die entsprechenden Passagen in der Strafprozessordnung für verfassungswidrig zu erklären. Zu den Klägern gehören laut dem Verein Juristen, Grundrechtsaktivisten und Künstler. Beteiligt ist unter anderem der Autor und Kabarettist Marc-Uwe Kling.

Vier Vertreter des Vereins Digitalcourage stellen ihre gerichtliche Beschwerde in Karlsruhe vorBild: picture-alliance/dpa/U. Deck

"Die Quellentelekommunikationsüberwachung und die Onlinedurchsuchung überschreiten die äußerste Grenze rechtsstaatlicher Ausforschung der Intimsphäre zum Zweck der Strafverfolgung bei weitem", erklärte der Klagevertreter Jan Dirk Roggenkamp. Digitalcourage-Gründerin Rena Tangens kritisierte, wer Smartphones heimlich beobachte, "forscht letztlich die Gedankenwelt der Nutzer aus und kann Persönlichkeitsbilder erstellen, die umfangreicher, gläserner nicht sein können".

Weitere Klagen zu erwarten

Gegen den Einsatz der Spähsoftware werden noch weitere Verfassungsbeschwerden erwartet. So kündigte auch die Gesellschaft für Freiheitsrechte (GFF) an, vor das höchste deutsche Gericht in Karlsruhe zu ziehen. Kläger wollen in diesem Fall laut GFF der ARD-Dopingexperte Hajo Seppelt, der in Deutschland im Exil lebende türkische Journalist Can Dündar und der Grünen-Fraktionsvize Konstantin von Notz.

Mehr Schutz für unsere Daten

01:43

This browser does not support the video element.

Die Linksfraktion begrüßte die Verfassungsbeschwerde des Vereins Digitalcourage. "Die Bundesregierung macht sich zum Instrument von Polizei und Geheimdiensten und fährt einen ungebremsten Angriff auf Privatsphäre und Bürgerrechte", erklärte die Linken-Abgeordnete Martina Renner.

Der Präsident des Bundeskriminalamts, Holger Münch, verteidigte die Staatstrojaner gegen die Kritik. Im Zeitalter der verschlüsselten Kommunikation müsse es bei besonders schweren Straftaten im Einzelfall und auf Grundlage einer richterlichen Anordnung möglich sein, diese Kommunikation zu überwachen, sagte Münch dem "Handelsblatt".

kle/fab (afp, dpa, epd)

Den nächsten Abschnitt Mehr zum Thema überspringen

Mehr zum Thema

Weitere Beiträge anzeigen