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Philosophisch in Form

Suzanne Cords11. Juni 2014

Philosoph, Wissenschaftsattaché und Bücherwurm: Der Pole Andrzej Przylebski war in all diesen Eigenschaften jahrelang in Deutschland tätig. Als Professor steht er heute in regem Austausch mit alten Kollegen.

Andrzej Przylebski Philosophieprofessor
Bild: privat

Dass er sich schon früh für Deutschland interessiert hat, findet Andrzej Przylebski nicht verwunderlich. Schließlich lebt er in einer Stadt, die über ein Jahrhundert lang zu Preußen gehörte. Poznan hieß damals Posen, und noch heute trifft man an jeder Ecke auf deutsche Geschichte.

Doch es gibt noch einen anderen Grund: Mit 19, während seiner Sturm- und Drangzeit, entdeckte der junge Pole Karl Marxs Gesellschaftstheorie für sich. Die Bewunderung hielt zwar nicht lang an, aber sie stellte die Weichen in seinem Leben neu. Eigentlich wollte Andrzej Physik und Anglistik studieren, aber über Marx fand er zur Philosophie - zu Kant, Hegel und Heidegger.

Deutschlernen mit Heidegger

Um seine Magisterarbeit über letzteren zu schreiben, begann er, Deutsch zu lernen -autodidaktisch und auf eher ungewöhnliche Weise: Er bekam ein zweisprachig angelegtes Buch des Philosophen in die Hand und hangelte sich anhand der englischen Übersetzung durch den deutschen Text. "Danach sprach ich ganz gut Deutsch", erzählt er - wenn auch sehr stark philosophisch angehaucht. Später in Deutschland vertiefte er seine Kenntnisse; sowohl der DAAD als auch die Humboldt-Stiftung spendierten Andrzej Przylebski Sprachkurse.

Verliebt in Heidelberg

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Das erste Mal kam der Professor 1987 nach Deutschland, damals war er noch Student und reiste auf eine private Einladung hin zu einem Seminar nach Heidelberg, einer Hochburg für Heidegger-Experten. Er verliebte sich auf Anhieb in das malerische Städtchen am Neckar und kam ein Jahr später mit einem DAAD-Stipendium zurück. "Wer Philosophie studiert, landet unweigerlich in Deutschland", meint er lachend.

1991 erhielt Andrzej Przylebski wiederum ein Stipendium, diesmal von der Alexander von Humboldt-Stiftung. "Man lud uns Wissenschaftler zu Beginn unseres Aufenthalts auf eine dreiwöchige Reise durch Deutschland ein, ich habe damals mindestens 20 Städte kennengelernt", erinnert sich der 56-Jährige. Eine tolle Erfahrung sei das gewesen. "Wir wurden rundum betreut, und man ermöglichte uns den Kontakt zu wichtigen Persönlichkeiten wie zum Beispiel zum damaligen Bundespräsidenten Richard von Weizsäcker."

Schon kurz nach dem Kennenlern-Trip holte Andrzej Przylebski die ganze Familie nach. Seine beiden Söhne besuchten Schulen in Heidelberg und Berlin und nutzen ihre damals erworbenen Sprachkenntnisse heute beruflich. "Dieser Aufenthalt war für uns alle von großer Bedeutung; er hat unser Leben maßgeblich geprägt", so Przylebski.

Diplomatische Jahre

Zwei Jahre lang forschte er in Heidelberg, wo er sich intensiv dem Neokantismus und den Lehren Hans-Georg Gadamers widmete, danach folgten weitere Einladungen aus Mainz und Wien. 1996 heuerte die polnische Botschaft Andrzej Przylebski als Wissenschaftsattaché an. "Meine Aufgabe war es vor allem, deutsche Reformen im Wissenschaftsbereich auf Kompatibilität für mein Land zu analysieren und Besuchergruppen zu betreuen", erzählt er. Eigentlich gefiel ihm seine Zeit in Deutschland sehr gut - nur die deutsche Besserwisserei habe ihn manchmal gestört, meint er mit einem Augenzwinkern.

Der Professor doziert nach deutschem VorbildBild: privat

2001 kehrte er in die Heimat zurück und wurde Professor an der Universität Poznan – natürlich im Fach Philosophie. Przylebski schwärmt besonders für zwei große Dichter und Denker. Zum einen hat es ihm Hegel angetan; mittlerweile ist er schon seit ein paar Jahren Vizepräsident der Internationalen Hegel-Gesellschaft und hat so manches Symposium organisiert – zum anderen schlägt sein Herz für Gadamer, Begründer der sogenannten universalen Hermeneutik. "Vereinfacht gesagt bedeutet das, nicht metaphysisch an ein Buch oder ein Kunstwerk heranzugehen, sondern auch die Bedeutung für das eigene Leben zu erkennen", erklärt der Professor. Philosophie zum Anfassen sozusagen; daran orientiert sich Andrzej Przylebski auch bei seinen Vorlesungen. "Bei mir geht es nicht abstrakt zu, sondern ich versuche immer, Beispiel aus dem alltäglichen Leben anzuführen", sagt er. "Was kann man für sich selbst aus einem Buch oder einem Gemälde mitnehmen?"

Im Sinne Humboldts

Aus Deutschland, verrät er, habe er beim Unterrichten eine gewissen Arbeitsstil übernommen. "Als ich drei Gastsemester in Chemnitz abhielt, hat es mich verblüfft, dass die Studenten ohne zu Murren Referate schrieben", erzählt er. "Das ist bei uns in Polen unüblich, da wird vor allem doziert." Außer bei Professor Przylebski - bei ihm wird Diskussion großgeschrieben. Er glaubt an die alte Idee von Alexander von Humboldt, dass vom Kontakt zwischen Professor und Student beide profitieren können. "Das ist aber nur möglich, wenn sich der Student engagiert und nicht nur einen Schein machen will und wenn der Professor sich nicht nur aufs Dozieren beschränkt."

Andrzej Przylebski ist Humboldtianer durch und durch. "Ein Stipendium der Stiftung gilt für das ganze Leben", sagt er. Dank der Stiftung verbringt er weiterhin regelmäßig ein bis drei Monate in Deutschland, besucht dort Bibliotheken, schafft sich neue Bücher an und trifft Kollegen. "Das ist eine wunderbare Sache, die mich philosophisch in Form hält."

Andrzej Przylebski mit seinen Mitarbeiten der TU ChemnitzBild: privat
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