Millionen Menschen leiden schon jetzt unter den Folgen des Klimawandels. Und es sollen noch mehr werden. Sicherheitsexperten warnen vor starken Migrationsbewegungen nach Europa. Ist Deutschland darauf vorbereitet?
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Stephen A. Cheney, ein ehemaliger General der US-Marine rechnet in den nächsten Jahrzehnten mit Millionen Klimaflüchtlingen: "Wenn Europa denkt, dass es heute ein Problem mit der Migration hat, dann warten Sie zwanzig Jahre." Dann werde der Klimawandel bis zu 20 Millionen Menschen aus Afrika vertreiben. Cheney ist einer von zahlreichen Umwelt- und Sicherheitsexperten, die sich in einemaktuellen Bericht der britischen Environmental Justice Foundation (EJF) zu den möglichen Folgen der Erderwärmung äußern.
Zu arm, um sich zu schützen
In ärmeren Ländern sei das Risiko fünfmal höher, dass Menschen ihre Heimat wetterbedingt verlassen müssen. Das zeigten Zahlen eines am Donnerstag erschienenenBerichts des Oxfam-Instituts. Zwischen 2008 und 2016 haben pro Jahr durchschnittlich 14 Millionen Menschen in ärmeren Ländern ihre Wohnorte fluchtartig verlassen, um Schutz vor Umweltkatastrophen zu suchen.
"Die Menschen in diesen Ländern sind wegen ihrer Armut oft nicht in der Lage auf Katastrophen zu reagieren", erklärt Jan Kowalzig, Klimaexperte bei Oxfam. Häuser dort seien zum Beispiel nicht sturmsicher genug oder Frühwarnsysteme seien unzuverlässiger als in Industriestaaten. Am stärksten trifft es die Gruppen, die kaum am gesellschaftlichen Leben teilnehmen. "In vielen Ländern sind das vor allem Frauen, alte und kranke Menschen oder Gruppen, die politisch unterdrückt werden", sagt Kowalzig.
Afrika fordert Klimagerechtigkeit
Bis zu vier Grad könnte sich die Erde bis Ende des Jahrhunderts erwärmen, warnen Wissenschaftler. Afrika leidet schon jetzt unter dem Klimawandel. Die Folgen könnten verheerend sein - wenn nicht gegengesteuert wird.
Bild: Getty Images/AFP/S. Maina
Afrika geht das Wasser aus
Bereits bei einer globalen Erwärmung von zwei Grad prognostiziert die Weltbank dem südlichen Afrika bis zu einem Drittel weniger Niederschläge. Die Folge: Das Risiko von Dürren steigt. Bei der extremen Trockenheit Mitte der 1990er Jahre verloren Hirten in Äthiopien etwa die Hälfte ihres Viehbestands.
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Zu viel des Guten
In Ostafrika könnte es zukünftig mehr regnen - allerdings nicht gleichmäßig über das Jahr verteilt, sondern mehrere Tage am Stück lang und heftig. 2011 überraschten starke Regenfälle die tansanische Hafenstadt Dar Es Salaam, ganze Stadtviertel wurden überflutet. 10.000 Menschen mussten in Notunterkünften untergebracht werden, mindestens 23 Personen starben.
Bild: cc-by-sa-Muddyb Blast Producer
Ernten bleiben aus
In Afrika produzieren Kleinbauern rund 90 Prozent der landwirtschaftlichen Erträge. Wird ihre Widerstandsfähigkeit gegen die zunehmenden Dürren, Fluten und andere Wetterdesaster nicht deutlich verbessert, werden im Jahr 2050 bis zu 20 Prozent mehr Menschen hungern, schätzen die Vereinten Nationen.
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Risiken für die Gesundheit
Mangelernährung aufgrund schlechter Ernten ist schon jetzt ein Problem in vielen Ländern. Viele Menschen zieht es in die Slums der Großstädte, in denen sich Krankheiten wie Cholera leicht ausbreiten. Mit höheren Temperaturen könnten sich zudem Krankheiten wie Malaria stärker verbreiten - zum Beispiel in das ostafrikanische Hochland, das im Moment noch Malaria-frei ist.
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Arten verschwinden
Höhere Temperaturen beeinflussen ganze Ökosysteme. Viele Tiere und Pflanzen können sich nicht schnell genug anpassen. Einem Bericht des Weltklimarats zufolge sind 20 bis 30 Prozent aller Arten durch den Klimawandel vom Aussterben bedroht.
Bild: CC/by-sa-sentouno
Kein Schnee mehr auf dem Kilimandscharo
Knapp 12.000 Jahre ist die Eisdecke des Kilimandscharo alt. In den vergangenen 100 Jahren sind mehr als 80 Prozent der Eisfelder verschwunden. Wenn die gegenwärtigen Bedingungen andauern, wird das Eis zwischen 2022 und 2033 Geschichte sein, rechnet eine Forschergruppe aus Ohio vor. Trockenheit und weniger Neuschnee führen dazu, dass das Eis so schnell zurückgeht.
Bild: Jim Williams, NASA GSFC Scientific Visualization Studio, and the Landsat 7 Science Team
Erst wenn der letzte Baum gerodet…
Verantwortlich für den Klimawandel sind zu einem großen Teil Kraftwerke, Fabriken und Autos in Amerika, Europa und Asien. Doch auch die Abholzung vieler afrikanischer Wälder, etwa zur Gewinnung von Holzkohle, erhöht den CO2-Anteil in der Atmosphäre und trägt zur Verödung der Böden bei. Ein Drittel Kenias war einst bewaldet, zwischenzeitlich sank die Waldfläche auf unter zwei Prozent.
Bild: Getty Images/AFP/T. Karumba
Setzling für Setzling zurück zum Wald
Inzwischen haben viele Menschen erkannt, dass sie den unheilvollen Entwicklungen entgegenwirken müssen. In Kenia pflanzen engagierte Bürger seit Jahrzehnten neue Bäume - inzwischen ist die Waldfläche wieder auf sieben Prozent angestiegen. Die Bäume verhindern, dass wertvolles Ackerland weggeschwemmt wird - und sie binden das Treibhausgas CO2.
Bild: DW/H. Fischer
Schutz durch Vielfalt
Monokulturen sind sehr anfällig für Dürren oder Schädlingsbefall. Wenn verschiedene Feldfrüchte gemeinsam angebaut werden, gibt es auch dann noch Erträge, wenn eine Sorte ausfällt. Dem UN-Umweltprogramm zufolge erhöht zudem ökologische Landwirtschaft die Widerstandskraft gegen die Folgen des Klimawandels deutlich stärker als konventionelle Landwirtschaft.
Bild: Imago
Worten Taten folgen lassen
Unterirdische Regenwasserspeicher, Versicherungssysteme, die bei Missernten einspringen: es gibt viele Möglichkeiten, um die Auswirkungen des Klimawandels zumindest abzufedern. Entwicklungshilfe, Umwelt- und Klimaschutz müssten zusammen gedacht werden, wird oft gefordert. Konkrete Projekte dazu aber gibt es kaum.
Bild: picture alliance/Philipp Ziser
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Kinder sind besonders gefährdet
Besonders gefährlich sind die Folgen des Klimawandels für die Entwicklung von Kindern. Das Hilfswerk World Vision Deutschland kritisiert wenige Tage vor der UN-Weltklimakonferenz, dass sich Politiker zu wenig für das Kindeswohl in armen Ländern einsetzen. "Diese Haltung ist ein Desaster für die schwächsten Mitglieder unserer Weltgemeinschaft", sagt Silvia Holten von World Vision.
Laut Schätzungen des Hilfswerks werden in den nächsten zehn Jahren bis zu 175 Millionen Kinder jährlich mit den Folgen des Klimawandels konfrontiert sein. Durch Überflutungen und Dürren werden sie zu wenig Nahrung zum Leben haben. Verschmutztes Wasser birgt für sie die Gefahr von lebensgefährlichen Krankheiten.
"Es ist unsere dringendste Aufgabe, den Menschen in den ärmsten Ländern zu helfen", erklärt Silvia Holten. Die Menschen dort sollen besser auf Klimakatastrophen vorbereitet sein. "Aber nicht nur die Regierungen der betroffenen Länder sind gefordert. Ganz besonders die reichen Staaten stehen hier in der Pflicht."
Einer dieser Ansätze könnten Klimarisikoversicherungen sein. Vor zwei Jahren starteten die G7-Staaten die Initiative "InsuResilience", um bis zum Jahr 2020 400 Millionen Menschen in Entwicklungsländern zu versichern. Vorher hatten laut Entwicklungsministerium nur rund 100 Millionen Menschen eine solche Absicherung gegen Klimafolgen. Mittlerweile beteiligen sich auch die EU und die Niederlande. Zusammen haben sie 550 Millionen US-Dollar in die Initiative gesteckt. Deutschland übernimmt davon 190 Millionen US-Dollar.
Start einer globalen Zusammenarbeit?
Der große Vorteil an solchen Versicherungen ist ihre Schnelligkeit. In einer Katastrophe sammeln Regierungen und Vereinte Nationen normalerweise mühsam Geld ein. Das kann mehrere Wochen oder sogar Monate dauern. Eine Klimaversicherung könnte bereits nach wenigen Tagen ausgezahlt werden. Sowohl Staaten als auch Einzelpersonen, wie Kleinbauern, könnten davon profitieren. Die Absicherungen sollen akute Armut lindern und verhindern, dass Menschen überhaupt erst fliehen müssen.
Der nächste Schritt müsste eine globale Initiative sein, um Menschen in Entwicklungsländern für Klimaschäden abzusichern. Aus Kreisen des Entwicklungsministeriums ist zu hören, dass Deutschland eine solche globale Partnerschaft für Klimarisikoversicherungen auf der COP23 in Bonn anregen wird.
Was passiert wenn die Meerestemperaturen steigen?
2016 war das wärmste Jahr seit Beginn der Klimaaufzeichnungen. Wenn sich die Ozeane schneller erwärmen als erwartet hat das weitreichende Konsequenzen - von Extremwetterereignissen bis zur Zerstörung von Korallenriffen.
Bild: picture-alliance/dpa/F. Gierth
Atlantis 2.0
So wie die globale Erwärmung, schreitet auch der Anstieg des Meeresspiegels immer schneller voran. Während die Ozeane von 2004 bis 2010 insgesamt um etwa 15 Millimeter anstiegen, so verdoppelte sich dieser Wert für 2010 bis 2016, berichtet die Meteorologische Weltorganisation (WMO). Küstenregionen und flache Inseln im West-Pazifik sind besonders gefährdet und könnten bis 2100 im Meer versinken.
Bild: picture alliance/Photoshot
Eisbrecher
Während sich die Ozeane und die Atmosphäre erwärmen, schmelzen Gletscher und Eiskappen. In den nördlichen und südlichen Sommermonaten von 2016 sank das gobale Packeis um 4 Millionen Quadratkilometer stärker als im Durchschnitt seit Beginn der Messungen. Infolgedessen fließt mehr Schmelzwasser in Flüsse und Meere, was auch den Meeresspiegel steigen lässt.
Bild: picture-alliance/dpa/U.Mauder
Verliert Nemo
Einige Meeresregionen haben sich bereits um mehr als drei Grad Celsius erwärmt. Das bringt maritime Ökosysteme durcheinander. 72 Prozent der Fischarten die im Nordostatlantik durch Grundschleppnetze gefangen werden, gehen bereits zurück - in Fangmenge und Verbreitung. Und auch tropische Arten wie Clownfische sind in ihrem Lebensraum bedroht.
Bild: imago/OceanPhoto
Korallenbleiche
Mehr Kohlendioxid in der Luft verändert auch den PH-Wert des Wassers. Es wird saurer. Das schadet Nemos Zuhause - den sensiblen Korallenriffen. Steigen dann auch noch die Wassertemperaturen um nur 3 Grad Celsius, kann das den Tod von Korallenriffen und dessen Bewohnern bedeuten. Nördliche Teile des Great Barrier Reefs vor Australien sehen bereits Sterberaten von bis zu 50 Prozent.
Bild: imago/blickwinkel
Stürmische Aussichten
Wenn die Meere sich erwärmen, könnte es auch mehr und stärkere tropische Wirbelstürme geben. Einer dieser Riesenstürme war Hurrikan Matthew, der im Oktober 2016 auf die haitianische Küste, Kuba, die Bahamas und Florida traf. Der Hurrikane forderte mehr als 1.000 Todesopfer und verursachte einen wirtschaftlichen Schaden von 13,8 Milliarden Euro.
Bild: Reuters/NASA/Alexander Gerst
Turbulenter Luftverkehr
Es gibt einen starken Zusammenhang zwischen atmosphärischen Winden und Meerestemperaturen. Höhere Wassertemperaturen könnten dazu führen, dass der Jetstream stärker wird. Piloten müssen dann mit stärkeren Gegen- und Rückenwinden rechnen. Der Vorteil: manche Flüge erreichen viel schneller ihr Ziel. Der Nachteil: andere Flüge brauchen länger und erleben mehr Turbulenzen.