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Politik

Die Spur des Geldes: Prioritäten der EU-Migrationspolitik

Gianna-Carina Grün
17. Februar 2018

Vom Beheben von Fluchtursachen bis zum Bekämpfen von Menschenhandel: Die EU-Migrationspolitik hat viele Ziele. Auf dem Papier wirken sie gleichwertig. Finanziell sind sie es nicht, wie eine DW-Datenanalyse zeigt.

Libyen Flüchtlinge in der Nähe von Tripolis
Bild: Getty Images/AFP/T. Jawashi

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Hundertausende Menschen kamen zwischen 2012 und 2016 in Europa an, Tausende starben auf dem Weg. Um zu verhindern, dass sich das wiederholt, hat die EU den "EU Nothilfe Treuhandfond für Afrika" (EUTF) eingerichtet. Mit 4,3 Milliarden Euro ausgestattet (Stand 14.2.2018), soll er die "Hauptursachen irregulärer Migration bekämpfen", so der Slogan des Fonds.

Wenn man die EU Dokumente über den Treuhandfond liest, fallen die beispielhaft genannten Projekte oft in diese Kategorie: die Jugend in Ghana stärken, die Lebensbedingungen in Äthiopien aufwerten, die Nahrungssicherheit in Mali stabilisieren. Die Ursachen von Migration und Flucht zu bekämpfen, also dafür zu sorgen, dass die Menschen ihre Heimat erst gar nicht verlassen wollen, klingt wie ein wünschenswertes politisches Ziel, das man kaum kritisieren kann. 

Doch wenn man auf die Daten schaut, zeigt sich, dass die EU sehr wohl zwischen ihren erklärten Zielen priorisiert. Auf der Spur des Geldes können wir sehen, wo die EU besondere Akzente in ihrer Migrationspolitik setzt. Die Daten zeigen, dass das Aufhalten von Menschen entlang der Fluchtrouten mindestens ebenso wichtig ist, wie die eigentlichen Fluchtursachen zu bekämpfen.

Geld fließt nicht in Herkunftsländer

Das fängt damit an, dass der Großteil des Treuhandfond-Geldes gar nicht in die Länder fließt, aus der die Mehrheit der afrikanischen Asylbewerber stammt. Mit weitem Abstand kamen zwischen 2012 und 2016 die meisten afrikanischen Asylbewerber in der EU aus Eritrea, Nigeria und Somalia.

Zwischen 2012 und 2016 kamen nur 21% der nicht-europäischen Asylbewerber aus afrikanischen Ländern.

Der Großteil des Geldes aus dem EU Treuhandfond fließt jedoch nicht in diese Herkunftsländer, sondern woanders hin: Die größten alleinigen Empfänger sind Niger, Mali, Senegal, Libyen und Äthiopien. Somalia folgt auf Platz 9, Nigeria auf 10 und Eritrea – das afrikanische Land mit den meisten EU-Asylbewerbern – auf Platz 20. Und das von insgesamt 26 Ländern, in denen EUTF Projekte gefördert werden. Anders ausgedrückt: die Länder, die den größten Bedarf hätten, Fluchtursachen zu bekämpfen, stehen ganz am Ende der Liste der Länder, die tatsächlich Geld aus dem Fond erhalten.

Es gibt auch grenzübergreifende Projekte, die über den Treuhandfond finanziert werden. Diese Karte zeigt nur Geld, das über drei Jahre (2017 bis 2020) in einzelne Länder fließt.

Wenn man betrachtet, welchem Zweck wieviel Geld gewidmet wird, dann ist "Bessere wirtschaftliche Perspektiven und Beschäftigungsmöglichkeiten" in der Tat der größte Posten. Investitionen wie diese können sich auszahlen, wie eine Datenanalyse der DW zeigt: Es ist möglich Migration zu verhindern, wenn durch finanzielle Hilfe vor Ort neue wirtschaftliche Perspektiven geschaffen werden. 

Aber Menschenrechtsorganisationen, Experten und lokale Medien kritisieren, dass der Treuhandfond zu sehr auf die Verschärfung von Grenzkontrollen setze anstatt die Ursachen von Flucht anzugehen.

Die Datenanalyse der DW zeigt, dass diese Kritik berechtigt ist: Fluchtursachen zu bekämpfen ist nicht das einzige Ziel, das die EU im Rahmen ihrer Migrationspolitik verfolgt. Tatsächlich wendet sie fast denselben Geldbetrag für sogenanntes "Verbessertes Migrationsmanagement" auf.

Auf seiner Website listet der Treuhandfonds seine Ziele als gleichwertig. Finanziell betrachtet sind sie das nicht. 

Für ein besseres Verständnis, was die EU meint, wenn sie von "Verbessertem Migrationsmanagement" spricht, hilft es zu schauen, in welche Projekte das Geld dafür fließt: Es stechen nur wenige Länder heraus. Libyen zum Beispiel. Das Land ist gleichzeitig der Ort für das größte Einzelprojekt, das im EUTF gefördert wird: 90 Millionen Euro werden darin für das "Managen gemischter Migrationsströme" ausgegeben (zum Vergleich: im Schnitt erhält ein EUTF-Projekt 14 Millionen Euro).


Das meiste Geld aus der EUTF-Kategorie "Verbessertes Migrationsmanagement" fließt in Projekte in Libyen.

Solche "gemischten Migrationsströme" zu trennen, bedeutet zwischen Strömen von Flüchtlingen (Menschen, denen jedes EU Land nach den Genfer Konventionen Schutz gewähren muss) und anderen Migranten zu unterscheiden (bei denen jedes EU Land selbst entscheiden kann, ob sie diese Menschen aufnehmen oder abweisen).

Der einfachste Weg das zu erreichen, wäre, Registrierungszentren außerhalb der EU einzurichten, um über das Recht auf Asyl zu entscheiden, bevor die Menschen Fuß auf EU-Boden setzen. Diese Idee wurde in der Vergangenheit von einzelnen EU-Regierungschefs wie etwa dem französischen Präsidenten Emmanuel Macron vorgebracht.

Im Rahmen der Recherche für diesen Text teilte eine Sprecherin der EU Kommission der Deutschen Welle mit, dass solche Zentren nicht in Betracht gezogen werden. Die Sprecherin beschreibt die Situation vor Ort stattdessen so: "Was wir zusammen mit dem UN-Flüchtlingshilfwerk (UNHCR) machen, ist legale Wege anzubieten, Menschen, die internationalen Schutz brauchen, von Libyen aus umzusiedeln. Wir haben bereits erste Flüchtlinge aus Libyen evakuiert. 25 Menschen wurden nach Frankreich umgesiedelt, 162 nach Italien, weitere 202 nach Niger, mit der Aussicht, nach Europa gebracht zu werden. Die (EU) Mitgliedsstaaten haben fast 40.000 Plätze zugesagt nach der Forderung der Kommission, 50.000 Flüchtlinge bis Mai 2019 aufzunehmen."

Um diese 50.000 ins Verhältnis zu setzen: Mehr als sechzehn Mal so viele Afrikaner (838.000 Menschen) haben seit 2012 in der EU um Asyl gebeten.

Die letzte offene Route nach Europa schließen

Migrationsströme über die zentrale Mittelmeer-Route – von Libyen nach Italien – zu kontrollieren, würde de facto darin resultieren, die letzte Route in die EU zu kappen. 

Während der großen Flüchtlingswelle 2015 und 2016 waren die Westbalkan- und Östliche-Mittelmeer-Route am wichtigsten. Nachdem diese Routen mit Zäunen und durch den EU-Türkei-Deal geschlossen wurden, läuft der Migrationsfluss fast nur noch über die zentrale Mittelmeer-Route. 

Die Anzahl festgestellter illegaler Grenzübergänge, die monatlich von Frontex erfasst wird, ist nur ein Proxy dafür, wie viele Menschen tatsächlich unterwegs sind. Die Anzahl an Menschen, die in der EU ankommt, liegt entsprechend höher. 


Wenn wir der Spur des Geldes folgen, zeigt sich außerdem, dass das Budget der Europäischen Grenz- und Küstenwache Frontex über die letzten Jahre in die Höhe geschossen ist. Der Budget-Posten "Joint Operations" ist der größte auf der Ausgabenliste – und hat sich seit 2012 vervierfacht (von 32 auf 129 Millionen Euro). Seit 2016 enthält die Ausgabenliste außerdem den Posten "Return Support". Dieser hatte ein Budget von 39 Millionen Euro in 2016 und wurde in 2017 auf 53 Millionen Euro erhöht (+30 Prozent), was ihn zum zweitgrößten Posten macht.

Die Botschaft scheint klar: Versucht es nicht einmal. Aber mehrere Migrationsexperten warnen, dass sich illegale Migration nicht durch schiere Grenzschutz-Kraft verhindern lässt. Denn Menschen werden es weiterhin versuchen, wenn die Ursachen für ihre Flucht nicht behoben werden. Solange die Nachfrage nach Europa zu gelangen da ist, führe eine Verstärkung der Grenzen nur dazu, dass Schmuggler noch höhere Preise verlangen können. In der Argumentationskette der Experten gibt es nur eine Lösung illegale Migration zu verhindern: indem mehr legale Wege nach Europa geschaffen werden.

Doch danach sieht es nicht aus: Der Fluss des Geldes zeigt, dass heute – nach der großen Flüchtlingswelle – vor allem wieder in Grenzsicherung und Abschottung investiert wird. Während im EU-Budget die Mittel für Innere Sicherheit kontinuierlich aufgestockt werden, geht das Budget für Asyl, Migration und Integration zurück.

Während im EU-Budget die Mittel für Innere Sicherheit kontinuierlich aufgestockt werden, geht der Anteil für Asyl, Migration und Integration zurück.


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