Die Deutschen gelten nicht gerade als Trendsetter in Design und Mode. Trotzdem gibt es so etwas wie einen deutschen Stil. Ein neues Buch beschreibt die Entwicklung deutscher Stil-Ikonen der letzten Jahrzehnte.
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Typisch deutsch?
Deutschland ist in der Welt nicht gerade für seinen Stil bekannt. Trotzdem hat der weltweiten Einfluss. Das Buch "The Germans - Stil und Ikonen einer Nation" untersucht, was als typisch deutsch gilt.
Bild: Pedro Beraldo
Ein Klassiker: Der Deutsche Schäferhund
Die typische deutsche Familie präsentiert sich gerne mitsamt Hund. Sind Hunde also typisch deutsch? Kann eine spezielle deutsche Hunderasse eine Ikone sein? Die Autorinnen scheinen das zu meinen. Schließlich leben mehr als fünf Millionen Hunde in deutschen Haushalten (zehn Mal so viele wie in der Schweiz) - obwohl es in Deutschland sogar noch mehr Katzen gibt.
Bild: Peter Rigaud
Deutsche Kultserien: "Das Traumschiff"
Der TV-Serienhit ging 1981 an den Start, inspiriert von der US-Serie "The Love Boat". Eine Kreuzfahrt steht bei vielen Deutschen auf der Liste von Dingen, die man noch tun möchte, bevor man zu alt dafür ist - "Das Traumschiff" gewann viele Fans. An Bord erleben die wechselnden Passagiere (oft romantische) Abenteuer und fahren jede Woche neue exotische Ziele an.
Bild: Peter Bischoff/Getty Images
Rockband Scorpions: Musik der Einheit
Die Rockband Scorpions ist vielleicht einer der berühmtesten deutschen Exporte der Achtziger Jahre. Die Band repräsentiert eine Zeit großen Wandels in der Geschichte des Landes. Kurz vor dem Fall der Berliner Mauer brachte die Band aus Hannover das berühmte Lied "Wind of Change" heraus.
Bild: Getty Images/Waring Abbott
Heute Bad Taste Party, früher im Trend: Schlagerstar Heino
Hier übt Heino, den man nur mit dunkler Sonnenbrille kennt, mit seiner Frau Hannelore Kramm an einem Fitnessgerät im österriechischen Ort Kitzbühel. Der Look mag heutzutage etwas altmodisch erscheinen, war aber damals modern: ein Heimfahrrad war ein Luxussymbol, und der übergroße knallrote Trainingsanzug von Hannelore ein Zugeständnis an den damaligen Farbtrend in den USA.
Bild: Getty Images/Peter Bischoff
Urlaub als Statussymbol der Mittelklasse
Fast keine andere Nation scheint so viel zu reisen wie die Deutschen - kein Wunder bei 30 Tagen bezahltem Urlaub. Während heutzutage exotische Reiseziele in sind, ist man zur Zeit dieses Fotos eher an die Ostsee oder Nordsee gefahren. Das Bild steht für die deutsche Familie der Mittelklasse. Sie besitzt ein freistehendes Haus mit einem Mercedes davor. Ein "deutscher Traum", wenn man so will.
Bild: Leber/Ullstein Bild
Schwimmen bei Sonnenuntergang
Die Deutschen sind naturverbunden. Das ist zumindest ein Klischee, das zuzutreffen scheint. Da Deutschland über zahlreiche Seen verfügt, verbinden die Deutschen ihre Liebe zur Natur gerne mit ihrer Leidenschaft für das Schwimmen. Dabei ist FKK häufig gestattet. Alle Generationen genießen das Baden bei Sonnenuntergang.
Bild: Pedro Beraldo
Deutsche Supermodels
Inzwischen ist Heidi Klum zur regelrechten Marke avanciert. Doch bereits vor ihr ist jemand anderes ein Begriff in der Modewelt: Claudia Schiffer. Karl Lagerfeld nannte sie aufgrund ihres Geschäftssinns eine "gut geölte Geldmaschine". Dennoch war Tatjana Patitz das einzige deutsche Model, das im nur so vor Models strotzenden George Michael-Video "Freedom" 1990 zu sehen war.
Bild: Victor Virgile/Getty Images
Schnittchen
In einem Kapitel zur deutschen Küche und den deutschen Essgewohnheiten zelebriert der in München niedergelassene Caterer Ulrich Dahlmann die guten deutschen Schnittchen. Auch wenn "Häppchen" zwar etwas hübscher klingen mögen, schreibt er, wurde das deftige vollwertige Weizenbrot in Deutschland während des Wirtschaftswunders in den Sechziger- und Siebzigerjahren als Luxus angesehen.
Bild: Wodicka/Ullstein Bild
Party im Keller
Auch wenn sie oft als traditionsbewusst gelten: Die Deutschen haben nichts gegen eine gute Party einzuwenden. Nach dem Wirtschaftswunder in den 70er Jahren wurde der Traum der "eigenen vier Wände" für viele zur Realität. Damit kam die Party nach Hause. Viele Kinder dieser Zeit werden sich an die Tanzeinlagen ihrer Eltern im Partykeller erinnern.
Bild: Leber/Ullstein Bild
The Germans - Stil und Ikonen einer Nation
Das beim teNeues Verlag am 15. Mai 2017 erschienene Buch "The Germans - Stil und Ikonen einer Nation" von Silke Wichert und Nina Zywietz untersucht die Entwicklung des "deutschen Stils" während der letzten Jahrzehnte.
Bild: teNeues/Silke Wichert/Nina Zywietz
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Gibt es einen deutsche Stil? Und wenn ja, wie sieht er aus? Dieser Frage sind die Modejournalistin Silke Wichert und Kreativdirektorin Nina Zywietz in ihrem neuen Buch "The Germans - Stil und Ikonen einer Nation" auf den Grund gegangen. Nicht zuletzt, weil den beiden Autorinnen diese Frage im In- und Ausland immer wieder gestellt wurde.
Jenseits von Witzen über Socken in Birkenstock-Sandalen präsentiert das Buch einen Bunten Strauß voller Antworten. Deutsche haben, so die Autorinnen, ihr ganz eigenes Stilempfinden - sei es bei der Kleidung oder ihrem Lifestyle. "Natürlich hat Deutschland so wie jedes Land seine Eigenheiten", schreiben sie im Vorwort. Bei Deutschland müsse man etwas tiefer graben, um dem Stil des Landes auf die Spur zu kommen, da Vieles von Spott und Frotzeleien überdeckt sei. "Sogar wir selbst mussten feststellen, dass wir typischer sind, als wir zugeben", so die Autorinnen - "und das nicht nur, weil mindestens eine von uns sogar bei Party-Einladungen in Spanien mit Vollkornbrot und Aufstrich auftaucht."
Was typisch deutsch ist
Der Band versucht vor allem mit zahlreichen Bildern, dem "typisch Deutschen" auf die Spur zu kommen. Er hält aber auch einige persönliche Anekdoten zum Thema bereit - so von Modeschöpferin Ayzit Bostan oder Designjournalist Christoph Amend. In zehn Kapiteln werden verschiedene Lebensbereiche behandelt, angefangen bei Sport über Modevorlieben bis hin zu Inneneinrichtung und der deutschen Art zu reisen. Bauhaus wird behandelt, genauso wie deutschstämmige Models und Stars.
Prominente wie Till Schweiger werden befragt, wie sie Deutschsein für sich definieren. Neben Pünktlichkeit und Präzision sticht für ihn noch eine Eigenschaft hervor: Beim frühen Planen seien die Deutschen ganz weit vorn. Wer sonst verabredet sich zwei Monate im Voraus zum Abendessen? "Menschen aus anderen Ländern hätten das in der Zeit längst wieder vergessen", so Schweiger.
Der "Ist mir wurscht"-Stil
Es scheint irgendwie einfacher, den Pariser Chic zu definieren, als konkret zu benennen, das denn nun ein "typisch deutscher Stil" ist. Auch die Gesprächspartner der Autorinnen kommen zu unterschiedlichen Schlüssen: Der dekorative Schal? Der Kurzhaarschnitt? Die Korrespondentin des Guardian, Kate Connolly, stellt beispielsweise fest, dass Männer sich zunehmend mit Selbstbräuner verschönern, bevor sie zu wichtigen Konferenzen erscheinen.
Melissa Drier von der US-Fashionbibel "Women´s Wear Daily" definiert den deutschen Modegeschmack wenig schmeichelhaft als "Ist mir wurscht". Soll heißen: den Deutschen ist die Mode nicht so wichtig. Ein herbes Urteil über den Stil von Otto Normalverbraucher in Deutschland. Das Land hat immerhin auch Designer wie Karl Lagerfeld und Jil Sander hervorgebracht. Das versucht auch das Buch hervorzuheben, indem es Schlaglichter auf die Influencer hinter den Kulissen wirft: Da geht es nicht nur um Claudia Schiffer und Heidi Klum, sondern auch um die Fotografen Juergen Teller und Peter Lindbergh, die beide bis heute internationalen Modetrends setzen.
Das deutsche Seelenleben
Silke Wichert und Nina Zywietz haben auch die Innenausstattung eines Hauses unter die Lupe genommen, um deutsche Stilelemente herauszuarbeiten: Ihrer Meinung nach zeigen Spitzenvorhänge und riesige Hohlschränke, welchen Stellenwert Privatheit und Organisation in der deutschen Seele innehaben.
Aber es geht nicht nur um Äußerlichkeiten. Auch andere Lebensbereiche werden gründlich durchleuchtet, zum Beispiel die deutsche Musikszene: vom legendären Berliner Nachtclub "Tresor", in dem die elektronische Musik der Achtziger mit erfunden wurde bis zur Rockband "Scorpions", die sozusagen den transatlantischen Graben in der Rockmusik geschlossen hat. Auch wenn viele der Fotografien im Buch wie aus der Zeit gefallen zu sein scheinen, stehen sie doch für Augenblicke, die für die meisten Deutschen stil- und bewusstseinsprägend waren. Ganz so wie der Song "Wind of Change", mit dem die Scorpions die Stimmung im Wende-Jahr 1989 einfingen.
"The Germans - Stil und Ikonen einer Nation" von Silke Wichert und Nina Zywietz erschien im Mai 2017 bei teNeues. 224 Seiten, Hardcover, 72 Farb- und 16 Schwarz-Weiß-Fotografien.Text in Deutsch.