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Neues Profil gesucht

Loay Mudhoon 7. September 2007

In der großen Koalition entsprechen die Positionen der Politiker nicht immer unbedingt dem jeweiligen Parteiprofil: Die CDU steht zwischen konservativen Werten und einer neuen sozialdemokratischen Richtung.

Angela Merkel steht an einem Rednerpult, im Hintergrund leuchten groß und rot die Buchstaben CDU und viele Politiker sitzen an einem langen Tisch. Quelle: AP
Muss der Union ein eindeutiges Profil geben: Angela MerkelBild: AP

Verkehrte Welt in der Berliner Regierungskoalition: Als vor kurzem die Milchpreise stiegen, meldeten sich Spitzenpolitiker aus den Reihen der Union schnell zu Wort und forderten die Erhöhung der Zuwendungen für sozial schwache Familien. Der sozialdemokratische Vizekanzler Franz Müntefering übernahm die Rolle des Warners vor überbordenden Sozialaufgaben.

Auch außen- und sicherheitspolitisch ist es heute nicht mehr so leicht, die Positionen der christlich-demokratischen Noch-Volkspartei festzumachen. Jüngstes Beispiel: SPD-Verteidigungspolitiker Rainer Arnold schließt die Entsendung von deutschen Militärausbildern in den wesentlich gefährlicheren Süden Afghanistans nicht aus - Unions-Außenpolitiker, wie der außenpolitische Sprecher der CDU/CSU-Bundestagsfraktion Eckart von Klaeden, wollen hingegen nichts davon wissen und bestehen darauf, den Aufgabenbereich der Bundeswehr auf den relativ sicheren Norden zu beschränken.

Pragmatische Union

Zweifelsohne haben der wirtschaftliche Aufschwung und vor allem die unerwartet hohen Steuereinnahmen den Reformdruck hierzulande spürbar vermindert. Und so konnte Bundeskanzlerin Angela Merkel zur Halbzeit der Legislaturperiode eine positive Bilanz der Regierungsarbeit ziehen, bei der sie anmerkte: Angesicht der Erfolge der großen Koalition sei ihre Führung "so, wie ich sie mir vorstelle". Vermutlich wollte Merkel damit ihren Kritikern signalisieren, sie halte weiter an ihrem nüchternen, ausgleichenden und somit auch Macht erhaltendem Führungsstil fest.

Denn tatsächlich werden in der Wahrnehmung des Wahlvolkes die meisten Erfolge der großen Koalition der Union und der Kanzlerin gut geschrieben, während für unpopuläre Entscheidungen, wie die Rente mit 67, die zum Teil orientierungslosen sozialdemokratischen Minister verantwortlich gemacht werden.

Unauffällige Kurskorrektur

Die Gründe für die Neuorientierung der CDU liegen, neben dem Machtgerangel mit der SPD, eindeutig in ihrem 35-Prozent-Wahlergebnis von 2005. Aus dieser Beinahe-Niederlage lernte die Unionsführung schnell, dass für ihren auf dem Leipziger Parteitag beschlossenen, marktradikalen Reformkurs keine Mehrheit existiert. Die Führungsriege um Merkel vermied folgerichtig jede öffentliche Ursachenforschung und leitete - anfangs unbemerkt - eine Kurskorrektur in Richtung einer staatstragenden Sozialdemokratie ein.

Schwierige Profilierung

In der Tat präsentiert sich die heutige CDU weitgehend unideologisch und viel näher am Volk als die SPD, die sich noch im Selbstfindungsprozess nach der Ära Schröder und dem Schock der Agenda 2010 befindet. Jedoch warnen Kritiker innerhalb des konservativen Lagers wie der ehemalige CDU-Vordenker Wulf Schönbohm, der zahlreichen Grundsatzkommissionen der Union angehörte, vor den Folgen des neuen CDU-Pragmatismus: "Angela Merkel ruiniert das konservative Profil der Union und macht sich zum blinden Erfüllungsgehilfen der linken Mitte - auch auf Kosten ihrer eigenen Parteifreunde", schreibt er in einem Beitrag für Welt.de.

Auch mitten in der laufenden Debatte über das neue Grundsatzprogramm ihrer Partei dürfte diese Sorge führende Jung-Politiker der Union dazu veranlasst haben, ein Aufsehen erregendes Grundsatzpapier zu verfassen, das die Frankfurter Allgemeine Zeitung in vor kurzem in voller Länge abdruckte. In diesem Papier kritisierten die Autoren, Stefan Mappus, Vorsitzender der CDU-Fraktion in Baden-Württemberg, CSU-Generalsekretär Markus Söder, Philipp Mißfelder, Bundesvorsitzender der Jungen Union sowie Hendrik Wüst, CDU-Generalsekretär in Nordrhein-Westfalen "den Mangel an Konservativismus innerhalb der CDU". Damit wollten sie das geplante Grundsatzprogramm der CDU ergänzen. Ihrer Ansicht nach sei ohne konservatives Profil bei Wahlen, eine bürgerlich-konservative Mehrheit nicht zu gewinnen.

Jedoch ist Skepsis angebracht, was die Suche nach einem eigenen Profil der CDU innerhalb der großen Koalition angeht. Denn wenn die Unionsführung versuchen sollte, außerhalb der Regierungskoalition einen anderen Kurs zu vertreten, bekäme sie bald ein Glaubwürdigkeitsproblem und das Vertrauen in ihre Regierungsfähigkeit ginge verloren.

Kein gesellschaftliches Modell in Sicht

In Wahrheit liegen die Gründe für das Dilemma der deutschen Christdemokratie viel tiefer. Der profilierte Parteienforscher Franz Walter von der Universität Göttingen machte aus Anlass des CDU-Grundsatzkongresses schon im vorigen Jahr auf das Dilemma der Christdemokraten aufmerksam: "Der CDU ist ihr gesellschaftliches Modell abhanden gekommen". In einem Spiegel-Online-Beitrag stellt Professor Walter fest: "Die Union lebte lange von einer Sozialstaatlichkeit, die sich heute in dieser Form wohl tatsächlich überlebt hat, die von den bürgerlichen Kräften der Christdemokratie auch nie goutiert wurde, die in breiten Schichten der Bevölkerung aber nach wie vor hartnäckig geschätzt und gewollt wird."

Nach Walters Auffassung suche die Union angesichts des Verfalls ihrer Wählerbasis nun nach Orientierung und Halt, zugleich werde deutlich erkennbar, dass "ihr Erfolg vom umfassenden Allianzcharakter der Partei her rührte. Die Union integrierte bekanntlich die unterschiedlichsten Gruppen (..). Gelingen konnte dieser Spagat nur, weil die CDU mehr lockere Union war und weniger starre Partei, also programmatisch oft vage blieb".

Der lange schwelende Flügelkampf zwischen wertkonservativen, marktliberalen Politikern einerseits und den Sozialdemokraten innerhalb der CDU andererseits, wird auf dem Höhepunkt der Programmdebatte der CDU sicherlich an Schärfe gewinnen. Die Suche der CDU-Strategen nach einer zeitgemäßen Konsensformel wird zudem dadurch erschwert, dass es keine real existierenden europäischen Vorbilder gibt. Mit Franz Walters Worten: "Es existiert europaweit keine attraktive christdemokratische Sozialstaatsvariante mehr, die erfolgreich katholischen Solidarismus und protestantisch-bürgerlichen Neoindividualismus zur gelungenen Symbiose bringt".

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