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PolitikUkraine

Neue Exportrouten für Getreide aus der Ukraine gesucht

20. Juli 2023

Seit Beginn des Kriegs baut die Ukraine neue Exportrouten auf. Bisher wurde die Hälfte des Getreides über das Schwarze Meer verschifft. Der Transport über Schienen und Straßen gestaltet sich derzeit noch schwierig.

Aus einem Trichter wird eine Ladung Getreide in einen Lastwagen geschüttet
In einem Lager in der Ukraine wird eine Ladung Getreide in einen Lastwagen geschüttet (April 2023)Bild: Gleb Garanich/REUTERS

Auf den Ausstieg Russlands aus dem Abkommen über den Getreideexport aus ukrainischen Seehäfenhatte sich Kiew anscheinend lange vorbereitet. Noch Anfang Juli hat die ukrainische Regierung einen Versicherungsfonds gegen Sicherheitsrisiken für Reedereien eingerichtet, die auch nach einem Ausstieg Russlands aus dem Getreideabkommen bereit sein würden, weiterhin ukrainisches Getreide auf dem Seeweg zu transportieren.

"Das sind 20 Milliarden Hrywnja (ca. 480 Millionen Euro), die im Staatsetat vorgesehen sind", so der stellvertretende Minister für Agrarpolitik und Ernährung, Taras Wyssozkyj, gegenüber der DW.

Ob dieses Geld überhaupt noch zweckgemäß verwendet werden kann, ist nun unklar, denn alle Schiffe, die im Schwarzen Meer ukrainische Häfen anlaufen, betrachtet Russland ab dem 20. Juli als "potenzielle Träger militärischer Fracht". Damit werden auch zivile Frachter zu möglichen Zielen der russischen Angriffe. 

Ukraine lehnt russische Bedingungen ab

Einige Stunden vor dem offiziellen Ablauf des Getreideabkommens am 17. Juli gab Moskau seinen Ausstieg aus dem Deal bekannt. Der Kreml wirft der Ukraine und dem Westen vor, Vereinbarungen nicht einzuhalten und fordert Erfüllung von fünf Bedingungen

Laut dem Geschäftsführer des Ukrainischen Getreideverbands Serhij Iwaschtschenko, sei es für die Ukraine nicht von Vorteil, das Getreideabkommen unter den gleichen Bedingungen wie bisher fortzusetzen. Ihm zufolge erschwere Russland die Durchfahrt von Schiffen durch das Schwarze Meer und blockiere sie mit der Begründung zusätzlicher Inspektionen.

"Wegen der Launen Russlands - manchmal kontrollieren sie, manchmal nicht, manchmal verzögern sie - haben wir etwa 30 Dollar pro Tonne Getreide verloren", sagte er der DW. Nach Berechnungen des Verbandes haben ukrainische Landwirte auf diese Weise insgesamt über eine Milliarde Dollar verloren. "Ohne Russland und ohne einen solchen Stillstand werden wir die Logistikkosten senken können", glaubt er.

Beladung eines Schiffes in Odessa im Rahmen des Welternährungsprogramms (Februar 2023)Bild: Maksym Voitenko/AA/picture alliance

Oleh Niwjewskyj von der Kyiv School of Economics findet, das Getreideabkommen habe der Ukraine ursprünglich die Möglichkeit verschafft, überschüssiges Getreide aus der vorherigen Ernte zu exportieren. "Aber dann ist durch das Vorgehen Russlands das Vertrauen in diesen Korridor verloren gegangen, weil dies zusätzliche Kosten für Versicherungen bedeutet", sagt er.

Der Ökonom fordert stattdessen, schneller alternative Exportrouten zu entwickeln, um in Zukunft nicht von Russlands Verhalten im Schwarzen Meer abhängig zu sein. Die Ukraine sollte ihre Exportkapazitäten an den Westgrenzen erweitern, durch den Ausbau von Eisenbahnlinien, die Vertiefung von Flussbetten und den Bau von Umschlagterminals.

Alternative Routen und die Rolle der Donau

Nach Angaben des Ministeriums für Agrarpolitik konnte die Ukraine im Laufe des Jahres dank des Getreideabkommens 32 Millionen Tonnen Getreide und Öl auf dem Seeweg exportieren. 33 Millionen Tonnen Getreide, Öl und verarbeitete Produkte wurden über andere Wege transportiert.

Laut dem stellvertretenden Minister Taras Wyssozkyj war die Route entlang der Donau die effektivste, über die etwa 20 Millionen Tonnen Getreide und Öl exportiert wurden. Darüber hinaus konnten rund zehn Millionen Tonnen Getreide auf der Schiene und drei Millionen Tonnen auf der Straße transportiert werden.

"Wir planen, diese Exportrouten stärker zu nutzen und auf allen drei Wegen eine Gesamtmenge von 40 bis 42 Millionen Tonnen zu erreichen", so Wyssozkyj. Ihm zufolge investieren ukrainische Agrarproduzenten bereits in die Infrastruktur von Flusshäfen. Zudem würden Verhandlungen laufen, um die Kontrollen des ukrainischen Getreides an den europäischen Grenzen zu vereinfachen, da sie den Transit zu europäischen Häfen auf dem Landweg bremsen.

Verladung von ukrainischem Getreide in Reni an der Donau (Juni 2022)Bild: Sergii Kharchenko/NurPhoto/picture-alliance

In diesem Jahr plant die Ukraine, mehr als 50 Millionen Tonnen Getreide zu ernten. Von der letztjährigen Ernte liegen noch etwa neun Millionen Tonnen auf Lager. Heute setzen die ukrainischen Produzenten vor allem auf den Export über die Donau - über die Häfen Ismail und Reni.

"In unseren Donauhäfen können große Schiffe nicht voll beladen werden, sie müssen in tieferes Gewässer Richtung Schwarzes Meer fahren, wo es die Tiefe des Wasser zulässt, sie mit weiterem Getreide zu beladen", erläutert Serhij Iwaschtschenko vom Ukrainischen Getreideverband. Um das Schwarze Meer zu erreichen, müssen die Schiffe entweder den Sulin-Kanal oder die Bystry-Mündung passieren. Diese Kanäle sind nicht für die Durchfahrt von Schwerlastschiffen ausgelegt. Deshalb hat die Ukraine ein Projekt mit "Ankerplätzen" entwickelt, damit diese Schiffe Getreide durch die Donau transportieren können und nicht auf Grund laufen. "Wir haben die Unterstützung der Europäischen Kommission und der neuen rumänischen Regierung für dieses Projekt", sagt Iwaschenko, "aber die rechtlichen Bestimmungen auf rumänischer Seite müssen noch vervollständigt werden."

Engpässe beim Export Richtung EU

Für den Transport über Land besteht das größte Hindernis in den unterschiedlichen Spurbreiten der Eisenbahnschienen in der Ukraine und der EU. In der Ukraine beträgt die Spurbreite der Eisenbahnschienen 1520 Millimeter gegen 1435 Millimeter in der EU.

"Man muss ein Netz mit europäischer Spurbreite innerhalb der Ukraine aufbauen, das die größten Städte sowie neue Industrie- und Wirtschaftszentren mit den EU-Ländern verbindet. Dies wird zu einer besseren Logistik beitragen", schreibt der Pressedienst des Infrastrukturministeriums unter Berufung auf den stellvertretenden Ministerpräsidenten Olexander Kubrakow.

Aber nicht nur dies behindert den Transport ukrainischen Getreides auf der Schiene. "Jedes europäische Land hat seine eigenen Eisenbahn-Bestimmungen. Bei uns besteht ein voller Zug aus 45 Güterwaggons, während es in europäischen Ländern 25 sind. Das heißt, an der Grenze müssen wir die Hälfte unserer Waggons irgendwo stehen lassen, und nur die andere Hälfte kann weiterfahren. So kommt es zu Verzögerungen beim Transit", erläutert Serhij Iwaschtschenko vom Getreideverband.

Oleh Niwjewskyj von der Kyiv School of Economics ist überzeugt: Wenn die ukrainischen Agrarproduzenten sich sicher sein können, dass sie ihr Getreide ungehindert im Ausland verkauft können, unabhängig davon, ob der Getreidekorridor über das Schwarze Meer funktioniert oder nicht, dann werden sie ihre Anbauflächen nicht verkleinern. Dann werde sich der ukrainische Agrarsektor gut entwickeln.

Adaption aus dem Ukrainischen: Markian Ostaptschuk

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