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Politik

Auf der Suche nach Unabhängigkeit

11. Dezember 2019

Pazifische Inselstaaten streben gegenwärtig besonders häufig nach Eigenständigkeit. Gemeinsam sind ihnen ihre lange Kolonialgeschichte, die geopolitische Lage und unterdrückte Minderheitenrechte.

Papua-Neuguinea Unabhängigkeits-Referendum in Bougainville
Ein Bewohner Bougainvilles gibt seine Stimme im Referendum um Unabhängigkeit abBild: picture-alliance/dpa/Post Courier

Gerade einmal 250.000 Einwohner hat die Insel Bougainville im pazifischen Ozean. Dennoch strebt die kleine Insel nach Unabhängigkeit. In einem Referendum haben die Insel-Bewohner mit überwältigender Mehrheit dafür gestimmt, sich von Papua-Neuguinea loszulösen. Und damit sind sie keineswegs allein.

Während vor allem in der westlichen Welt Unabhängigkeitsbestrebungen beispielsweise in Katalonien oder  Schottland immer wieder für Aufmerksamkeit sorgen, ist es die Region Ozeanien im südwestlichen Pazifik, in der gegenwärtig die meisten Referenden abgehalten werden und sich Abspaltungsbewegungen entwickeln.

In Bougainville, Chuuk und Westpapua stehen demnächst Referenden an

Die Region hat mit Ost-Timor sogar das erste Land des 21. Jahrhunderts hervorgebracht, dem der Schritt in die Unabhängigkeit gelang. "Es gibt eines, das alle pazifischen Inselstaaten eint, wirklich ausnahmslos alle. Alle diese Länder haben die koloniale Ära durchlaufen. Manche Länder haben sogar mehrere Kolonialmächte erlebt", sagt Hermann Mückler, Professor am Institut für Kultur- und Sozialanthropologie der Universität Wien, der DW. Die Niederlande, Australien, Deutschland, Japan, Spanien, Portugal, Frankreich, die USA - es gibt kaum eine Großmacht, die nicht ihre Spuren im südwestlichen Pazifik hinterlassen hat. 

In steter Abhängigkeit

Bis heute ist die Region Ozeanien geopolitisch interessant für Weltmächte wie die USA oder China. Traditionell als der "Hinterhof der USA" angesehen, hatten die US-Amerikaner vor allem im Kalten Krieg ein Interesse daran, ihr Einflussgebiet weit in den Pazifik hinein auszubreiten. Die Interessen der Amerikaner kollidieren aber zunehmend mit denen Chinas, das mit der Hilfe von Mikrokrediten die pazifischen Inselstaaten für sich gewinnen will. Dabei spielt auch eine Rolle, dass einige Inselstaaten Taiwan als eigenständigen Staat anerkennen - eine Tatsache, die China nur schwerlich akzeptieren kann.

Aus der kolonialen Vergangenheit und ihrer geostrategischen Bedeutung ergeben sich bis heute Konflikte und Abhängigkeiten in der Pazifik-Region. Ein Beispiel dafür ist Chuuk. Der kleine Bundesstaat der Föderierten Staaten von Mikronesien hat gerade einmal rund 49.000 Einwohner. Seit 2015 streben die Chuukesen ein Referendum an. Immer wieder wurde es verschoben, nun ist es für März 2020 geplant. Chuuk ist wie ganz Mikronesien stark auf die finanzielle Zuwendung der USA angewiesen. Jedes Jahr zahlen die US-Amerikaner Millionen, damit sie ihre Militärbasen weiter betreiben können. Sollte Chuuk tatsächlich für eine Unabhängigkeit stimmen, haben die USA bereits angekündigt, Gelder für den Inselstaat zu streichen.

Erst im August besuchte US-Außenminister Mike Pompeo die Föderierten Staaten von MikronesienBild: picture-alliance/AP Photo/Reuters/J. Ernst

Die fehlende wirtschaftliche Eigenständigkeit sei die zweite Gemeinsamkeit der Region, sagt Mückler. "Alle diese Inselstaaten sind alleine kaum lebensfähig. Sie sind von Geldern abhängig, die derzeit zum überwiegenden Teil aus Australien, aus den USA, von der EU und zunehmend aus China in die Region gespült werden." Der Grund dafür: Die Inseln liegen abgelegen und haben kaum eigenes Rohstoffvorkommen. Selbst wenn etwas produziert wird, ist es wegen der hohen Transportkosten nicht wettbewerbsfähig. Somit bleiben die Staaten auch Jahrzehnte nach der kolonialen Ära abhängig von Großmächten.

Unterdrückung von Minderheiten

Und dennoch streben viele Regionen nach Unabhängigkeit. Das hat auch etwas mit der Missachtung von Minderheitenrechten zu tun und auch damit, dass die einzelnen Bevölkerungsgruppen sich nicht gesehen fühlen. Das zeigt sich nirgends deutlicher als in Westpapua. Die Westhälfte der riesigen Insel Neuguinea ist als eine der wenigen Regionen reich an Bodenschätzen, vor allem an Kupfer.

In Indonesien trägt ein Student die verbotene Fahne Westpapuas bei einer Demonstration als GesichtsbemalungBild: picture-alliance/AP Photo/B. Bakkara

Nach Ende der Kolonialära ging die Region 1961 an das muslimische Indonesien, das einen gewalttätigen Feldzug gegen die christliche Minderheit in Westpapua vorantreibt. "Dort tobt seit Jahrzehnten ein von der Weltöffentlichkeit weitgehend unbemerkter Bürgerkrieg (um die Minderheitenrechte der Westpapuaner, Anm. d. Red.)", sagt Mückler. Die Chancen, dass Indonesien das rohstoffreiche Westpapua in die Unabhängigkeit entlasse, seien äußerst gering.

Übertragbar auf andere Regionen?

Eine lange Kolonialgeschichte, geopolitische Interessen und unterdrückte Minderheitenrechte: Die pazifischen Inselstaaten zeigen wie unter einem Brennglas, unter welchen Bedingungen sich Unabhängigkeitsbestrebungen entwickeln können. Und dennoch lassen sich die Erfahrungen aus Ozeanien nur schwer auf andere Weltregionen übertragen, meint Mückler. Denn jede Unabhängigkeitsbewegung sei anders. Einige entfachen sich entlang aktueller Konflikte, andere haben ihren Ursprung in jahrhundertealten willkürlichen Grenzziehungen während der Kolonialzeit.

Allerdings könnten die Bewegungen der Inselstaaten im Pazifik einen "Vorbildcharakter entfalten", sollten sie es schaffen, einen Mittelweg zu finden, mit den Abhängigkeiten, denen sie ausgesetzt sind, umzugehen und dennoch ihre kulturelle Identität zu bewahren. "Derzeit ist das aber nicht absehbar, die Vorbildfunktion entfalten sie im Moment noch nicht", sagt Mückler.

Die Region zeige gleichzeitig auch, dass Unabhängigkeitsbestrebungen oftmals mit Illusionen einhergingen. "Viele der Unabhängigkeitsreferenden weltweit haben einen guten Grund, das es sie gibt", sagt Mückler. Allerdings würden sie oftmals von charismatischen Einzelpersonen genutzt, um auf "eigene Rechnung Politik zu machen." Alte Abhängigkeiten würden durch neue ersetzt. Die erhoffte Freiheit und Unabhängigkeit für die Unterstützer der Bewegungen brächten sie dann aber nicht.

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